Die Ausstellung „Nicht mehr verschüttet“ in Wien
Sensationsfunde jüdisch-österreichischer Geschichte im Haus der Geschichte Österreich
Das „Haus der Geschichte Österreichs“ in Wien
Sie schauen aus wie kleine Glasschuhe, sind etwa 10 Zentimeter groß – es sind sechs Tintenfässer. Daneben liegen mehrere Blechteller mit Dellen in einem Glasbehälter. Und dann: wiederum in einem Glasbehälter: zwei Brandbomben, die einen erschaudern lassen.
An die 100 Objekte sind seit kurzem im „Haus der Geschichte Österreich“ (hdgö) in der Wiener Hofburg zu sehen. Es sind Sensations-Fundstücke, die bei einer Ausgrabung Anfang 2018 in den Kellerräumen in der Wiener Malzgasse 16 entdeckt wurden. An dieser Adresse befand sind früher – ab 1870 – eine Talmud-Thora-Vereinsschule. Ab 1904 war dort auch eine Synagoge. Und das 1895 gegründete erste jüdische Museum der Welt zog ab 1912 in die Malzgasse 16 ein. In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden dann Schule und Synagoge von Nazi-Schergen verwüstet. Das Museum war schon zuvor geplündert worden.
Die wechselvolle Geschichte der Malzgasse 16 erzählen nun die aus meterhohem Schutt geborgenen Objekte. Die Ausstellung „Nicht mehr verschüttet. Jüdisch-österreichische Geschichte in der Wiener Malzgasse“ zeigt sie eindrucksvoll. Bis zum 19. April 2020 ist die Ausstellung, die in Kooperation mit dem Israelitischen Tempel- und Schulverein Machsike Hadass konzipiert und umgesetzt wurde, zu sehen.
„Die Kellerräume der Malzgasse 16 haben einen kulturhistorischen Schatz freigegeben. Auf wenigen Kubikmetern befand sich die komprimierte Geschichte eines besonderen Ortes. Stück für Stück wurden hier wertvolle religiöse Fundstücke neben architektonischen Kleinoden und Gegenständen aus dem Schulalltag freigelegt. Brandsätze zeugen vom gewaltvollen Ende des Lehrbetriebs. Jedes einzelne dieser mehr als 100 Objekte und Objektkonvolute erzählt Geschichten, die durch unsere Ausstellung ans Tageslicht kommen“, erklärt Monika Sommer, Direktorin des hdgö.
Die 1870 gegründete Talmud-Thora-Schule sorgte sich von Beginn an um bedürftige Kinder. Als im Zuge eines Schulneubaus 1907 auch eine Schulküche eingerichtet wurde, konnte für etwa 80 Schulkinder aus ärmeren Verhältnisse auch Mittagessen gekocht werden. Über den Mittagstisch hinaus konnten die Bedürftigen auch Kleidung und Schuhwerk bekommen. Im Schutt fanden sich nun viele Lederschuhe für Buben und Mädchen. Aus dem Küchenbetrieb wurden etliche Gegenstände entdeckt wie Koch- und Essgeschirr, Topfhandschuhe und diverse Glasflaschen.
Zu den Überresten der ehemaligen Innenausstattung der Synagoge gehören drei Uhrenblätter mit römischen Ziffern, lateinischen und hebräischen Buchstaben. Zur religiösen jüdischen Praxis gehören drei Gebetzeiten am Tag, morgens, mittags und abends. Der Fund zeigt jene Zeiten, in denen sich Gläubige in der Malzgasse zum Gebet trafen: Ein Abdruck am großen Uhrenblatt kündigt das Morgengebet für zumeist 10 Uhr an, am kleinsten wird das Abendgebet nach Einbruch der Dunkelheit angezeigt.
„Ich freue mich, dass es in Zusammenarbeit mit dem Haus der Geschichte Österreich gelungen ist, nicht nur die öffentliche Präsentation unserer Fundstücke zu realisieren, sondern auch einen ersten Schritt in Richtung eines ‚Gedenkortes Malzgasse 16‘ zu setzen. Unser Ziel ist es, eine Möglichkeit zur dauerhaften Präsentation der Objekte und der Geschichte des Ortes zu schaffen und wir sind zuversichtlich, hier künftig breite Unterstützung zu erhalten, so Erwin Steiner, Obmann des Israelitischen Tempel- und Schulvereins Machsike Hadass.
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