2019: Mit Israel geht’s bergauf, mit Deutschland bergab.

Ein optimistischer Rückblick auf das israelische Erfolgsjahr 2019: Von der Mondsonde über den Eurovision Song Contest und künstliche Organe bis zu sportlichen Erfolgen in mehreren Disziplinen – der jüdische Staat startet durch!

Die Show zum ESC in Tel Aviv, rechts unten die israelische ESC-Gewinnerin Netta© Jack GUEZ , AFP

Von Michal Kornblum

Das Jahr 2019 neigt sich dem Ende und während mir eiskalter norddeutscher Wind um die Nase weht, möchte ich es Revue passieren lassen. Das Jahr, in dem Deutschland aus meiner Sicht vom einen politischen Fettnäpfchen zum nächsten hopste, wohingegen 2019 für Israel ein Jahr mit großen Erfolgen auf so vielen verschiedenen Gebieten war.

Aber auch für mich war 2019 ein Jahr mit einer starken persönlichen Entwicklung. Aus meinem Verliebtsein in Bezug auf Israel als Urlaubsland ist eine leidenschaftliche und unerschütterliche Liebe zu Israel als Wunschheimat geworden. Auch wenn ich offensichtlich nicht objektiv bin, war dieses Jahr voll von phänomenalen israelischen Leistungen, Errungenschaften und Erfolgen. Gleichzeitig zeichnet sich eine schwierige politische Situation ab, da nach zwei Wahldurchgängen noch keine Regierung in Sicht ist und die dritte Wahl wie ein Damoklesschwert über der Knesset schwebt. Bei aller berechtigten Kritik an dieser Lage, sollten wir trotzdem nicht vergessen, was für ein Unikum die echte und unverfälschte Demokratie in dieser geografischen Zone, aber auch weltweit ist. Dass man überhaupt die Wahl hat, dass politischer Diskurs lebendig und aktiv geführt wird und, dass die Parteien und Politiker für ihre Werte und Wahlversprechen einstehen und sie nicht für Macht um jeden Preis aufgeben – all das sind Zeichen einer blühenden und lebendigen Demokratie, von der viele Bürger anderer Länder nur träumen können.

Ich erinnere mich an den April dieses Jahres, kurz vor der ersten Wahl in Israel. Israel schreibt Weltgeschichte und will als vierte Nation auf dem Mond landen. Die israelische Mondsonde „Beresheet“ kam zwar auf dem Mond an, aber zugebenermaßen war die Landung verbesserungswürdig, da „Beresheet“ auf dem Mond zerschellte. Die Tatsache aber, dass die Sonde überhaupt so weit gekommen ist, ist schon ein unglaublicher Erfolg für die junge (Raumfahrt-)Nation. Die nächste und hoffentlich tatsächliche Mondlandung ist bereits in Planung. Wohingegen Israels Nachbarn höchstens Raketen auf Israel schießen, ist es genau das, was Israel meiner Meinung nach ausmacht: Nicht aufzugeben. Misserfolge zu analysieren, aus ihnen zu lernen und es wieder zu versuchen. Hartnäckigkeit und exzellent ausgebildete Spezialisten sowie eine gehörige Portion Chuzpe sind das Rezept der israelischen Erfolgsgeschichte!

 

Netta

Im Mai durfte ich selber bei einem gesellschaftlichen Meilenstein israelischer Geschichte dabei sein. Nachdem Netta 2018 den Eurovision Song Contest in Lissabon mit „Toy“ gewonnen hat, fand der ESC 2019 in Israel statt. Nach langer Debatte über den Austragungsort wurde schlussendlich die Expo in Tel Aviv auserwählt. Als mittelklassiger ESC-Fan wollte ich schon immer mal einen ESC live erleben und als Hardcore-Israel-Fan wollte ich 2019 unbedingt dabei sein.

Ich habe diesen Entschluss in der Nacht nach Nettas Sieg 2018 gefasst und hatte noch keine Ahnung, welche verrückte Aktion ich mir da in den Kopf gesetzt habe. Als ich versuchte eine Eintrittskarte zu ergattern, trennten mich 65.535 Leute und über eine Stunde Wartezeit von meinem Wunschticket, meine Chancen waren gleich null. Im zweiten Anlauf gehörte ich dann aber zu den wenigen Glücklichen, die doch noch ein Ticket abbekommen haben.

Dann saß ich eines kalten und ziemlich frühen Morgens im Auto auf dem Weg zum Hamburger Flughafen. Als ich einige Stunden später im warmen Tel Aviv landete, war der Geist des ESC an jeder Ecke zu spüren. Bereits der Flughafen und seine Mitarbeiter hießen alle internationalen ESC-Gäste herzlich willkommen. Jeder Einwohner von Tel Aviv hat sich als Gastgeber verstanden und außer durch das sommerliche Wetter wurde das Klima mindestens genauso durch die warme Art der Israelis bestimmt.

