Islamistische Netzwerke in der deutschen Bundeswehr
Ein Deutsch-Afghane wurde für schuldig befunden, Militärgeheimnisse an den iranischen Geheimdienst MOIS weitergegeben zu haben.
In der US-Armee gab es einen besonders schweren Fall islamistischer Infiltration: Der in den USA als Sohn „palästinensischer“ Eltern geborene Nidal Malik Hasan erschoss am 5. November 2009 auf dem Militärstützpunkt Fort Hood 13 Menschen. © WIKIPEDIA
Gegen den Deutsch-Afghanen Abdul S. wurde wegen Landesverrats eine Haftstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verhängt, gegen seine Ehefrau Asiea S. wegen Beihilfe zum Landesverrat zehn Monate auf Bewährung. Der Fall belegt, dass islamistische Umtriebe oder Undercover-Einsätze für islamische Staaten in der Bundeswehr ein ernstzunehmendes Problem darstellen. Trotz des Urteils gibt es jedoch berechtigte Zweifel, was die Definition „extremistisch“ in Hinsicht auf muslimische Angehörige der oder Beschäftigte bei der Armee angeht.
Laut „Tagesspiegel“ sahen es
„die Richter als erwiesen an, dass Abdul S. als Zivilangestellter der Bundeswehr militärische Staatsgeheimnisse an den iranischen Geheimdienst MOIS (Ministerium für Nachrichtenwesen; Anm. d. Verf.) weitergab.
Abdul S. traf sich von Januar 2013 bis Februar 2017 in europäischen Städten mit Verbindungsleuten des MOIS und übergab Lagepläne der Bundeswehr sowie Analysen des Bundesverteidigungsministeriums zu bestimmten Regionen. Um welche es sich handelte, sagte das Gericht nicht. Da der MOIS sich für Abdul S. interessierte, dürfte es in den Lageplänen und Analysen um den Iran und sein regionales Umfeld gegangen sein, von Saudi-Arabien bis Afghanistan.
Der Fall sei ein Beispiel dafür, dass der MOIS ‚klassische geopolitische Spionage betreibt und nicht nur die Unterdrückung von Oppositionellen‘, sagten Sicherheitskreise am Dienstag dem Tagesspiegel. Das passe zu den Bestrebungen des Iran, in der Golfregion eine Vormachtstellung zu erringen.
Der Deutschafghane war in der Heinrich-Hertz-Kaserne im Eifel-Ort Daun als Übersetzer und ‚landeskundlicher Berater‘ tätig. In Daun ist das Bataillon ‚Elektronische Kampfführung 931‘ stationiert. Es betreibt Fernmeldeaufklärung mit Blick auf Krisenregionen und auch auf Gefahren für die in Afghanistan tätigen Soldaten der Bundeswehr.
Abdul S. speicherte heimlich Informationen auf Datenträgern. Er gab sie bei mindestens acht Treffen mit Agenten des MOIS weiter. Die Iraner entlohnten den Spion mit insgesamt 34.500 Euro. Abdul S. sagte im Prozess, er habe die Treffen von sich aus beendet. Warum er für den Iran spionierte, habe die Beweisaufnahme nicht klären können, sagte das Oberlandesgericht.“
Der Ehefrau wird vorgeworfen, den Übersetzer bei seinen Aktivitäten unterstützt, z. B. seine Flüge für Treffen mit Verbindungsleuten des MOIS gebucht zu haben. Das weist darauf hin, dass Frauen im fundamental-islamischen Milieu eine wichtige, eine aktive Rolle spielen.
Der Anteil der Islamisten unter den Extremisten ist überproportional hoch
Laut Angaben des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) wurden 2019 14 Extremisten in der Bundeswehr enttarnt: 8 Rechtsextreme, 4 Islamisten und 2 Reichsbürger. 49 Personen wurden wegen „extremistischer Verfehlungen“ entlassen, berichtete die „Zeit“.
Ob der im Januar 2019 verhaftete Abdul S. zu den vier enttarnten Islamisten zählt, ist nicht bekannt. In jedem Fall aber spionierte er im Auftrag eines islamischen Staates. 2018 waren von 7 enttarnten Extremisten 4 Rechtsextreme und 3 Islamisten. Das klingt harmlos. Allerdings schlagen Behörden und Politik angesichts enttarnter Rechtsextremisten bei der Bundeswehr oder der Polizei Alarm. Zu Recht, denn die Landesverteidigung oder hoheitliche Aufgaben dürfen nicht Personen überlassen werden, von denen nicht klar ist, gegen wen sie sich letztlich in Ausübung ihrer Funktion wenden würden, wem sie Zugang z. B. zu Kasernen und Waffenlagern verschaffen, oder welche Dienstgeheimnisse sie verraten und an wen.
