„Wer, wenn nicht ich“

Rezension des neuen Buches von Henryk M. Broder

Von Filip Gaspar

Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, ihn nicht zu kennen, den 1946 in Kattowitz (Polen) geborenen Henryk M. Broder, der zur Bundestagswahl mit seiner Liste „Alte Weiße Männer, SUV-Fahrer und Vielflieger“ antreten will. Und diese Liste deutet darauf hin, was er mit seinem neuen Buch wieder angestellt hat. Er hat ein Buch verfasst, in dem er eine Momentaufnahme des gesellschaftlichen Treibens in Deutschland, Europa und natürlich bei den ehemaligen amerikanischen Freunden macht, die seit dem Einzug von Donald Trump ins Weiße Haus von einem Tyrannen unterjocht werden.

Ein Tyrann ist der freilich nur, wenn man dem Weltbild derer folgt, denen Broder in seinem Werk den Spiegel vorhält. „Wer, wenn nicht ich“ zeigt das Bild eines irreparablen Verhältnisses. Einmal zum „besten Deutschland, in dem wir je gelebt haben“ und auf der anderen Seite zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Neue Freunde macht er sich keine, doch genau darauf scheint Broder auch keinen Wert zu legen. Jeder bekommt bei ihm sein Fett weg, angefangen bei Greta Thunberg oder ihrer deutschen Stellvertreterin Luisa Neubauer, die – dem Klima zuliebe – eine Stelle im Aufsichtsrat von Siemens nicht antreten wollte. Wer wissen möchte, was derzeit los ist und leider auch schiefläuft, dem sei Broders Buch ans Herz gelegt – natürlich ohne Gewähr! Denn die Einsichten, die Broder mit den Lesern teilt und die man unterbewusst schon längst erahnte, aber vielleicht aus Selbstschutz verdrängte, können sehr schmerzhaft sein. Doch auch als zukünftige Chronik wird dieses Werk dienen und zwar als Chronik eines „nicht überdachten Irrenhauses“, wie Broder über Deutschland zu sagen pflegt. Es dient auch als Gebrauchsanweisung für das „täglich neu auszuhandelnde Zusammenleben“.

 

Maria Ladenburgs Eltern

Nachdem das erste Kopfschütteln und Lachen bei der Lektüre verflogen ist, soll es zum Denken anregen. Auf den ersten Blick scheint es eventuell zu dünn geraten zu sein, doch Broder schafft es auf 200 Seiten das Protokoll einer Entwicklung aufzuzeigen, die um das Jahr 2015 herum seinen Anfang nahm und bis heute weitergeht. Wer noch einmal die besten Aussagen von Heiko Maas, Heinrich Bedford-Strohm, Katrin Göring-Eckardt oder anderer bedeutender Denker des 21. Jahrhunderts aufgezeigt haben möchte, ist hier richtig. Und zwischen vielen muss das Zusammenleben täglich neu ausgehandelt werden muss. Darunter fallen zum Beispiel die, die das Klima um jeden Preis retten wollen und denjenigen, die es bezahlen sollen. Zwischen Rettungsdiensten und denjenigen, die dessen Arbeit nicht immer wertzuschätzen wissen. Broder macht einen Rundumschlag und zeigt die Facetten des Wahnsinns auf und führt sie dem Leser genüsslich vor. Dabei muss immer im Hinterkopf behalten werden, dass laut Bundestagspräsidentin Claudia Roth Broders Geschäftsmodell auf Falschbehauptungen und Hetze basiere. Teilweise kommt hinter dem ironischen Ton auch Bitterkeit zum Vorschein, wenn er schreibt „Eine Weile dachte ich, ich will Rache nehmen. Für meine Eltern, (…) überhaupt für die sechs Millionen, die an meiner Wiege standen. (…) Ich habe kein Verständnis für Eltern, die eine Stiftung zugunsten von Flüchtlingen gründen, nachdem ihre Tochter von einem Flüchtling ermordet wurde.“

Natürlich werden Politiker nicht verschont, die, wie sein Liebling Heiko Maas immer wieder das Mantra wiederholen „wegen Ausschwitz in die Politik gegangen zu sein“ oder andere, die behaupten, dass es neben der deutschen Sprache keine weitergehende Kultur gäbe. Greta Thunberg und ihre „Fridays for Future“-Bewegung werden als „Vorboten eines Totalitarismus, der nur auf ein Alibi gewartet hat, um sich entfalten zu dürfen“ bezeichnet.

Da, wie bereits oben erwähnt, dieses Buch kürzer als sonst ausgefallen ist, sollen hier nicht zu viele Inhalte vorab verraten werden, oder in der Sprache der nicht-alten weißen Männer: Es soll nicht „gespoilert“ werden. Dafür aber unbedingt die NICHT-Kaufempfehlung von Henryk M. Broder selbst. Er rät dringend vom Kauf ab und führt dafür auch gleich zehn Gründe an. Hier folgt nur eine kleine Auswahl dieser Gründe. Es besteht die Gefahr, dass man „depressiv“ oder „aggressiv“ werde, überlegen werde in die SPD einzutreten oder noch schlimmer sein Spiegel-Abonnement kündigen oder sich um einen Job bei Siemens bewerben. Zum Ende des Buches erfolgt aber auch der Hinweis, dass man es gar nicht selbst lesen müsse, sondern es vollkommen ausreiche „es zu kaufen und dann jemandem zu schenken, den Sie nicht leiden können“.

Na, wenn das mal kein Kaufgrund ist, soll mich der Klimawandel holen!

 

Henryk M. Broder

„Wer, wenn nicht ich“

Achgut Edition

200 Seiten, Hardcover

24,00 € (D)

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