Niederbayern: Jüdin wird vor ihren Kindern mit Stein beworfen

Selbst in der tiefsten deutschen Provinz zieht der neue deutsche Alltag des arabischen Antisemitismus ein.

Der Marktplatz des bayerischen Örtchens in Messing wurde zum Tatort.

Von Michal Kornblum

Kennen Sie Massing? Ich für meinen Teil kannte Massing bisher nicht – eine beschauliche Marktgemeinde im niederbayrischen Landkreis Rottal-Inn.

Sie fragen sich bestimmt, warum ich von einem „4000-Leute-Kaff“ irgendwo in Bayern erzähle. In dieser sicherlich idyllischen Gemeinde wurde am 2. Oktober eine junge Mutter, die mit ihren beiden Söhnen spazieren ging, von einem Mann mit einem Stein beworfen. Grund für diesen Vorfall war, dass die junge Frau Jüdin ist und ihre Söhne auf Hebräisch angesprochen hat, was dem als arabischstämmig beschriebenen Mann nicht passte und er sich aufgrund dessen offenbar gezwungen sah, die Frau zuerst als „Yahud“ (arabisch für „Jude“, häufig als Schimpfwort) zu beleidigen und ihr dann vor ihren Kindern einen Stein an den Kopf zu werfen. Die Frau wurde leicht verletzt, die Kinder wurden „nur“ mit eindrucksvollen Erinnerungen geprägt. Der Mann ist bisher noch nicht von der Polizei gefunden worden.

Wie kommt es, dass solch ein (jedenfalls in meinen Augen) gravierender Vorfall nicht bundesweit größere mediale Kreise zieht? Eine schreckliche, gewaltsame antisemitische Tat, bei der Kinder in Gefahr gebracht wurden und die ewig-mahnenden „Wehret den Anfängen“-Politiker schweigen? Nur einige Medien berichten – meist im Lokalteil – von diesem Vorfall? Wie kann das sein?

Die Antwort darauf ist leider ebenso simpel wie erschreckend: Es ist inzwischen Normalität geworden. Es ist normal, dass ein Mensch auf Grund seines jüdischen Glaubens oder seines möglicherweise israelischen Hintergrunds 2019 in Deutschland auf offener Straße angefeindet, beleidigt und sogar körperlich angegriffen wird. Es ist keine Meldung wert und höchstens von lokalem Interesse.

 

Kein „rechter“ Täter

Dazu kommt natürlich, dass die Realität und die Fakten unseren Politikern ein Dorn im Auge sind. Der muslimische Antisemitismus ist ein Tabuthema. Medial aufgegriffen wird er offenbar nur, wenn es richtig blutig zur Sache geht, etwas im toleranten und weltoffenen Berlin geschieht, oder der Geschädigte eine Person von besonderem öffentlichem Interesse, wie z.B. ein Rabbiner, ist. Solche Lappalien irgendwo in Bayern sind da nicht weiter erwähnenswert.

Würde der Angreifer aus einem rechten Milieu stammen, so hätten sich schon unzählige Politiker öffentlich geäußert, es gäbe eine „Nie wieder!“-Demonstration und unsere politische Crème de la Crème sowie alle Besucher wären mit Kippa zum Festakt zum Tag der deutschen Einheit in Kiel erschienen, und hätten herzzerreißende Reden geschwungen, dass jüdisches Leben in Deutschland geschützt werden müsse.

Haben sie aber nicht. Und es war kein „rechter“ Täter. Und nein, es war auch kein Einzelfall. Es war ein arabischer Mann – wie es immer wieder vorkommt. Diese Realität müssen auch unsere Politiker akzeptieren, wenn sie ernsthaftes Interesse daran hegen, die Antisemitismusproblematik in Deutschland anzugehen.

Wie fortgeschritten dieses Thema 2019 ist, sehen wir an der Gleichgültigkeit gegenüber solchen Vorfällen. Es ist normal, alltäglich und nicht berichtenswert, so dass es nur noch besondere und spektakuläre Straftaten in die Schlagzeilen schaffen, quasi „Antisemitismus Premium“.

Liebe Politiker, liebe Redakteure, ich lehne euer Verständnis von Normalität ab. Jeder Vorfall dieser Art, auch im allerkleinsten Dorf, auch gegenüber einer Frau und auch bei „falschem“ Täter, darf nicht normal sein, ist zu verurteilen und gehört in unser gesellschaftliches Bewusstsein.

 

Michal Kornblum, 22, ist Studentin aus Lübeck. Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Jugend- und Schülerblog Apollo-News.

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