Die Wiederkehr des linken Meinungsabsolutismus
Sowohl dem ehemaligen Bundesinnenminister Thomas de Maizière als auch dem FDP-Chef Christian Lindner und dem ehemaligen AfD-Politiker Bernd Lucke wurden Auftritte an Universitäten durch Linksextreme verunmöglicht.
FDP-Chef Christian Lindner© MICHELE TANTUSSI, AFP
Was ist Meinungsfreiheit? Hat jeder ein Recht auf Meinungsfreiheit? Auch der politische Gegner? Die wortwörtliche Interpretation dieses, laut Artikel 5 des Grundgesetzes garantierten Grundrechts, wäre, die uneingeschränkte Freiheit das Gedachte auch öffentlich äußern zu dürfen. Die Realität aber zeigt, dass ein Grundrecht immer da seine Grenzen findet, wo es ein anderes Grundrecht zu beschneiden droht. Soweit so gut, aber die Meinungsfreiheit wird seit Jahren systematisch demontiert und die Abrissbirne heißt Political Correctness.
Filmförderung Hessen
Ex-AfD-Politiker Bernd Lucke© CLEMENS BLAIN, AFPr
In Deutschland toben erbitterte und verbitterte Kämpfe um das Meinungsmonopol, es hat sich ein Klima der Verunsicherung breitgemacht. Wer entgegen dem Meinungsstrom schwimmt, riskiert nicht länger nur eine Gegenmeinung – nein, heute wird der Meinungsanarchist mit Denunzierung und gesellschaftlicher Ächtung bestraft. Menschen mit nonkonformen Ansichten sind die Parias der Republik. Die heilige Kuh ist mal das Klima, mal die Einwanderungspolitik der Kanzlerin. Der Kontakt oder nur die Nähe zu den „Unberührbaren“ kann dem eigenen gesellschaftlichen Status schaden. Dies musste auch Hans Joachim Mendig am eigenen Leib fühlen: Der Chef der hessischen Filmförderung „HessenFilm und Medien GmbH“ hatte sich zusammen mit dem AfD-Vorsitzenden und EU-Abgeordneten Jörg Meuthen fotografieren lassen und wurde dafür fallengelassen. Grund dafür soll ein möglicher „Imageschaden für das Land und HessenFilm“ und die „Ankündigung vieler Filmschaffender, nicht mehr mit HessenFilm zusammenarbeiten zu wollen“ gewesen sein. Hessens grüne Kultusministerin Angela Dorn half bei der „Entsorgung“.
Wer sich mit Andersdenkenden solidarisiert, hat sich für die falsche Seite entschieden und muss die volle Bandbreite der Konsequenzen tragen. Der Verlust des Freundeskreises, des Arbeitsplatzes oder der Wohnung sind da keine Seltenheit mehr. Schließlich muss man Haltung zeigen. Doch wie sieht eine „korrekte Haltung“ heutzutage aus?
Vielleicht sollten wir uns den genauen Wortlaut des Artikel 5, Absatz 1, des Grundgesetzes nochmals in Erinnerung rufen:
„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“
FDP-Chef Lindner
Laut Gesetzestext regelt das Recht der Meinungsfreiheit also das Verhältnis zwischen Bürger und Staat. Der Staat muss dem Souverän sein Recht auf Meinungsfreiheit gewähren. Doch wie weit geht das? Muss der Staat das Recht des Einzelnen auf Meinungsfreiheit ebenso gegenüber anderen Bürgern garantieren und notfalls auch durchsetzen? Dies hoffte zumindest FDP-Chef Christian Lindner, als er sich bei der grünen Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank über die Absage seines Redebeitrags an der Universität Hamburg beschwerte. Sein Auftritt im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung der Liberalen Hochschulgruppe LHG Hamburg war ihm von der Uni-Präsidentin verboten worden. Lindner forderte in einem Brief die Wissenschaftssenatorin unmissverständlich auf, mit der universitären Selbstverwaltung „das Gespräch zu suchen und dafür Sorge zu tragen, dass auch die Universität Hamburg wieder zum Ort des lebendigen politischen Meinungsaustauschs werden kann“.
