Ein Gericht als Spielball der Linksradikalen

Linksideologisierte Richter des übermächtigen Obersten Gerichtshofes Israels (BaGaZ) verwischen die Grenze zwischen Legislative und Judikative

Esther Hayut, Vorsitzende des Obersten Gerichts (BaGaZ)© AFP

Von Lisa Jüdin

In großen Teilen der israelischen Gesellschaft kommt seit geraumer Zeit Unmut darüber auf, wie Richter zeitweise ihre Befugnisse überschreiten und bestehende Gesetze in eine linksliberale ideologische Richtung verbiegen.

Kurz vor den Parlamentswahlen im April 2019 betonte Ministerpräsident Netanyahu: „Es war stets mein Grundsatz, einen starken und unabhängigen Justizapparat aufrechtzuerhalten – das heißt aber keinesfalls, dass das Gericht allmächtig ist. […] Wir wollen nur die nötige Balance zwischen den staatlichen Institutionen in Israel wiederherstellen.“ Es handle sich dabei darum, die Gesetze, welche den Erwartungen des Volkes entsprechen und im Sinne der Gerechtigkeit sind, zu verabschieden – die Einführung der Todesstrafe für Terroristen, die Deportation ihren Familien oder die Abschiebung illegaler Migranten. Dafür bedürfe es dreierlei neuer Regelungen.

Zum einen, eine legitime Möglichkeit, die Aufhebung des Gesetzes durch den Obersten Gerichtshof zu übergehen, falls eine bestimmte Anzahl der Knesset-Abgeordneten sich für das aufzuhebende Gesetz ausspricht. Zum anderen, es müsse ein Gesetz über die automatisch in Kraft tretende Immunität von Abgeordneten im Falle einer strafrechtlichen Verfolgung durchgebracht werden. Und, zu guter Letzt, man brauche eine Regelung, gerichtliche Forderungen dahingehend einzuschränken, dass sie lediglich von konkreten Geschädigten eingereicht werden und nicht von NGOs oder anderen gesellschaftlichen Organisation als Anklage einer „allgemeinen Ungerechtigkeit“.

Unter weiteren Forderungen des rechten Blocks sind Änderungen des Prozederes von Richterernennungen und Beschränkung auf maximal 12 Dienstjahre usw. Bei den Gerichten führten diese Pläne zu panischen Reaktionen. Um die Gesellschaft vom Kern des Problems abzulenken, verbreitete man die These, Netanyahu, unter dem Damoklesschwert der gegen ihn wegen der Korruptionsvorwürfe erhobenen Anklage, würde seine „natürlichen Verbündeten“ aus ultrarechten Kreisen nicht mehr bremsen, was wiederum dazu führen würde, dass die besagten Ultrarechten eine politische Kontrolle über die Polizei und Staatsanwaltschaft bekämen, die säkularen Gerichte abschaffen und Israel in einen „halachischen Staat“ verwandeln könnten. Ob das stimmt?

Die Abkürzung BaGaZ (hebräische Abkürzung von „Bet din Gewoha leZedek“ – „das Hohe Haus der Gerechtigkeit“, – Anm. d. Übers.) nimmt tendenziell mehr Platz nicht nur in den Medien ein, sondern auch in Gesprächen in der Gesellschaft.

 

Was ist der BaGaZ?

Als der Oberste Gerichtshof ist er gleichzeitig auch ein Appellationsgericht und ist in dieser Funktion als Prüfer von Entscheidungen der niederen Instanzen eine Zweite Instanz; nicht selten aber arbeitet er als die erste und letzte Instanz. In seinem Gesuch, adressiert an BaGaZ, muss sein Anmelder auf die Verletzung eines privaten oder öffentlichen Interesses hinweisen und dabei selbst ein Teil der betroffenen Community sein. Dieses Prinzip wird allerdings seit längerer Zeit nicht mehr beachtet: Es genügt auf eine Unstimmigkeit in Sachen des öffentlichen Interesses hinzuweisen; niemand fragt mehr danach, welcher Bezug der Antragsteller zu der genannten „Unstimmigkeit“ hat. Diese Tatsache wird seitens linksradikaler Kreise ausgenutzt und ihre Gesuche und Anträge häufen sich.

Am Obersten Gerichtshof Israels tut das BDS-Geld aus der EU seine Wirkung

Zu beachten wäre noch ein Aspekt, nämlich der, dass die Funktion des BaGaZ als Oberster Gerichtshofs weder ein Ermittlungsverfahren noch die Sammlung von Indizien vorsieht. So kann einfach eine emotionale Darstellung zum Erfolg führen. Nicht selten werden Entscheidungen zugunsten der „palästinensischen“ Antragsteller gefällt, welche von den Aktivisten der „Jesch Din“ vertreten werden und lediglich auf einem einzigen alten Dokument über den Landbesitz basieren, dessen Authentizität nicht überprüft wurde (Jesch Din – aus dem Hebr.: „Es gibt Recht“ – nennt sich eine israelische Menschenrechtsorganisation, die den „Palästinensern“ aus den sogenannten „besetzten Gebieten“ einen rechtlichen Beistand bietet. Jesch Din wird von der EU sowie von diversen Organisationen finanziell unterstützt, darunter von der BDS-Unterstützerin „Oxfam Deutschland“, – Anm. d. Übers.).

