„Gestatten, ich bin ein Siedler“.

Juden beim Spaziergang in der alten jüdischen Stadt Hebron.© HAZEM BADER, AFP

Ein neuer Film zeigt das Leben in Judäa und Samaria.

Von Stefan Frank

„Gestatten, ich bin ein Siedler! Wie leben die Menschen in der Westbank?“ – Die Filmemacherin Ilona Rothin (u.a. „Holocaust light gibt es nicht!“, 2012) hat einen neuen Film gedreht über jene Israelis, die jenseits der Waffenstillstandslinie von 1949 in der alten jüdischen Kernregion Judäa und Samaria leben. In ihm kommen – und das ist außergewöhnlich in der deutschen Medienlandschaft – die Betroffenen zu Wort, Juden und Araber. Verbreiteten Klischees setzt Rothin die Wirklichkeit entgegen. Am 14. September feierte er im Berliner Kino „Babylon“ Premiere.

Permanent werden Israel und israelische Juden wegen „Siedlungsbaus“ angefeindet. Das Schlagwort von den „illegalen Siedlungen“ befeuert weltweit den Antisemitismus. Juden werden stigmatisiert und als „Friedenshindernis“ dämonisiert. Wohnungen für Familien zu bauen, scheint in den Augen westlicher Journalisten und Politiker schlimmer zu sein als die Morde, zu denen die „Palästinensische Autonomiebehörde“ aufruft. Eines fällt dabei immer wieder auf: Die „Siedler“, um die so viel Wirbel gemacht wird, bleiben im Dunkeln, ohne Gesicht, ohne Stimme, ein Phantom. Die Filmemacherin Ilona Rothin rückt sie nun ins Licht. In ihrem Film „Gestatten, ich bin ein Siedler! Wie leben die Menschen in der Westbank?“ spricht sie mit Juden, Arabern und deutschen Experten; mit Arbeitern, Managern und Hebammen; mit jungen Familien, einer israelischen Soldatin und mit arabischen Handwerkern, die für jüdische Kunden arbeiten. Die gute Botschaft des – absolut sehenswerten – Films: Die Zeit arbeitet gegen die Anti-Israel-Fanatiker. Arabisch-jüdische Freundschaften sind längst Normalität und werden über die hasserfüllte „Anti-Normalisierungs-Kampagne“ von Fatah und Hamas siegen. „Wir machen hier eigentlich schon den Frieden“, sagt Shaban Amer, der „palästinensische“ Vorarbeiter in einer Süßwarenfabrik, in dem Film. Westliche Journalisten aber wollen von Frieden nichts hören und nichts sehen. Sie sitzen in ihren Büros und Hotelbars in Tel Aviv und malen sich ihr eigenes Bild von den „jüdischen Siedlern“. Zur Premiere des Films am 14. September sind auch die israelische Botschaft und jüdische Organisationen aus Berlin eingeladen.

Stefan Frank sprach für Audiatur-Online mit der Autorin Ilona Rothin.

 

Stefan Frank: Wie entstand die Idee für den Film?

Ilona Rothin: Seit zehn Jahren fahre ich bei Dreharbeiten in Israel um die Westbank herum, mitten durch oder hautnah an ihr vorbei. Stets ist mir aufgefallen, dass dort nahezu alles anders ist, als es bei uns in den Medien dargestellt wird. Nach dieser Lesart sind die Siedler immer die Bösen und die „Palästinenser“ die armen Opfer. Aber ausgerechnet diese „Palästinenser“ bauen die jüdischen Siedlungen, verdienen eine Menge Geld bei den Siedlern und feiern mit ihnen zusammen Feste. Spätestens da dachte ich: Moment, hier stimmt was nicht! Wie das, Juden und „Palästinenser“ machen zusammen Betriebsausflüge? Feiern Hochzeiten und Kinderfeste zusammen? Da habe ich entschieden, einen Film über das biblische Judäa und Samaria bzw. die Westbank zu machen. Ohne Schaum vorm Mund, ohne den ganzen politischen Rucksack – einfach nur mit dem Wunsch, die Realität einzufangen und mit den Leuten zu reden. Viele Christen, aber vor allem die „Sächsischen Israelfreunde e.V.“ halfen, dass der Film mit Spenden finanziert werden konnte.

Stefan Frank: Wie kamen die Kontakte zu den Interviewpartnern zustande?

