Der Kampf gegen Antisemitismus – im Wortsinne ein steiniger Weg

Bericht von der Veranstaltung im Wahlkreisbüro von MdB Klaus-Dieter Gröhler mit dem Antisemitismus-Beauftragten Dr. Felix Klein

Klaus-Dieter Gröhler (links) und Dr. Felix Klein

Von Paul Möllers

Am 21. Oktober 2019 fand auf Einladung von Klaus-Dieter Gröhler, Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf der CDU, eine Veranstaltung statt mit dem Titel „Antisemitismus in Deutschland: Wie steht es um das jüdische Leben in unserem Land?“. Der eingeladene Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Dr. Felix Klein, sollte über seine Pläne, jüdisches Leben in Deutschland zu fördern, berichten.

Das in einer ruhigen Wohngegend des Bezirks gelegene Wahlkreisbüro, das sogenannte „Café Wahlkreis“, war mit knapp 40 Zuhörern bis auf den letzten Platz besetzt. Zum Auftakt gab Felix Klein einen Überblick über die aktuelle Lage für Juden in Deutschland sowie im europäischen Ausland. Die Umfrageergebnisse der neuen Studie des Jüdischen Weltkongresses bestätigten die bekannten latent antisemitischen stereotypen Vorstellungen von über 20 % der Deutschen, offenbarten auch die weite Verbreitung von israelbezogenem Antisemitismus bei 40 % der Befragten. Klein wies auch auf den muslimischen Antisemitismus hin und auf die dramatische Lage der französischen Juden, die sich angesichts des Anstiegs antisemitischer Übergriffe gezwungen sehen, Zuflucht in Israel suchen. Klaus-Dieter Gröhler sprach – mit Blick auf die jüngsten Angriffe im Bezirk auf zwei Rabbiner durch mutmaßlich muslimische Täter – die unter Migranten weit verbreiteten und oft von Generation zu Generation weitergegebenen Ressentiments gegenüber Israel an. Die kulturelle Prägung der neuen und alten Zuwanderer aus Staaten, in denen der Hass auf Israel zur Staatsdoktrin gehöre und der sich auch an entsprechenden Inhalten schon in Schulbüchern ablesen lasse, mache Intervention dringend nötig.

 

Fokus auf Bildung im Kampf gegen Antisemitismus

Wichtig war Klein und Gröhler die politische Bildung von Jugendlichen, so sei etwa ein „Deutsch-israelisches Jugendwerk“ in Planung, da müsse man „endlich“ vorankommen. Klein warnte noch davor, den Besuch einer KZ-Gedenkstätte vorschnell verpflichtend einzuführen, dieser sei „kein Allheilmittel“, eine gute Vorbereitung sei zudem unabdingbar. Er bedauerte in diesem Zusammenhang, dass gerade in jüngster Zeit an das Schulfach Geschichte „die Axt angelegt“ worden wäre.

Auch die finanzielle Unterstützung von Projekten in den „palästinensischen“ Gebieten müsse genau geprüft werden, insbesondere wenn es um die Förderung von Bildungsprojekten und -materialien gehe. Einig war man sich des Weiteren in der Verurteilung der Boykott-Bewegung BDS, deren Ziel schließlich, in den Worten von BDS-Aktivisten, „die Beendigung der Kolonisation allen arabischen Landes“ sei, daher sei der Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und (der Mehrheit der Fraktion der) Grünen, „BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen“, zu begrüßen.

Insgesamt stehen Felix Klein elf Mitarbeiter zur Seite und auch ressortübergreifende Gespräche z.B. mit dem Gesundheitsministerium zum Thema Schächten oder mit dem Verteidigungsministerium zum Thema Seelsorge/Militärrabbiner gehören zu den Aufgaben – nicht immer gehe es ohne hartnäckige Überzeugungsarbeit.

 

Jüdisches Leben - hier und jetzt

Denn schließlich, so betonten Klein und Gröhler, gehe es auch darum, sich für die Belange der Deutschen jüdischen Glaubens im Hier und Jetzt einzusetzen, der offizielle Titel Kleins laute schließlich: „Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus“. Gröhler wies auf die vielfältigen jüdischen Sozial- und Kultureinrichtungen und die vier Synagogen im Bezirk hin. Auch bei einem weiteren Aufgabengebiet waren sich die beiden Juristen einig, es gelte, Staatsanwaltschaften zu sensibilisieren und eine effektive Strafverfolgung zu ermöglichen. Dennoch sei es etwa im Fall des alljährlichen „Al-Quds-Marsches“ nicht einfach, ein Verbot durchzusetzen, eine Niederlage vor Gericht könnte die Gegenseite bestärken, Auflagen, wie sie vom Innensenator eingeführt wurden, seien bis jetzt der gangbare Weg. Im Hinblick auf den im letzten Moment verhinderten Auftritt zweier „palästinensischer“ Rapper mit ihren offen antisemitischen, von Vernichtungsfantasien durchtränkten Texten, sei es auch unverständlich, so Klein, warum die zuständige Auslandsvertretung überhaupt ein Visum erteilt habe.