So verständlich die Sorge angesichts von Rechtsextremisten bei der Bundeswehr auch ist, so unverständlich ist die Verschwiegenheit in Hinsicht auf verdächtige oder enttarnte Islamisten. 2019 waren das knapp ein Drittel, 2018 sogar knapp die Hälfte. Gemessen an ihrem Anteil der Bevölkerung sind Islamisten also überproportional häufig als Gefährder eingestuft.
Laut Nariman Hammouti-Reinke, ihres Zeichens Vorsitzende der Organisation „Deutscher Soldat e.V.“ sind etwa 1.500 bis 1.600 Angehörige der Bundeswehr muslimischen Glaubens. Das schreibt sie in ihrem Buch „Ich diene Deutschland: Ein Plädoyer für die Bundeswehr – und warum sie sich ändern muss“. Diese sind selbstverständlich nicht alle des Fundamentalismus, der Spionage oder gar des Terrorismus verdächtig. Doch letztlich bedeuten die vom MAD veröffentlichen absoluten Zahlen zu den Extremisten, dass im Verhältnis genommen der Islamismus ein größeres gesellschaftliches Problem in Deutschland ist als der Rechtsextremismus.
Erhebungen zeigen, dass viele junge Menschen mit Wurzeln in islamischen Staaten sich stark zum Glauben hingezogen fühlen und mitunter islamische Werte noch stärker betonen als ihre Eltern. Bekannt ist außerdem die rege Auslandsarbeit der Türkei durch Organisationen wie DITIB (in Österreich ATIB) oder Milli Görüş, die den „Auslandstürken“ einimpfen, im Grunde Interessensvertreter der Türkei zu sein statt Bundesbürger. Ein Problem, das in der öffentlichen Wahrnehmung quasi nicht existiert, geschweige denn diskutiert wird.
Laut „Zeit“ bedient sich der MAD
„bei der Verortung der Fälle einer Art Farbenlehre: Gelb kennzeichnet Verdachtsfälle. Grün sind Fälle, bei denen ein Verdacht ausgeräumt wurde. Orange bedeutet, dass mindestens fehlende Verfassungstreue festgestellt wurde – im vergangenen Jahr gab es davon 38 Fälle. Rot sind die erkannten Extremisten.
Extremismus wird festgestellt, wenn aktive Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung – teils auch mit Gewalt – nachgewiesen werden. Paragraf 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes nennt dazu ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen, die sich gegen demokratische Freiheiten und Rechte, die Unabhängigkeit der Justiz oder gegen die im Grundgesetz formulierten Menschenrechte richten.“
Was ist die Definition von „extremistisch“?
In Hinsicht auf die bereits erwähnte Nariman Hammouti-Reinke, ihre Kameraden Dr. Dominik Wullers und Robert Kontny und der von ihnen vertretenen Organisation „Deutscher.Soldat e.V.“ kommen allerdings Zweifel auf, wie zielführend diese Farbenlehre ist bzw. stellt sich die Frage, welche Definition von „extremistisch“ ihr in Bezug auf muslimische Armeeangehörige zugrunde liegt.
Die Organisation „Deutscher.Soldat e.V.“ wird als Teil des Netzwerks der „Neuen Deutschen Organisationen“ (NDO) geführt und nahm an deren Bundeskongress 2018 teil. Auf der Teilnehmerliste steht außerdem u. a. die „Muslimische Jugend in Deutschland e.V.“ (MJD). Diese ist Mitglied im Dachverband „Forum of European Muslim Youth and Student Organizations“ (FEMYSO), der – nicht nur – im Verfassungsschutzbericht des Landes Baden-Württemberg 2016 als ideologisch der Muslimbruderschaft nahestehend eingestuft wird. Die MJD gehörte 1996 zu den Gründungsmitgliedern von FEMYSO.