Es stellt sich hier die Frage, wie die BaGaZ-Entscheidung ausfallen würde, sollte jemand ein mürbes, 200 Jahre altes Papier vorlegen, dem man entnehmen könnte, dass das Stück Land, auf dem heute sowohl die Knesset als auch die BaGaZ-Gebäude stehen, zum arabischen Dorf Sheich Badr gehöre, dessen Bewohner im Zuge des israelischen Unabhängigkeitskrieges geflohen seien?

Wer bestimmt die 15 Richter?

Als das Oberste und gleichzeitig das Appellationsgericht kann BaGaZ jede Entscheidung einer untergeordneten gerichtlichen Instanz sowie aller staatlichen Institutionen, Kommunen, staatlicher Unternehmen anfechten oder für ungültig erklären. Wer aber wählt die 15 mächtigen Richter? Wir, das Volk, tun es nicht.

Alle Richter, auch die der niedrigeren Instanzen, werden vom Präsidenten ernannt, nachdem sie ihm durch ein dafür gebildetes Komitee vorgestellt werden. Das Komitee besteht aus drei Richtern des BaGaZ, zwei Ministern, einem Knesset-Abgeordneten und einem Mitglied der Anwaltskammer. Der Ernannte übt diese Tätigkeit aus bis zur Vollendung seines 70. Lebensjahres; die darauffolgende Rente beträgt über 50.000 Schekel monatlich (zum Vergleich: Das Durchschnittseinkommen in Israel belief sich im April 2019 auf 10.600 Schekel, also etwa 2.660 Euro, – Anm. d. Übers.). Und wer wird unter diesen Umständen nicht mit den anderen BaGaZ-Richtern unisono singen, um diese Stelle zu behalten?

Ein jüdisches Haus in Amona vor seinem Abriss, den das Oberste Gericht beschlossen hat.

 

Vorschriften für Soldaten

Dem BaGaZ obliegt die Entscheidung in Fällen, wo gegen die staatlichen Institutionen und Organisationen geklagt wird, außerdem in jeder Sache, welche – der richterlichen Meinung nach – eine Ungerechtigkeit aufweist. Ja, nach richterlicher Meinung, wohlgemerkt. Ein Beispiel: Auf das Verlangen des Gerichts hin wurde eine Anweisung – ein 14-seitiges Dokument – entwickelt, die vorschreibt, wie sich ein Soldat der IDF bei einer Terrorattacke zu verhalten hat, speziell den Gebrauch der Waffe betreffend. Man stelle sich vor, im Bruchteil einer Sekunde muss man im Kopf 14 Seiten durchgeblättert haben, um eine korrekte Entscheidung zu treffen!

 

Verwischen die Grenzen zwischen Legislative und Judikative?

Man könnte das Bestreben der Richter, für jeden Bereich des gesellschaftlichen Lebens zuständig zu sein, „gerichtlichen Aktivismus“ nennen, der zur Vermischung der Legislativen und Judikativen führen würde, was nicht passieren darf. Dennoch finden solche Präzedenzfälle statt. Wir erinnern uns an die Geschichte mit dem oberen Militärrabbinern: Der Generalstabchef ernennt – völlig legitim – den Rabbiner Eyal Karim; seitens des Verteidigungsministers wird dies genehmigt. An dieser Stelle kommt BaGaZ ins Spiel und annulliert diese Ernennung, was von der Meretz-Partei initiiert wurde. Wie kam es, dass diese Ernennung in den Kompetenzbereich des Obersten Gerichts gelang?

Die religiös-politischen Ansichten der zu nominierenden Person stimmten mit denen der Meretz-Partei nicht überein. Wir sind aber doch „die einzige Demokratie im Nahen Osten“! Also kollidieren solche Ansichten nicht mit dem Gesetz. BaGaZ verfügt über keine Befugnisse, die Entscheidung der Exekutive rückgängig zu machen, solange sie dem Gesetz nicht widerspricht. Andernfalls würde es bedeuten, es handele sich um keine juristische, sondern eine „moralische“ Entscheidung, und man könnte meinen, dass die „Moral“ für BaGaZ ein dehnbarer Begriff wäre. Am 22. November 2016 verschob das Oberste Gericht zum wiederholten Male die Evakuierung der illegalen beduinischen Siedlung Umm al-Hiran in der Negev. Kurz davor wurde der Antrag auf die siebenmonatige Verschiebung der Räumung des jüdischen Außenpostens Amona jedoch abgelehnt.