 

Die Publikumsrunde – Ohne Kritik geht es nicht

Bei der anschließenden Publikumsrunde waren der Antisemitismus von Links und der Mitte ein Thema, auch die Rolle der Medien. Klein stimmte zu, „vermeintlich neutrale Medien“, er erwähnte den RBB und die „Tagesschau“, bedürften ebenfalls einer Sensibilisierung, er rege die Schulung von Journalisten an. Generell sei eine Verrohung des Diskurses auszumachen, genannt wurde die AfD mit der Relativierung der NS-Verbrechen als „Vogelschiss“.

Dann verlagerte sich die Diskussion in Richtung Nahost-Konflikt mit besonderem Fokus auf Israels Politik. So wurde zum Teil leidenschaftlich dafür plädiert, Israel „ohne Angst“ „sachlich und neutral“ kritisieren zu können, ohne als Antisemit zu gelten. Klein schloss sich zwar der Kritik an der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem an, diese sei nicht „hilfreich“ gewesen, und betonte auch, es gebe keine 100-%ig scharfe Trennlinie, wenn es um legitime Kritik gehe. Zur Orientierung empfahl er den 3-D-Test für Antisemitismus von Natan Scharanski. Eine Linie sei aber in jedem Fall überschritten, wenn Israel als „Apartheidstaat“ oder als „rassistisches System“ bezeichnet würde. Scharf kritisierte er auch UN-Botschafter Heusgen und dessen Gleichsetzung von Hamas-Raketen mit israelischen Bulldozern. Einer der Anwesenden war jedoch der Meinung, dass die israelische Armee tatsächlich Häuser, in denen noch „palästinensische“ Zivilisten zugegen seien, „wegbulldozern“ würde.

Des Weiteren wurde eine Unschärfe des Begriffs „Antisemitismus“ beklagt, ein anderer kritisierte die Verwendung des Begriffs wegen des enthaltenen Worts „Semit“. Klein betonte jedoch, der Begriff sei etabliert, eine allgemeine Verständigung auf die spezifische Bedeutung sei gesichert. Anderen Gästen war es wichtig, auf weitere Minderheitengruppen hinzuweisen, Angriffe auf Roma oder „Antiislamismus“ würden beispielsweise nicht diskutiert werden, Antisemitismus jedoch werde „publizistisch hochgejubelt“ – dafür gab es Applaus. Die Unterschiede zwischen Rassismus und Antisemitismus drohten leider verwischt zu werden bei dieser Diskussion um „andere Formen der Diskriminierung“.

 

Politische Bildung – Zweifelhafte Partner mit Verbindungen zum politischen Islam

Die Sprache kam noch auf die öffentliche Förderung und Einbindung von mindestens zweifelhaften Vereinen wie „Inssan“ oder „Islamic Relief“. Sie standen, zumindest zeitweise, unter Beobachtung des Verfassungsschutzes (VS) und werden der Nähe zur Muslimbruderschaft, und im Fall von „Islamic Relief“ (IR), der Terrorfinanzierung (Hamas) verdächtigt, IR ist daher in einigen europäischen Ländern auch verboten. Klein pflichtete bei, diese Vereine seien ihm auch schon bekannt. Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) solle zudem verstärkt mit Blick auf BDS aufklären. Gröhler war auch sehr interessiert, zumal ihm auch die Mittelzuweisung der Gelder an die bpb mit untersteht.

 

Mit „Islamophobie“-Forschern in der Landeszentrale für politische Bildung beten?

