Als die Politik der israelischen „Linken“ noch von gesundem Menschenverstand geprägt war

Die ersten Siedlungen in Judäa und Samaria wurden von der Arbeiterpartei genehmigt.

Die Führung der israelischen Sozialdemokraten feiert 1977 einen Wahlerfolg

Von Oliver Vrankovic

Im Herzen von Ofra in Samaria steht ein Baum, der bei Gründung der Siedlung vom damaligen Verteidigungsminister Schimon Peres gepflanzt wurde. Nach dem Tod von Schimon Peres am 28. September 2016 wurde ein Bild des Ereignisses zu seinem Gedenken verteilt.

Der Welt als Fürsprecher einer „Zwei-Staaten-Lösung“ in Erinnerung, war Schimon Peres eine Schlüsselfigur für die Entstehung der ersten israelischen Siedlungen in Samaria.

Die Erklärung des Rates der jüdischen Gemeinden in Judäa und Samaria nach seinem Tod fasst diese Komplexität ziemlich gut zusammen. Der Rat erinnerte an den großen Beitrag von Schimon Peres zum Aufbau der israelischen Sicherheitsinfrastruktur und an seinen „wesentlichen Beitrag zur jüdischen Besiedlung in Samaria“: „Er war einer der Gründer und Wegbereiter des Staates, und trotz verschiedener Streitigkeiten im Laufe der Jahre werden wir uns an seine konsequente Unterstützung der Besiedlung als Verteidigungsminister erinnern, dem wir den Durchbruch in Samaria verdanken und die Errichtung der Siedlungen Ofra und Kedumim, und die Grundlagen für den Aufbau und die Festigung weiterer Kommunen.“

Als Mitglieder der national-religiösen Siedlerbewegung Gush Emunim 1975 versuchten, einen Außenposten am verlassenen Bahnhof in Sebastia in Samaria zu errichten, bekamen sie im Dezember des Jahres Besuch von Schimon Peres.

Benny Katzover, einer der frühen Gush Emunim-Mitglieder erinnerte sich nach Peres Tod in der Ha‘aretz an dessen Ankunft in Sebastia. Nachdem die Siedler zuvor achtmal von der Armee vom verlassenen Bahnhof entfernt wurden, hofften sie, dass die Ankunft des Verteidigungsministers eine Art Vereinbarung bedeuten würde.

Katzover berichtete, dass sie überrascht waren von Peres zu hören, dass er von der Regierung geschickt wurde, um sie zu entfernen.

In einem Interview mit „Kanal 2“ erinnerte sich Peres an die Begegnung: „Ich kam und sie begrüßten mich mit Freude und Applaus. Ich sagte ihnen: Ihr irrt euch. Ich bin nicht gekommen, um euch glücklich zu machen, ich bin gekommen, um euch zu bitten, von hier zu gehen.“

Peres verließ das Gelände, rief aber kurze Zeit später die Anführer von Gush Emunim, Moshe Levinger, Hanan Porat und Amnon Weiss in sein Büro in Tel Aviv, wo der Sebastia-Kompromiss vereinbart wurde, nach dem die Siedler sich im Militärlager von Kadum, südwestlich von Nablus, niederlassen konnten.

Als Levinger vom Treffen mit Peres zurückkehrte verkündete er, dass dieser sich mit der ersten jüdischen Siedlung in Samaria einverstanden erklärt habe.

In der „Jerusalem Post“ erinnerte sich Daniella Weiss, die Frau von Amnon Weiss, an einen regnerischen Wintertag im Jahr 1976 als Peres in das Militärlager von Kadum in Samaria gekommen war, in dem 30 Familien lebten.

Weiss erinnerte sich, wie die Siedler den Verteidigungsminister in ihre Schule brachten und sie selbst ihm einen Blumenstrauß überreichte.

 

Sebastia als Wendepunkt

Zu der Zeit, so Weiss, schien jeder Schritt nach vorne wie ein Sieg. Für sie und die Siedlungsbewegung im Allgemeinen war Sebastia der Wendepunkt, an dem klar wurde, dass es sich um eine mächtige Bewegung handelte, die nicht ignoriert werden konnte. Aus Kadum wurde die Siedlung Kedumim.

Als der Likud 1977 in Israel an die Macht kam, gab es 22 Siedlungen in Judäa und Samaria, in denen 6.000 Siedler lebten.

Mit der Zeit aber wurde Peres für viele Siedler zum erbitterten politischen Rivalen, insbesondere nach der Unterzeichnung des Oslo-Abkommens im Jahre 1993.

Peres wies in seinen späten Jahren die Signifikanz seiner Entscheidungen für das Siedlungswerk zurück, erkannte aber an, dass er als Verteidigungsminister an der Errichtung einiger der ersten Kommunen in Samaria beteiligt war.

