„Ami go home!“: Vom Wunsch zur Strafe
Der lang gehegte Wunsch der Linken und 68er wird nun angesichts seiner baldigen Umsetzung als Strafe empfunden. Der großangelegte Truppenabzug aus Deutschland ist Präsident Trumps Antwort auf die mangelnde Bereitschaft der Bundesregierung, ihrer Verpflichtung zur Erhöhung der eigenen Verteidigungsausgaben nachzukommen.
Der designierte Botschafter der USA in Deutschland, Douglas Macgregor. Er folgt auf Richard Grenell. © WIKIPEDIA
Es war die erklärte Absicht der Trump-Regierung, einen Teil der in Deutschland stationierten amerikanischen Truppen zurückzuziehen; eine Erklärung, die auf Merkels Weigerung, zu einem Treffen der G7-Führer nach Washington zu kommen folgte (oder damit zusammenfiel). Dies sollte trotz Corona-Pandemie ein reales Treffen werden, Trump wollte es nicht im virtuellen Format durchführen.
Zuvor wurde der geplante Abzug wiederholt sowohl von Trump selbst als auch von seinem ehemaligen Botschafter in Berlin, Richard Grenell, angesprochen, wurde aber nicht konkretisiert und blieb lediglich ein Grund für eine von Trumps vielen Anforderungen an Deutschland.
Zu den am häufigsten wiederholten Beschwerden zählt das chronische Versäumnis Berlins, seinen Verpflichtungen zur NATO-Finanzierung nachzukommen, sowie über die Milliarden, die Deutschland für den Kauf von russischem Gas ausgibt und somit das Verteidigungsbudget des Gegenspielers der eigenen Verteidigungsallianz finanziert.
Die EU will Nähe zu China
Diese Probleme wurden im vergangenen Jahr durch China noch verstärkt. Im März verschärfte das Weiße Haus die bereits offensichtliche antichinesische Ausrichtung seiner Politik, indem es die Volksrepublik China für die Coronavirus-Pandemie verantwortlich machte und China der „Kontrolle“ über die WHO beschuldigte. Auch wenn Trump kaum erwartet hatte, in Europa unterstützt zu werden, konnte ihm dennoch die scharfe Kritik an seiner Politik aus Deutschland nicht gleichgültig sein. Darüber hinaus unterstützt Berlin nicht die Sanktionspolitik Washingtons gegen Hongkong, dem Peking keine Unabhängigkeit zubilligt, sowie weder die harte Position der US-Regierung gegenüber dem Iran noch ihre Pläne den Nahen Osten betreffend. Selbstverständlich missbilligen die USA den Wunsch der EU, ein großes Investitionsabkommen mit China abzuschließen, bei dem Deutschland die führende Rolle hat.
So wurde am 29. Juli 2020 im Weißen Haus angekündigt, das amerikanische Truppenkontingent in Deutschland um etwa ein Drittel zu reduzieren: 11.900 Soldaten verlassen das Land, von denen 6.400 in die USA zurückkehren und etwa 5.600 in andere europäische Länder – Belgien, Italien, möglicherweise Polen – versetzt werden. Zahlreiche US-Hauptquartiere, die sich bis jetzt in Deutschland befinden, werden ebenfalls in anderen europäischen Ländern stationiert, in denen es bereits NATO-Strukturen gibt. Es wird auch in Betracht gezogen, die US-Spezialeinheiten aus Deutschland nach Afrika zu verlegen.
„In Deutschland gibt es keine Streitkräfte mehr“
Richard Grenell, der als einer der Autoren des amerikanischen Rückzugs aus Deutschland oder zumindest als dessen überzeugter Befürworter gilt, trat kürzlich zurück, um an Trumps Wahlkampf teilzunehmen. Am 27. Juli nominierte der US-Präsident Douglas Macgregor, einen pensionierten Oberst, für den freigewordenen Posten des Botschafters in Berlin, der häufig als Experte für den Trump-freundlichen „Fox News“-Fernsehkanal auftritt.
Grenells unnachgiebiger, direkter Stil trug weitgehend zur Verschlechterung der Beziehungen zwischen Berlin und Washington bei, so dass einige in Deutschland nicht ganz unglücklich über seinen Rücktritt gewesen sein dürften. Wenn allerdings Macgregor kommt, könnte sich bald herausstellen, dass die Freude in Berlin etwas verfrüht war.