Ausgerechnet die Bundes- und Landeszentralen haben in der Vergangenheit nämlich mit der Auswahl ihrer Partner den Kampf gegen Antisemitismus eher untergraben. So wurde gerade Dr. Farid Hafez häufiger eingeladen, der Herausgeber des jährlich erscheinenden „Islamophobie-Berichts“, in Auftrag gegeben von einer personell der türkischen AKP nahestehenden Stiftung, SETA, von der EU mit 126.951 Euro finanziert – Frederik Schindler berichtete in der „Welt“ vom 24. Oktober. Hafez benutzte diese Einladungen auch schon, um den deutschen Verfassungsschutz zu desavouieren, der Moderator, Reinhard Fischer von der Berliner Landeszentrale, widersprach nicht, als Hafez den VS als islamfeindlich darstellte. Im Anschluss an die Veranstaltung im Jahr 2018 lud Fischer übrigens Teilnehmer und Publikum, weitere Vertreter des politischen Islams darunter, noch zum „Gebet, gerne wieder in Seminarraum Eins“ ein. Irritierend: Als zu einem anderen Zeitpunkt jemand bat, kurzfristig nur einen Flyer zum bevorstehenden, in der Nähe stattfindenden „Israel-Tag“ in der Landeszentrale auszulegen, verbat man sich das barsch mit Hinweis auf die Neutralität der Einrichtung.

Pikanterweise hat Hafez gleich zwei Co-Autoren, die, sogar mit Lehrauftrag, indirekt Werbung für BDS machen: Prof. Karim Fereidooni sowie Anna-Esther Younes. Fereidooni empfahl Lehramtsstudenten als „feministische muslimische Vorbilder“ ausgerechnet Kübra Gümüsay und Emine Aslan, einschlägig bekannte BDS-Sympathisantin. Younes hat, neben ihrer Unterstützung für verurteilte „palästinensische“ PFLP-„Kämpferinnen“, kürzlich versucht, lokal Einfluss auszuüben im „Parkrat“ des Görlitzer Parks in Kreuzberg, ein Brennpunkt, der durch grüne (Drogen-)Politik für Wirbel sorgt.

Schon 2014 beauftragte die bpb übrigens Hafez mit einem Erklärvideo, Titel „Wo endet Islamkritik und beginnt Islamfeindlichkeit?“. Darin führt Hafez vielleicht nicht zufällig den Rapper Lupe Fiasco auf, der bekannt wurde mit antisemitischen Texten. Betont harmlos heißt es: „Muslime sind so unterschiedlich: Sie können Boxer sein wie Muhammed Ali, sie können Rapper sein wie Lupe Fiasco oder auch Fußballspieler.“

Auch Zeynep Cetin, Projektleiterin bei „Inssan e.V.“, wurde im Juli 2019 von der Bundeszentrale mit der Durchführung eines Workshops beauftragt. Dabei wehrte doch der Präsident der bpb, Thomas Krüger, bei einer Veranstaltung der Ev. Akademie zum Thema Antisemitismus den Vorwurf ab, radikale Partner einzubinden („Das ist mir nicht bekannt“), um dann aber noch floskelhaft vor einem Abbruch des „Dialogs“ zu warnen. Da Gröhler regelmäßig mit Krüger zusammentrifft, wäre es angebracht, ihn auf die aus erwiesenermaßen mehr als einem „Dialog“ bestehenden Verbindungen zu diesen Vereinen anzusprechen.

 

Fälle von offenem Antisemitismus in Schulen und in der Öffentlichkeit

Das Thema Bildung griff auch eine ältere Dame aus dem Publikum auf, sie wies auf tendenziöse deutsche Schulbücher hin und berichtete außerdem über zwei Fälle von extremem „Mobbing“ gegen jüdische Schüler an zwei Berliner Schulen. In einem Fall sei ein 7-Jähriger betroffen, der von einem älteren Mitschüler mit arabischsprachigem Elternteil wiederholt genötigt, auch geschlagen worden sei. Über ein Jahr habe die Schule weggeschaut, inzwischen sei der Beauftragte der Jüdischen Gemeinde, Sigi Königsberg, informiert. Sie berichtete auch von einem tätlichen Angriff auf eine Berlin-Besucherin aus Israel, ein Fahrkartenkontrolleur der BVG habe sie zudem mit „Du Jude!“ beschimpft. Nebenbei entschuldigte die Dame ihre Verspätung, die Terminwahl an einem jüdischen Feiertag habe die Teilnahme für Gläubige etwas erschwert. Gröhlers Bitte zu Beginn der Veranstaltung, diesen Planungsfehler zu entschuldigen, hatte sie verpasst – nun aber wiesen Teile des Publikums die Dame recht ungeduldig daraufhin: „Das wurde schon besprochen!“

So ging ein Abend mit anregenden Diskussionen zu Ende – und erlebte nur wenige Stunden später noch einen erschreckenden Abschluss: Gegen ein Uhr morgens wurden Anwohner vom Geräusch klirrender Scheiben aufgeschreckt, fünf Unbekannte auf Fahrrädern hatten sämtliche Scheiben des Bürgerbüros eingeschlagen. Der polizeiliche Staatsschutz ermittelt.

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