Das Eurovision Village, ein Park der ganz im Zeichen des ESC mit Bühnen und Ständen aller Art für die Fans der Musikveranstaltung errichtet wurde, war überfüllt mit Menschen aus der ganzen Welt und verkörperte genau das, wofür Tel Aviv steht. Bunt, schrill und laut sein, unabhängig von Nationalität, Religion oder sexueller Ausrichtung, gemeinsam die Musik feiern, tanzen und Spaß haben. Ich stellte bei Gesprächen mit Musikfans aus aller Welt fest, dass Politik hier und heute kein Thema war. Man war da, um – ganz im Sinne des Grand Prix – die verbindende Kraft der Musik zu zelebrieren.

Die Stadtverwaltung von Tel Aviv hat sich für dieses Ereignis der Superlative enorm ins Zeug gelegt. Die Organisation war makellos. Am Freitagabend hatte jeder die Möglichkeit zu einer Familie, einem Verein oder einer Gemeinde zu gehen, um einen gemeinsamen Schabbat zu verbringen.

Als dann endlich der Abend des großen Finales da war, fuhr ich mit dem – ebenfalls von der Stadtverwaltung organisierten und kostenlosen – Zubringer zur Expo-Halle. Ich hatte nicht nur eine Menge Vorfreude und Lebenslust, sondern auch eine circa zwei Meter große Israelflagge dabei, die meine Eltern wenige Wochen vorher in Ausschwitz, wo meine Urgroßeltern umgebracht wurden, beim „March of the Living“ getragen hatten. Ich bekam Gänsehaut und mir kamen die Tränen bei dem Gedanken, dass ich nun diese Flagge hier in Tel Aviv als Zeichen meines Patriotismus und als Beweis dafür, dass das jüdische Volk lebt und sich nicht vernichten lässt, bei mir trage.

Da ich wohl doch etwas typisch jeckisch bin und als eine der Ersten in der Halle war, sah ich wie sie sich langsam füllte. Es waren Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern und den verschiedensten Subkulturen; von religiösen Juden bis kostümierten Zuschauern waren alle vertreten.

„Blockieren“ ist allgemeines Programm in Deutschland

Die Show an sich war unglaublich gut, eine sehr positive und freundschaftliche Stimmung, toll geplant und wirklich professionell umgesetzt. Für mich war es besonders schön zu erleben, wie patriotisch die Atmosphäre war. Nach dem israelischen Auftritt gab es minutenlange Standing Ovations und beim deplatzierten politischen Statement des isländischen Gruselkabinetts wurde dies gemeinschaftlich ausgebuht.

 

Deutschland an der Seite der Anti-Demokraten

Es war ein Fest zur Verständigung der Völker, von Diversität, von Religionsfreiheit, der Liebe zueinander und zur Musik. Im November bewiesen Deutschland, die UN und die EU ihr besonderes Verhältnis zu Israel. Die UN verurteilte Israel in acht Resolutionen, auch Deutschland stimmte – wie es bereits gute Tradition ist – siebenmal für die von Kuba, Algerien, Tunesien, Kuwait, Venezuela und Ägypten eingebrachten Anträge gegen den einzigen jüdischen Staat der Welt. Selbstredend handelt es sich bei diesen Staaten ausschließlich um Vorbilder in puncto Grundrechte, Menschenwürde und Demokratie. Die EU macht sich stark für Verbraucherrechte und führte damit die Verpflichtung zur Kennzeichnung von Produkten aus israelisch „besetzten“ Gebieten, also den Siedlungen, ein.

Sowohl die UN-Resolutionen als auch die Kennzeichnungspflicht der EU zeigen, dass Israel der Jude unter den Staaten bleibt und „Kauft nicht bei Juden!“ zeitlos ist, wenn es nur modern genug ausdrückt wird. Man sieht, dass die Zeiten sich ändern, die Sitten aber nicht.

Ein Spruch aus dem babylonischen Talmud besagt, dass die Luft im Lande Israel klug mache. Die alte religiöse Weisheit scheint sich zu bewahrheiten, denn im Frühjahr dieses Jahres gelang israelischen Forschern ein besonderer Durchbruch beim 3D-Druck von künstlichem biologischem Gewebe. Sie schafften es, ein sehr kleines aber funktionierendes Herz zu drucken. Das ist nicht nur eine wissenschaftliche Sensation, sondern ein weiterer Schritt in Richtung künstlichen Organersatz, der in Zukunft hoffentlich vielen Menschen helfen wird. Grundsätzlich ist Israel eine Wissenschaftsnation und auf vielen Gebieten führend. In meinem Studium wurde sehr häufig auf israelische Studien und Erkenntnisse verwiesen, die laut meinen Dozenten viel weiter fortgeschritten sind als bei uns in Deutschland.