Die Idee der Gründung geht auf Ibrahim el-Zayat zurück, den ehemaligen Vorsitzenden der „Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V.“ (IGD), die sich kürzlich in „Deutsche Muslimische Gemeinschaft e.V.“ (DMG) umbenannte und in Verfassungsschutzberichten verschiedener Bundesländer ideologisch der Muslimbruderschaft zugeordnet wird.
Die IGD/DMG gehörte zu den Gründungsorganisationen des „Zentralrats der Muslime in Deutschland e.V.“ (ZMD) und gilt als der dort dominierende Mitgliedsverein. Seit vergangenem Jahr ruht diese Mitgliedschaft – vermutlich, weil die vermutete ideologische Nähe zur Muslimbruderschaft inzwischen kein Geheimnis mehr ist und der ZMD sich nicht in Verruf bringen will.
Ibrahim el-Zayat war nicht nur von der 1996 erfolgten Gründung bis 2002 Vorsitzender von FEMYSO, sondern übte auch Funktionen in diversen weiteren Organisationen aus. So war er Mitglied im Vorstand der „Federation of Islamic Organisations in Europe“ (FIOE), Gründer des „Europäischen Rates für Fatwa und Forschung“ (ECFR), Mitglied im Vorstand der muslimischen Hilfsorganisation „Islamic Relief Deutschland“ (IRD) in Köln und Berlin sowie „Trustee“ (Treuhänder) der „Islamic Relief Worldwide“ (IR) in Birmingham (GB). Auch IR wurde von einem bekennenden Muslimbruder gegründet, „IRD“ versucht indes den Eindruck zu vermitteln, unabhängig von der Organisation in Birmingham zu sein. Laut Angaben von IRD übt Ibrahim El-Zayat inzwischen keinerlei Amt mehr aus, weder in der britischen noch in der deutschen Organisation.
Ebenfalls Mitglied bei FEMYSO ist die Jugendorganisation der „Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş“ (IGMG). Als Teil des Netzwerks der NDO sowie auf der Teilnehmerliste des Bundeskongresses 2018 werden verschiedene Verbände geführt, die sich im Umfeld der IGMG und anderer Organisationen bewegen, die eine mit der Muslimbruderschaft weitestgehend deckungsgleiche Ideologie vertreten. Dazu gehören u. a. JUMA, Inssan oder auch die Comedians „Datteltäter“. Sie alle eint das Ziel, das Berliner Neutralitätsgesetz zu kippen und das Recht auf Verschleierung in allen Bereichen der deutschen Gesellschaft durchzusetzen, was von der Politik offenbar nicht als problematisch eingestuft wird. Im Gegenteil: Warnungen von Behörden wie z. B. dem Bundeskriminalamt oder dem Verfassungsschutz werden in den Wind geschlagen und sowohl einzelne Organisationen als auch Zusammenschlüsse wie NDO mit Bundesmitteln gefördert. Dafür wurden sogar eigens eigene finanziell gut ausgestattete Programme aufgelegt.
Netzwerk der Muslimbruderschaft
Selbstverständlich sind nicht alle Mitgliedsorganisationen der NDO dem Spektrum des fundamentalen Islam zuzurechnen, aber sie alle akzeptieren diese in ihrer Mitte – mitsamt ihrem Kampf gegen eine der Grundfeste unserer Gesellschaft, nämlich die Gleichberechtigung von Frauen und Männern.
Organisationen, die eine Ideologie vertreten, die stark an das Normen- und Wertesystem der Muslimbruderschaft erinnert, gehen häufig juristisch gegen jene vor, die sie als Teil des weltweiten Netzwerks dieser Bruderschaft bezeichnen. Gerichte folgen ihrer Argumentation in den meisten Fällen, denn es gibt keine offizielle Mitgliedschaft, und das Netzwerk ist so verschachtelt – ständig werden neue Verbände und Organisationen gegründet –, dass sich die Linien bis zur Muslimbruderschaft nicht nachvollziehen bzw. beweisen lassen.
So schaffen sie es oft allzu mühelos, sich in zivilgesellschaftliche Netzwerke einzubringen, unter dem Stichwort „Toleranz“ ihre antimodernen Vorstellungen in den Diskurs einzuspeisen, diesen mittlerweile weitestgehend zu bestimmen – und dafür auch noch Steuergelder abzugreifen. Und am Ende erscheint es dann auch nicht als Problem, wenn eine Soldaten-Organisation, die ganz offiziell als Interessensverband in der Bundeswehr auftritt, Teil solcher Netzwerke ist.
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