Der Auftritt Sahra Wagenkechts war kein Problem
In den Räumen der Hochschule seien Veranstaltungen mit parteipolitischer Ausrichtung untersagt, so die offizielle Begründung der Universität. Die Tatsache aber, dass Sahra Wagenknecht, ihres Zeichens Linke-Fraktionschefin, durchaus an einer Diskussionsveranstaltung in den Räumlichkeiten der Universität teilnehmen kann und hier plötzlich keine Ausschlussbedingungen vorliegen, legt nahe, was auch Christian Lindner ausspricht: „Es verdichtet sich der Eindruck, dass Frau Fegebank nur die Meinungen toleriert, die ihrer eigenen entsprechen“.
Die Zeit, in welcher die Universität als Hort des Diskurses und der Debatte galt, scheint zu verrinnen. Denn der politisch korrekte Zeitgeist ist einen Schritt weiter. Die nächste Stufe der Evolution ist erreicht: Debatte war gestern, heute ist Konsens.
Wer nicht in Teufels Küche landen will, hält sich an diesen Konsens. Und wer das vergisst, wird nachdrücklich daran erinnert. Besonders an der Uni Hamburg pflegt man eine solche „Erinnerungskultur“.
AfD-Gründer Bernd Lucke
Wenn ein Professor für Makroökonomie seine Vorlesungen gar nicht, oder nur unter massivem Polizeischutz halten kann, ist etwas gehörig schiefgelaufen, möchte man meinen. Wenn es sich nämlich bei besagtem Professor um Bernd Lucke, den Mitbegründer der AfD, handelt, dann ist Krawall legitim, ja ein Akt des zivilen Ungehorsams.
Was war passiert? Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) hatte zu einer Demonstration gegen die Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit Luckes aufgerufen. So konnte die erste Vorlesung des Wirtschaftsprofessors durch Buh-Rufe erfolgreich sabotiert werden. Zudem kam es zu Rangeleien zwischen den Studenten, Lucke wurde als „Nazi-Schwein“ beschimpft und sogar körperlich bedrängt. Bei der zweiten Vorlesung wurde man dann noch deutlicher: Schwarz vermummte Aktivisten aus dem linksextremen Milieu verschafften sich gewaltsam Zutritt zum Hörsaal. Sie skandierten lauthals: „Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda“.
Ex-Innenminister Thomas de Maizière (CDU)
Haltung haben auch etwa 100 Demonstranten der Gruppe „Basisdemokratische Linke“ in Göttingen bewiesen, als sie eine Lesung des früheren Innen- und Verteidigungsministers Thomas de Maizière beim Göttinger Literaturherbst verhinderten. Ihr Vorwurf: Als Innenminister (2013-2018) sei de Maizière für den Flüchtlingsdeal zwischen der EU und der Türkei mitverantwortlich und deswegen heute Mitschuld an der Militäroffensive der Türkei in Nordsyrien. Die unangemeldete Aktion hatte etwa 300 Zuhörer an der Teilnahme an der eigentlich ausverkauften Veranstaltung gehindert. Dafür war es scheinbar notwendig den Geschäftsführer des Literaturherbstes, Johannes-Peter Herberhold, zu attackieren und ihm seine Kleidung zu zerreißen. Herberhold erklärte, die Veranstaltungsreihe sei seit 28 Jahren „ein Fest der Kunst, des Wissens und der Meinungsfreiheit“. Das war es wohl die längste Zeit, denn der Kehraus der Meinungsfreiheit wurde eingeläutet. Fatalerweise sind allzu oft wir selbst willfährige Helfershelfer.
„Eine Zensur findet nicht statt“ sagt das Grundgesetz. Dabei zensieren wir uns doch schon längst selbst. Denkverbote haben wir auf der imaginären Karte unseres Bewusstseins mit Schlagbäumen abgegrenzt. Denn wer das Falsche denkt, spricht auch das Falsche aus. Und wer das Falsche hört, könnte ja das Falsche denken und gar aussprechen. Auf einem Schlag könnten wir wieder eine Debatte haben. Aber Debatte war ja gestern, heute ist Konsens.
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