In einer Reihe von Interviews, die er in späteren Jahren gab, sagte Peres, seine Unterstützung für die frühen Siedlungen habe mit den Sicherheitsbedürfnissen der damaligen Zeit zu tun gehabt und mit seinem Wunsch, ein geeintes Jerusalem zu bewahren.

„Ich habe eine Reihe von Siedlungen speziell um Jerusalem initiiert, um sie zu stärken. Eine von ihnen war Ofra “, erklärte er in besagtem Interview mit „Kanal 2“.

Peres steht in einer ganzen Reihe von Linkszionisten, die dem Siedlungswerk den Weg geebnet haben. Die Gründer der ersten Siedlung überhaupt, eines Kibbuz auf den Golanhöhen, waren Anhänger von Yitzhak Tabenkin und seiner Partei Ahdut Ha‘avodah (Einheit der Arbeit), die damals eine wichtige Fraktion der zionistischen Linken war. Tabenkin betrachtete die Kibbuzim, als Mittel, um den Sozialismus aufzubauen und sah darüber hinaus, dass die jüdische Heimat – das Land Israel – weit über die Grenzen des Mandatsgebietes Palästinas von vor 1948 hinausreichte. Die noch engeren Grenzen des unabhängigen Israel waren für ihn noch weniger zufriedenstellend. Die Kämpfe hatten im Juni 1967 kaum ein Ende gefunden, als Tabenkin eine massive Besiedlung des neueroberten Landes antrat.

Einer von Tabenkins Schülern war Yigal Allon. Während Allon für die Abgabe der am dichtesten besiedelten Gebiete an Jordanien war, bestand er als Minister in Levi Eshkols Regierung auf Siedlungen in Gebieten, die er gemäß dem nach ihm benannten Allon-Plan annektieren wollte – den größten Teil des Jordantals, Ostjerusalem und Gusch Etzion.

Allons lebenslanger Rivale, Verteidigungsminister Mosche Dayan, plädierte dafür, israelische Städte genau in den Gebieten zu errichten, die Allon aufgeben wollte. Er schlug seinerseits vor, den Arabern in den Gebieten eingeschränkte Autonomie zu gewähren. Sein Ziel bestand darin, die israelische Herrschaft in Judäa und Samaria aufrechtzuerhalten, ohne den dort lebenden Arabern die Staatsbürgerschaft zu verleihen. Dayans jüngerer Verbündeter Schimon Peres teilte diese Ideen.

 

Die Siedlungen waren breiter Konsens

Eshkol selbst hatte nach dem Sechs-Tage-Krieg zwei unmittelbare Prioritäten: den Bau jüdischer Viertel im annektierten Ostjerusalem und die Rückführung der Juden an die wenigen Orte in Judäa und Samaria, in denen sie vor 1948 gelebt hatten. Als nach einem Zusammenschluss 1968 Eshkol, Dayan und Allon alle in der Arbeiterpartei waren, wurde nicht darüber gestritten, ob in den 1967 eroberten Gebieten Siedlungen entstehen sollten, sondern nur wo diese entstehen sollten. Eshkol tendierte dabei zu dem Ansatz von Allon, wie später auch Golda Meir und Jitzhak Rabin. Die Differenzen zwischen der Arbeiterpartei und der national-religiösen Siedlerbewegung Gush Emunim bezogen sich gleichfalls nicht auf die grundsätzliche Frage, ob gesiedelt werden sollte, sondern leidglich über die genauen Örtlichkeiten. Und hier stand Schimon Peres Gush Emunim näher als Rabin.

Dies zeigte sich bei der Gründung von Kedumim und auch zuvor bei der Gründung von Ofra im April/Mai 1975, bei der sich Gush Emunim gleichfalls durchsetzte. Die Arbeiterpartei sprach sich gegen eine Siedlung inmitten dichtbesiedelter „palästinensischer“ Gebiete aus.

Ofra wurde auf dem Gelände einer verlassenen jordanischen Militärbasis errichtet, nachdem Peres den Arbeitern der Radarstation auf dem Berg Ba‘al Hatzor erlaubte, dort zu übernachten. Bald brachten die Arbeiter ihre Familien und hissten die israelische Flagge, und das obwohl Ofra vom damaligen Premierminister Jitzhak Rabin abgelehnt wurde. Weil er eine Spaltung der Arbeiterpartei befürchtete, lies Rabin Peres gewähren.

In einem Interview 2012 für „Al Jazeera“ mit David Frost erklärte er: „Wir sahen uns 40 Millionen Arabern gegenüber. Wir hatten kaum eine Armee. Die Araber hatten sieben Armeen. Wir haben alle unsere Siedlungen genutzt, um uns zu verteidigen […] In diesem speziellen Fall von Ofra wollten wir eine Radarstation in der Nähe von Jerusalem haben, und so haben wir eine Siedlung um die Radarstation errichtet, um diese zu verteidigen.“

Bei der Gründung pflanzte Peres einen Baum im Herzen der Siedlung.

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