Bagatell-Delikt Judenmord – Das Urteil im SS-Prozess von Hamburg

Ganze zwei Jahre Jugendstrafe mit Bewährung gab es für Beihilfe zu 5.232 Morden im KZ Stutthof, zumeist an Juden.

Von Dr. Rafael Korenzecher

5.232 Menschen, jung und alt, zum ganz überwiegenden Teil jüdische Kinder, Frauen und Männer sind ohne jede Schuld, ohne jede Hoffnung und ohne jede Möglichkeit zu entkommen, unter aktiver Beihilfe des damals 17-jährigen SS-Mannes Bruno D. niederträchtig und bestialisch im Konzentrationslager Stutthof ermordet worden. Den Kindern wurde von den SS-Schergen, zu denen auch Bruno D. gehörte, das Leben geraubt, bevor es begann, und auch die älteren Opfer erhielten mit der Schuld von Bruno D. keine Chance sein hohes Alter von 93 Jahren zu erreichen.

„Ein kluges Urteil gegen Bruno D.“ titelt mit offensichtlichem Wohlgefallen die „Süddeutsche Zeitung“, die, wie ihre gelegentlichen Judenkarikaturen im „Stürmer“-Stil belegen, immer wieder durch ihre besondere Zuneigung zu jüdischen Menschen auffällt. Aber zwei Jahre Freiheitsentzug für die Beihilfe zu 5.232 Morden bedeutet eine Haftstrafe für den Täter von ziemlich genau 3 Stunden und 20 Minuten pro Mordtat. Umgerechnet heißt das etwa einen Tag Haft für sieben begangene Mordbeihilfen. Dies dürfte selbst für Morde an Juden ein sehr großzügiger Mengenrabatt sein, den die Vorsitzende der Hamburger Strafkammer dem Täter da eingeräumt hat. Immerhin hatte der ja auch schon das unverdiente und seinen Opfern nicht vergönnte Privileg, diese um 75 Jahre frei von jedem falschen Verdacht, unbehelligt und in der Sicherheit unserer Republik zu überleben.

Die schwer verzeihliche Rufschädigung, die Deutschland durch den Holocaust hat erleiden müssen

Ein Tag Haft für sieben Mordtaten, das ist ein wirklich bemerkenswerter Rekord der Verachtung vor allem jüdischen Lebens, selbst im Land der Täter, die den jüdischen Opfern den ganzen Ärger und die Rufschädigung, die Deutschland durch den Holocaust hat erleiden müssen, bis heute nicht so richtig verzeihen können und sich wohl auch deshalb wieder gern mit neuimportierten Judenfeinden gemein machen.

Auch für die gesamte deutsche Justiz, die bei der Verfolgung von Nazistraftaten ohnehin schon immer sehr zurückhaltend war und beispielsweise den zweiten Lagerkommandanten von Stutthof – Mörder von etwa 50.000 zumeist jüdischen Opfer – nur etwa 3 Jahre in Haft gehalten hat, dürfte die kluge und so vorbildlich gerecht-angemessene Verurteilung des in die Jahre gekommenen SS-Mord-Gehilfen ein Grund zur beispielgebenden Anerkennung sein.

Immerhin hat die Richterin mit diesem Urteilsspruch dokumentiert, dass die Bestrafung von Straftaten gegen vorwiegend jüdisches Leben noch deutlich unter dem Strafmaß für Bagatellvergehen liegt, und weil dies nicht genug an Opferverhöhnung zu sein schien, das Ganze auch noch zur Bewährung ausgesetzt.

Natürlich hat das wie so oft auch etwas Gutes: Ein Bruch der Bewährung ist kaum zu befürchten. Es ist kaum anzunehmen, dass Bruno D. sich künftig noch einmal an der Ermordung einer nennenswerten Zahl von Juden helfend beteiligen wird. Ein wirklich erfolgsversprechender Fall von Resozialisierung.

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