Ilona Rothin: Nun, der Anfang war zäh. Siedlerfamilien, die ich im letzten Jahr per E-Mail kontaktierte, antworteten gar nicht erst. Firmen, bei denen ich drehen wollte, waren telefonisch nie erreichbar. Die ewig einseitige und negative Berichterstattung über die Siedler in der Westbank durch die deutschen Medien kriegt man auch in Israel mit. Dann kamen mir die „Sächsischen Israelfreunde“ zu Hilfe. Eine Organisation von deutschen Christen, die in Israel sehr engagiert ist und dort einen guten Ruf hat. Mit Hilfe ihrer Kontakte öffneten sich Türen. Ich konnte das Vertrauen von Menschen gewinnen, die in der Westbank leben und den Dreh planen.

Stefan Frank: An den Landstraßen in Judäa und Samaria werden immer wieder Anschläge mit Steinen, Molotowcocktails oder sogar mit Schusswaffen verübt. Haben Sie die Autofahrten als gefährlich empfunden?

Ilona Rothin: Ja. Jede Straßenkreuzung ist bewacht. Da stehen aber nicht ein paar nette Polizisten rum, sondern schwerbewaffnete Soldaten. Weil „palästinensische“ Terroristen, angespitzt von der Hamas, jeden Tag versuchen, Terroranschläge in der Westbank zu verüben. Und wenn man dann bei Rot an einer Ampelkreuzung steht und direkt in den Gewehrlauf eines israelischen Soldaten schaut, bekommt man schon ein mulmiges Gefühl. Aber die IDF, die Israelische Verteidigungsarmee, beschützt alle, die in der Westbank leben. Ein Bataillonskommandeur der IDF erklärt im Film: „Unsere Mission hier in Judäa und Samaria ist es, die Menschen zu schützen, Israelis und Palästinenser!“ Die Autofahrten waren das Schlimmste. Jeden Tag fliegen Steine in Windschutzscheiben. „Palästinensische“ Steinewerfer haben es auf Busse, Autos mit israelischen Kennzeichen abgesehen. Oder irgendwo gehen Granaten hoch. Erst vor ein paar Tagen ist Rina Shnerb, ein 17-jähriges Mädchen, an einer Quelle in der Nähe der Siedlung Donev, durch eine Granate getötet worden. In diesem Jahr wurden schon zehn Israelis in der Westbank getötet.

Stefan Frank: War es schwierig, arabische Interviewpartner zu finden?

Ilona Rothin: Unterschiedlich. In Betrieben wie der Süßwarenfabrik ACHVA in Ariel kamen wir locker mit „Palästinensern“ ins Gespräch. Ihr Vorarbeiter, Ahmer Shaban, sagte uns, dass sie seit Jahren mit den Israelis friedlich zusammenarbeiten, ohne dass es je Streit gegeben hätte. Sie feiern zusammen Hochzeiten, machen Kinderfeste und Bootsausflüge. „Wir machen hier schon den Frieden, auch ohne Politiker.“ So der „Palästinenser“. Aber so einfach war es nicht immer. In Karnei Shomron im Norden der Westbank, in einer Baufirma, sagten uns „palästinensische“ Arbeiter, dass sie sich wegen unseres Interviews Sorgen machten, weil sie Angst vor ihren eigenen Leuten hätten. Die Hamas, so hörten wir, versucht die „Palästinenser“, die gut mit Siedlern zusammenarbeiten, unter Druck zu setzen und dazu anzustiften, Israelis zu töten. Würde die Hamas aufhören, Terror zu verbreiten, sähe vieles in der Westbank anders aus. Und wenn die PLO-Führer endlich Israel anerkennen würden, könnte es hier Frieden geben. Aber, wie der Kölner Publizist und Autor Alex Feuerherdt im Film sagt: „Die PLO-Führung will keine Zwei-Staaten-Lösung. Oder irgendeine andere Lösung. Sie wollen eine Kein-Staat-Israel-Lösung. Das ist das Problem und nicht irgendwelche Siedlungen.“

Stefan Frank: Gab es bei den Dreharbeiten Schwierigkeiten?

