Happy Birthday, lieber Zentralrat!

Die Bundesregierung finanziert neben allen anderen etablierten Religionsvertretungen auch das höchste jüdische Gremium Deutschlands. Die Zuwendungen des Staates honoriert der Zentralrat durch politisches Wohlverhalten und bewusstes Weglassen berechtigter Kritik an den von der herrschenden Politik verursachten Gründen für die zunehmende Verunmöglichung jüdischen Lebens in Deutschland.

Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Zentralratspräsident Josef Schuster
© John MCDOUGALL, AFP

Von Henryk M. Broder

Zum 70. Jahrestag der Gründung des Zentralrates der Juden in Deutschland, der Dachorganisation von über 100 jüdischen Gemeinden in der Bundesrepublik, gab der Vorsitzende des Zentralrates, Josef Schuster, dem Zentralorgan der deutschen Sozialdemokratie, „Vorwärts“, ein längeres Interview über jüdisches Leben in Deutschland im Allgemeinen und die Rolle des Zentralrates im Besonderen.

Schuster erinnerte daran, was die primäre Aufgabe des Zentralrates im Jahre 1950 war, nämlich: „Den nach der Befreiung aus den Konzentrationslagern in Deutschland gestrandeten Jüdinnen und Juden zu helfen und sie auf die Ausreise nach Israel oder nach Übersee vorzubereiten.“ Noch in den 1970er Jahren wurde man „als in Deutschland lebender Jude“ im Ausland „kritisch beäugt“ und gefragt, „wie man im Land der Täter leben könnte“.

Inzwischen sei die Situation „eine vollkommen andere“, „auch in internationalen jüdischen Gremien wird jüdisches Leben in Deutschland als absolut selbstverständlich angesehen, kritische Anmerkungen gibt es heute nicht mehr“. Zwar gebe es immer noch Antisemitismus in Deutschland, allerdings sei das „keine ganz neue Erscheinung“, neu sei nur, „dass sich immer mehr Menschen trauen, die Dinge auszusprechen, die sie bisher nur gedacht haben“. Andererseits wurden „die Sicherheitsmaßnahmen für jüdische Einrichtungen fast überall in Deutschland deutlich verbessert“, was „ein neues Gefühl der Sicherheit geschaffen“ habe. Deswegen sei „Auswanderung nicht wirklich ein Thema“.

Man muss das Interview mit dem Präsidenten des Zentralrates der Juden gelesen haben, um zu begreifen, wie tief der Abgrund an Selbstverleugnung ist, in dem der Zentralrat zuhause ist. Schuster spricht nur über „rechten“ Antisemitismus, über AfD-Funktionäre, deren Aussagen „wie ein Katalysator für den Antisemitismus“ wirken, und wie aus „Worten letztlich Taten werden“. Den linken Antisemitismus, der sich als Antizionismus und „Israelkritik“ verkleidet, erwähnt er mit keinem Wort, auch der islamische Judenhass bereitet ihm kein Unbehagen.

Das ist keine Frage der selektiven Wahrnehmung. Es ist das, was die Bundesregierung vom Zentralrat erwartet, dessen Arbeit sie mit 13 Millionen Euro jährlich finanziert. So kann man auch „stranden“ und sich dabei gut fühlen.

 

Zuerst erschienen in der „Weltwoche“.

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