Israels 35. Regierung ist vereidigt

© Adina Valman / KNESSET SPOKESPERSON OFFICE AFP

Von Godel Rosenberg (Redaktion Audiatur)

Israel hat nach 508 Tagen der politischen Ungewissheit und drei Parlamentswahlen wieder eine Regierung – wenn auch eine mit rotierenden Ministerpräsidenten. Der Alte ist vorerst der Neue und damit beginnt eine schier endlose Liste der Superlative, die die fünfte Regierung Benjamin Netanjahu aufweist. Im Guten wie im Schlechten.

Die 35. Regierung seit der Staatsgründung hat 34 Minister und 16 Minister-Stellvertreter. Staatsgründer David Ben-Gurion kam noch mit 13 Ministern aus. Fest steht auch: von den 73 der 120 Stimmen, die für den am längsten amtierenden Ministerpräsidenten Israels gestimmt haben, sind über die Hälfte Teil der Gesetze beschließenden Exekutive. Noch nie gab es in Israel, das noch nach jeder Wahl neue Posten erfunden hat, ein Kabinett mit so vielen Ministern, Stellvertretern und Parlaments-Ausschussvorsitzenden. Dazu gehört mit Pnina Tamano-Shata auch zum ersten Mal eine in Äthiopien geborene Israelin, die das Einwanderungs- und Integrationsministerium leiten wird.

Ministerpräsident Netanjahus wichtigster „Partner“ aber heißt Covid-19. Ohne ihn hätte es diese Regierung nicht gegeben. Das Virus, das dem Land bisher 272 Todesopfer, 16.621 Infizierte (Quelle: John-Hopkins-Universität) und einen Wirtschaftsschaden von über 30 Milliarden Euro zugefügt hat, ist das unsichtbare Band, das diese Regierung zusammenschweißt. Der aktuelle Staatsfeind Nr. 1 heißt nicht Hisbollah, Hamas oder Iran, sondern vielmehr Corona. Netanjahu hat in seiner Mini-Regierungserklärung nach einer nicht enden-wollenden Vereidigungszeremonie unter Einhaltung einer Abstandsregelung die Wiederbelebung der Wirtschaft als zweitwichtigstes Thema genannt. Erst danach kamen die äußeren Feinde in der nahöstlichen Nachbarschaft.

Kein Wort verlor Netanjahu über das Gerichtsverfahren gegen ihn wegen Korruption. Dafür versuchte er das aufgeblähte Kabinett mit einem Zahlenspiel zu begründen: seine Regierungsmannschaft kostet jährlich rund 20 Millionen Euro mehr. Aber Neuwahlen hätten über 500 Millionen verschlungen. Eine Erklärung, die dem israelischen Volk mit einer Arbeitslosenquote von 27 Prozent schwer zu vermitteln ist.

 

Komödianten: Minister fürs kalte und fürs warme Wasser?

Gespannt darf man auch sein, was Minister „für Beziehungen zum Parlament“, „Aufsicht für das Budget“, „Ausbau der Siedlungen“, „Stärkung der Gemeinden“ im Regierungsalltag zu tun haben und wie ihre Leistungen zu bemessen sind. Der Humor geht in Israel dabei nie verloren. Wenige Stunden nach der Kabinettsvereidigung fehlten den Komödianten im TV-Programm noch zwei Minister: einer fürs kalte und einer fürs warme Wasser.

Ach ja, da war noch der Blau-Weiß-Parteivorsitzende Benny Gantz, der sich den Titel „alternierender und zukünftiger Ministerpräsident“ zusätzlich zum Verteidigungsminister verpasste. Er bestand auch darauf, dass der „Wechsel-PM“ ein eigenes Büro mit allen Vorzügen bekommt. Die Vorzüge heißen für jeden Minister eine um 1.200 Euro höhere Bezahlung gegenüber einem Parlamentsabgeordneten, acht statt drei Mitarbeiter und chauffiert werden die Chefs im Dienstwagen mit zwei Fahrern zur Auswahl. Dafür fiel der übliche Toast nach dem ersten Kabinettstreffen aus. Aus Hygiene-Gründen gab es statt eines Glases koscheren Weins ein vorbildliches Desinfizieren der Minister-Hände mit Alco-Gel, begleitet von einem ermutigenden Aufruf des Regierungschefs: „Lasst-uns-an die Arbeit-gehen“.

Staatspräsident Rivlin hat noch ein Problemchen mit dem obligatorischen Lichtbild der neu vereidigten Regierung. Er schrieb das Gesundheitsministerium mit der Bitte an, ihn zu beraten, wie man bei Einhaltung einer Abstandsregelung alle politischen Würdenträger auf einem Foto ablichten könne. Die Antwort steht noch aus. Mazal tov Israel!

 

Über den Autor Godel Rosenberg:

Journalist, Autor, High­tech-Unternehmer. Godel Rosenberg war Pressesprecher der CSU und von Franz Josef Strauß, Fernsehjournalist, TV­Moderator und Repräsentant des Daimler­Konzerns in Israel. Von 2009 bis 2018 war Godel Rosenberg der Repräsentant Bayerns in Israel.

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