 

Deutschland steigt ab

In Deutschland dagegen befindet sich die Wissenschaft im freien Fall. Nobelpreise in den Naturwissenschaften gab es länger nicht mehr. Stattdessen beschäftigt sich Deutschland seit diesem Jahr intensiv mit dem Klimanotstand. Schüler gehen freitags nicht zur Schule, um für ein besseres Klima zu demonstrieren und alles Umweltschädliche muss teurer werden. Dass Deutschland sich regelrecht in einen Klimawahn stürzen würde und dieses Thema Politik und Gesellschaft dominieren wird, hätte ich im letzten Jahr nicht zu glauben gewagt. Hysterisch den in Kürze bevorstehenden Weltuntergang zu erwarten, ist die neue German Angst. Der Kampf gegen den Feind CO2 wird zur Staatsräson. Man muss seine Feinde gut kennen, um sie zu besiegen. Deswegen habe ich aus Neugier engagierte Kämpfer gegen das böse CO2 gefragt, wie viel CO2 in der Luft enthalten ist. Die Antworten waren amüsant und erschreckend, denn sie erstreckten sich von happigen 70 % bis zu 30 % bei den Optimisten. In Wahrheit liegt der CO2-Wert in der Luft bei ärmlichen 0,04 %. Albert Einstein hatte recht, als er sagte: „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit – aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“

Israel war dieses Jahr auch sportlich sehr erfolgreich. In zahlreichen Sportarten, in denen Israel bislang nicht in Erscheinung getreten ist, glänzten die Athleten 2019. In Kampfsportarten wie Judo und Taekwondo konnten israelische Sportler viele Medaillen gewinnen, in der Gymnastik konnten mehrere Preise abgeräumt werden und der 24-jährige Yuval Freilich wurde erster israelischer Fecht-Europameister in Düsseldorf. Auch sind für Olympia 2020 so viele israelische Sportler qualifiziert wie nie zuvor. Für mich als begeisterte Reiterin ist besonders erfreulich, dass sich erstmalig ein israelisches Springreiterteam für Olympia qualifizieren konnte.

Es gab dieses Jahr andauernde Raketenbeschüsse auf Israel und mehrere terroristische Anschläge. Wir in Deutschland haben bei jedem Raketenalarm Sorge um unsere Familie in Israel, um die 10 Monate alten Zwillingen einer meiner Cousins (es würde zu weit ausufern hier auf die genaue Mischpochologie einzugehen), die in ihrem jungen Alter schon im Bunker Unterschlupf suchen mussten. Inzwischen wendet sich das Blatt jedoch und unsere Familie macht sich aufgrund des steigenden Antisemitismus hier vermehrt Sorgen um uns in Deutschland. Gerade der Anschlag von Halle war eine Zäsur für das Leben der Juden in Deutschland – aber war er das wirklich?

Obwohl Antisemitismus in Deutschland täglich stattfindet, wird Halle zum neuen Maßstab auf der Messlatte des Antisemitismus. Es war ein schrecklicher Anschlag, aber wer bei den gegenwärtigen Zahlen von antisemitischen Straftaten überrascht wurde, oder es als „Alarmzeichen“ sieht, hat sich die letzten Monate im Dornröschenschlaf befunden. Halle wird zu einem Symbol stilisiert; demnächst werden Menschen wohl wegen Halle in die Politik gehen. Dabei passiert die Essenz von Halle, der Judenhass, täglich von Flensburg bis München in unserer bunten Republik.

Ich durfte dieses Jahr den Sommer in Jerusalem verbringen. Es war das erste Mal, dass ich für eine längere Zeit als drei Wochen in Israel gelebt habe. Ich bin dankbar für jeden einzelnen Menschen, den ich kennenlernen durfte, für jede Erfahrung und jede Begegnung, für jedes Gespräch mit meinem gebrochenen Hebräisch, für die Herzlichkeit der Menschen und für die Möglichkeit, die Liebe zu meinem Land zu vertiefen. Ich kann jetzt behaupten, dass ich Stolz für Israel empfinde und wohl eine waschechte Zionistin geworden bin. Der ESC sowie mein Sommer in Jerusalem haben mich geprägt. Hier in Deutschland vermisse ich nicht nur die oberflächlichen Vorteile von Israel wie das gute Wetter, das frische Gemüse, das flächendeckende relativ günstige Internet sowie das Nutzen des öffentlichen Nahverkehrs ohne gleich eine Hypothek aufnehmen zu müssen, sondern auch die profunden Wichtigkeiten, die Mentalität, das Zusammengehörigkeitsgefühl, ein Teil des Ganzen zu sein und nicht der Exot einer kleinen Minderheit. Für mich war 2019 das Jahr, in dem meine Liebe zu Israel entfacht und ich gleichzeitig so sehr von Deutschland, meinem Geburtsland, enttäuscht wurde.

Während mir in Israel Wärme und Herzlichkeit zuteilwurde, nehme ich Deutschland – entgegen der allseits angenommenen Klimaerwärmung – immer unterkühlter wahr; die Eiszeit ist im Anmarsch. Ich fühlte mich in Jerusalem zu Hause und wie schon Elie Wiesel sagte:

„Wenn ein Jude Jerusalem zum ersten Mal besucht, ist es nicht das erste Mal; es ist ein Nachhausekommen.“

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