 

Die Ungleichbehandlung zweier Dörfer

Seinerzeit stoppte BaGaZ die Entscheidung des zuständigen Gerichts über die Räumung im Dorf Beit Hanin: Sie betraf arabische Häuser, die auf jüdischem Boden gebaut worden sind. Die Begründung des Richters Danziger lautete damals: Die arabischen Einwohner hätten keine andere Behausung, das sei deren einziger Wohnraum… Im Fall Amona kam ein derartiges Argument niemandem in den Sinn. Der Beschluss über die Räumung in Beit Hanin wurde gefasst, nachdem die jüdischen Besitzer ihre Rechte auf das entsprechendes Stück Land vorweisen konnten. Dieser Fall und der Fall von Amona wiesen unübersehbare Ähnlichkeiten auf, dennoch befand das Oberste Gericht es für nötig, einzugreifen und den Entscheid über die Räumung der arabischen Häuser aufzuheben.

In seinem Artikel „Die Schlüsse, welche die Rechten aus der Zerstörung Amonas ziehen sollten“ schrieb Erez Tadmor:

„Seit bereits zweieinhalb Jahrzehnten treten die Richter des BaGaZ die Demokratie in unserem Land mit Füßen und fällen Entscheidungen der linken Agenda entsprechend. Richter und juristische Berater haben den Soldaten die Hände gebunden. Sie nahmen dem Staat die Möglichkeit, das Problem der illegalen afrikanischen Einwanderer vernünftig zu lösen. Immer wieder forderten sie eine Verschiebung des Sicherheitszauns, mit dem Ziel, diesen so weit wie möglich bis hinter die „grüne Linie“ zu verrücken (der Sicherheitszaun, in Deutschland besser als „Mauer“ oder „Sperranlagen“ bekannt, ist über 700 km lang und verläuft an der Grenze zu den sog. „besetzten Gebieten“ – Judäa und Samaria, im Westen „Westjordanland“ genannt. Der Bau des Zaunes begann 2002 nach der Zweiten Intifada und hat die Anzahl der Terroranschläge auf Israelis erheblich reduziert, – Anm. d. Übers.). Sie legalisierten den Landraub durch Araber in Judäa und Samaria, in Galiläa, in der Negev und in Jerusalem. Und, last but not least, sie mischten sich in politische Fragen ein.“

 

Die Linken haben Macht in Medien und Justiz

Was können also die Rechten daraus lernen? Nach 1977, als die Likud-Partei mit Menachem Begin an der Spitze an die Macht gekommen war und die Linken abgelöst hatte, nutzten diese eine andere Strategie, um das Land zu kontrollieren: Sie machten sich die Medien und das gesamte Rechtssystem zu eigen. Seitdem regieren sie das Land trotz wiederholter Wahlniederlagen durch diese Strukturen.

Die Judikative steht über dem durch die Legislative gesetzten Recht. Wozu die Gesetze verabschieden, wenn sie von BaGaZ ohnehin verworfen werden? Außerdem: Wie findet die gegenseitige Kontrolle der drei Staatsgewalten statt? Wer kontrolliert den BaGaZ, den Obersten Gerichtshof? Was bedeutet „Gerechtigkeit“? Was für den Richter Danziger „gerecht“ ist, kann für mich verbrecherisch sein. Wer hat recht? Wie es der Wirtschaftswissenschaftler, Nobelpreisträger Milton Friedman formulierte: „Ich bin kein Verfechter der Gerechtigkeit. Ich bevorzuge die Freiheit, und Freiheit und Gerechtigkeit sind nicht dasselbe. Die Gerechtigkeit setzt voraus, dass jemand bewerten wird, was gerecht ist und was nicht.“ Eine solche Bewertung basiert aber auf der eigenen Position und den eigenen Interessen.

Es sollte dem Gericht verboten werden, die Gesetze zu interpretieren, insbesondere im Sinne „moralischer Werte“ und des „Humanismus“, denn diese Begriffe sind dehnbar und unpräzise. Ein Hühnerfrikassee ist sehr human für den Richter, den es sättigt, brutal jedoch für das Huhn. Wer kann entscheiden, dass Danzigers moralische Werte höher sind als die der Einwohner von Amona und Gusch Katif?

Der einzige Grund für die Aufhebung einer Entscheidung der Regierung muss ausschließlich der Umstand einer eindeutigen Gesetzeswidrigkeit sein. Die Interpretation eines Gesetzes im Sinne der „moralischen Werte“ ist der kürzeste Weg zum Amtsmissbrauch seitens der Justiz. Heutzutage beschäftigt sich BaGaZ, ohne dazu befugt zu sein, mit noch so kleinen Anliegen, welche zum Kompetenzbereich der Regierung gehören. Das rechte Lager kann die Wahlen gewinnen, die Knesset kann ganz rechts sein – es werden trotzdem keine Änderungen zu erwarten sein, solange das heutige BaGaZ bestehen bleibt. Im Grunde genommen, wird das Land vom BaGaZ regiert.

Ein Haufen Emporkömmlinge, welche aus ihren persönlichen Überzeugungen heraus über Staatsangelegenheiten richten – das ist das heutige BaGaZ. Demokratie? Fehlanzeige.

Das ist es, was die Rechten in ihren Vorhaben beachten sollten.

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