Ilona Rothin: Jede Menge. Wir hatten natürlich zuerst kein Geld. Dann tauchten Zweifel auf wie: „Ihr bekommt dort nie eine Drehgenehmigung. Das schafft Ihr nie! Die Westbank ist eine mediale No-go-Area in Deutschland!“ – Gerade das hat mich gereizt. Journalisten sind umso neugieriger, je mehr etwas verheimlicht, vertuscht, ins Gegenteil verkehrt wird. Deshalb sprechen wir in unserem Film auch von den „ewig guten Palästinensern und den immer bösen Siedlern“. Das ist so lächerlich falsch, dass es jeder sieht, der mit offenen Augen durch die Westbank fährt. Der Historiker Michael Wolffsohn, der sich ja schon sehr, sehr lange mit dem Nahen Osten beschäftigt, stellt im Film klar, dass diese alten Schablonen nicht der Wahrheit entsprechen. „Die Realitäten haben sich geändert“, sagt er. Er stellt im Film die provokante Frage, was sich die Gegner der Siedler eigentlich vorstellen: „Soll denn die Westbank judenrein werden?“

Stefan Frank: „Siedler“ klingt nach Wildem Westen. Empfinden die Israelis, die jenseits der Waffenstillstandslinie von 1949 leben, einen Unterschied zwischen sich und anderen Israelis?

Ilona Rothin: Manche ja, andere nicht. In Israel sind die Siedlungen umstritten. Es gibt Pro und Contra, wie in jeder westlichen Demokratie. Und Israel ist die einzige Demokratie im Nahen Osten. Meinungs- und Pressefreiheit sind so selbstverständlich wie bei uns. Und so ist es eben auch eine Tatsache, dass z.B. immer mehr junge Israelis in die Westbank ziehen, die kein besonders großes Interesse an Religion, Politik und Geschichte haben. Wohnungen sind in der Westbank einfach billiger als in Großstädten wie Tel Aviv oder Jerusalem. Auch das ist eine Realität: Es gibt nicht nur religiöse Siedler. Die Kommunen der Westbank geben nicht nur Wohnungssuchenden ein neues Zuhause, sondern auch Holocaustüberlebenden aus der ehemaligen Sowjetunion oder Juden aus Deutschland und Frankreich, die wegen des Antisemitismus ihre Heimatländer verlassen haben. Manche Israelis vergleichen die Siedlungen tatsächlich mit dem „Wilden Westen“. Eine Siedlerin erzählte mir, Leute hätten zu ihr gesagt, die Westbank sei „eine Region, wo die Leute in Zelten wohnen und Waffen tragen und wo gleich die Indianer um die Ecke kommen…“

Stefan Frank: Wie hat sich Ihr eigenes Bild von den Bewohnern und der politisch-gesellschaftlichen Lage geändert? Was war für Sie das Überraschendste?

Ilona Rothin: Wie humorvoll und gelassen die Siedler sind. Das hat mich am meisten überrascht. Eine Siedlerin sagte zu mir, sie wüsste, wie man den Konflikt um die Westbank lösen könne. Sie schlägt vor: Einfach die Politiker rauswerfen. Und danach die Journalisten. „Wenn die Leute in der Westbank direkt miteinander sprechen könnten“, so ihr Vorschlag, „wird sich zu 99 Prozent etwas verändern.“

Stefan Frank: Viele Leser, die nicht zur Premiere nach Berlin kommen können, werden den Film sehen wollen – oder sogar in ihrer Stadt öffentlich aufführen. Was können sie tun?

Ilona Rothin: Unseren Film „Gestatten, ich bin ein Siedler! Wie leben die Menschen in der Westbank?“ kann man online auf www.zum-leben.de bestellen. Oder: Uns gibt es auch im Doppelpack. Den Film und die Autorin zusammen, direkt vor Ort. Das mache ich gern. Ich komme und zeige den Film auf Veranstaltungen mit anschließender Diskussion. Denn wer zeigt nicht gern, wie das Leben wirklich ist.

Sehr geehrte Leser!

Die alte Website unserer Zeitung mit allen alten Abos finden Sie hier:

alte Website der Zeitung.


Und hier können Sie:

unsere Zeitung abonnieren,
die aktuelle oder alte Ausgaben bestellen
sowie eine Probeausgabe bekommen

in der Druck- oder Onlineform

Unterstützen Sie die einzige unabhängige jüdische Zeitung in Deutschland mit Ihrer Spende!

Werbung


Alle Artikel
Diese Webseite verwendet Cookies, um bestimmte Funktionen zu ermöglichen und das Angebot zu verbessern. Indem Sie hier fortfahren, stimmen Sie der Nutzung von Cookies zu. Mehr dazu..
Verstanden