Nun sollte dieser Kenner der deutschen Panzerstrategie, der als Austausch-Schüler in der elften Klasse in Deutschland war, dann als Offizier diente und fließend Deutsch sprach, Botschafter werden in einem Land, dessen Elite von der Möglichkeit überzeugt ist, die Welt durch multilaterale Verträge zu verbessern. Es ist unwahrscheinlich, dass der neue Botschafter diese Richtung unterstützen wird. Macgregor ist nicht nur ein pensionierter Offizier. Schon während seines aktiven Militärdienstes zeichnete er sich durch Eigensinn und freies Denken aus. Sein erstes Buch, „Die neue Strategie für die Bodentruppen des 21. Jahrhunderts“, das 1997 veröffentlicht wurde, sorgte in sicherheitspolitischen Kreisen für Wirbel, so dass, wie Macgregor selbst einräumte, seine Karriere durch die Kritik an der damaligen militärischen Führung ruiniert wurde. Schließlich quittierte er 2004 seinen Militärdienst und gründete einige Jahre später mit einem Partner eine erfolgreiche Beratungsfirma für Militärstrategien. Im Jahr 2019 wurde ein weiteres Buch von Macgregor, „Transformation unter Beschuss“, veröffentlicht, das für alle hochrangigen Offiziere der israelischen Streitkräfte zu einem Muss wurde.
Lob für Truppenabzug
Es ist nicht auszuschließen, dass Donald Trump nichts von Macgregors Existenz wusste, bis er Anfang 2019 in Fox News einen Militärexperten sah, der Trumps Entscheidung als Oberbefehlshabers für seine Pläne, Truppen aus dem Nahen Osten abzuziehen, lobte. Was er sagt und schreibt, entspricht der Denkweise des politischen Realismus, der die Welt als Arena für rivalisierende Großmächte betrachtet. So würde Russland laut Macgregor wahrscheinlich nie ein Freund der Vereinigten Staaten sein, aber eine Partnerschaft „mit beschränkter Haftung“ wäre möglich und wünschenswert. Auf eine ähnliche Weise sprach er über China und den Iran und war der Meinung, dass, wenn man internationale Konflikte lösen will, man nach Lösungen suchen muss, die für beide Seiten akzeptabel sind. Ein solches Denken ist weit entfernt von den Ansichten der Neokonservativen, die noch vor wenigen Jahren in Washington den Ton angaben.
Macgregor nannte die NATO einmal „einen Zombie“, der „nur mit Hilfe von Voodoo-Zauber immer wieder reanimiert wird“. Und in Deutschland gibt es, seiner Meinung nach, keine Streitkräfte mehr, da die Bundeswehr „hoffnungslos demoralisiert“ sei.
Keine Einigung
Es ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar, ob der Senat die Nominierung des neuen US-Botschafters in Deutschland bestätigen wird und ob der US-Kongress Trumps vorgeschlagenem Plan zum Abzug amerikanischer Truppen zustimmen wird. In Berlin führt man jedoch bereits Debatten darüber, wie man darauf reagieren soll.
Der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Rolf Mützenich, meinte, dass jetzt die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten auf dem Gebiet der Rüstung auch „in einem neuen Licht bewertet“ werden sollte. Laut Mützenich verfolgt Trump eine Politik der „Willkür und des Drucks“, und dies kann nicht „die Grundlage für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit“ sein. Zuvor äußerte sich der SPD-Politiker auch skeptisch über Pläne, amerikanische Kampfjets für die Bundeswehr zu kaufen.
Konservative Politiker warnen jedoch vor vorschnellen Reaktionen. „Die Vereinigten Staaten bleiben unser wichtigster Partner außerhalb Europas“, sagte Ralph Brinkhaus, Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion. „Nun zu sagen: ‚Lasst uns diesen wichtigen Pfeiler der transatlantischen Rüstungskooperation abreißen, halte ich für einen wirklich dummen Fehler, den wir nicht machen sollten“, sagt Peter Bayer (CDU), Koordinator der transatlantischen Zusammenarbeit der Bundesregierung.
Aber genau dies fordern linke Politiker. Darüber hinaus forderte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, wie auch die SPD und die Politiker der Linkspartei, den vollständigen Rückzug der US-Atomwaffen aus Deutschland, was – ihrer Meinung nach – vernünftiger wäre als der Abzug von Truppen.
Übersetzung aus dem Russischen von
Irina Korotkina
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