Filmmogul Artur Brauner mit 100 Jahren gestorben
Der verstorbene Filmproduzent Artur Brauner hat wie kein Zweiter die deutsche Filmgeschichte durch Unterhaltungsware geprägt. Weniger bekannt sind sein Einsatz für die deutsch-israelischen Beziehungen.
Artur Brauner mit Ehefrau Maria (rechts) und Tochter Alice. © JOHANNES EISELE, AFP
Der Filmproduzent Artur „Atze“ Brauner ist mit 100 Jahren in Berlin gestorben. Er war mit seiner Produktionsfirma CCC-Film eine der prägenden Figuren der deutschen Filmszene in den Nachkriegsjahrzehnten. Mit Schlagerfilmen, Western und Krimis sowie Superstars wie Hans Albers, Romy Schneider und Heinz Rühmann sorgte er für volle Kinokassen. Noch wichtiger waren Brauner aber seine Filme, die den Holocaust aufarbeiteten. Wenig bekannt ist bis heute das Engagement des Gentlemans mit dem schmalen Oberlippenbart für das israelische Kino.
Der 1918 in Lodz geborene Produzent war der Sohn des jüdischen Holzgroßhändlers Mosche Brauner und seiner Frau Brana. In seiner Jugend ließen ihn seine traditionellen Eltern die Hebräische Bibel auswendig lernen. Er wuchs auf in einem „Haus, wo die guten menschlichen Qualitäten die Oberhand hatten“. Er glaubte an Gott. Ansonsten hätte er sich seine Biografie, sein Überleben im Holocaust und seine spätere Karriere überhaupt nicht erklären können. Als 20-Jähriger fuhr er mit einer zionistischen Jugendorganisation in den Nahen Osten, drehte dort bereits zwei Dokumentarfilme in Persien.
Als Hitlerdeutschland Polen überfiel, flüchtete Brauners Familie in die Sowjetunion, wo er sich versteckte. Mit viel Durchhaltewillen und den Tipps, die er sich bei Western-Star Gary Cooper als Heranwachsender im Kino abgeschaut hatte, entkam er dem Tod. 49 seiner Familienangehörigen wurden im Holocaust ermordet. Seine Eltern und drei seiner vier Geschwister überlebten und wanderten nach Israel aus. Brauner startete seine Karriere in Berlin, indem er mit seiner neugegründeten Firma CCC die erste französische Produktionslizenz der Alliierten erhielt.
Vorreiter deutsch-israelischer Beziehungen
Die Bundesrepublik Deutschland und Israel nahmen erst im Mai 1965 diplomatische Beziehungen auf. 1971 unterzeichneten die beiden Länder ein gemeinsames Filmabkommen. Diesem Abkommen gingen jedoch diverse persönliche Initiativen voraus. Eine davon war der fruchtbare Austausch zwischen Brauner und dem israelischen Filmproduzenten Menahem Golan. Sie teilten den gleichen Filmenthusiasmus, liebten Unterhaltungskino wie politische Stoffe.
Sie produzierten zum Beispiel gemeinsam den Agentenfilm „Einer spielt falsch“ im Jahr 1965, der in Rom, Israel und Berlin gedreht wurde. Die Hauptrollen spielten der Amerikaner Audie Murphy und die Deutsche Marianne Koch. Die Zusammenarbeit wurde damals von der Presse als Eisbrecher für die noch stark belasteten Beziehungen der Länder gefeiert. Ein Jahr später produzierten Brauner und Golan den in Israel gedrehten Film „Tevje und seine sieben Töchter“, der von einem armen jüdischen Milchmann im ukrainischen Dorf Anatevka zur Zeit des zaristischen Russlands handelte. Einer der größten Fans dieses Films war Bundeskanzler Ludwig Erhard, in dessen Amtszeit die offiziellen deutsch-israelischen Beziehungen besiegelt wurden. Er bezeichnete das Werk bei der Vorführung auf Einladung des ersten israelischen Botschafters Ascher Ben-Natan in Bonn als „ganz wunderbar“.
Von außen betrachtet wirkte die Beziehung zwischen Brauner und Golan lose. Tatsächlich war die Zusammenarbeit beständig und eng, auch wenn einer der beiden mal nicht im Filmabspann auftauchte. Bei der Produktion „Flucht in die Sonne“ von 1972, bei der es um die Flucht von jüdischen Intellektuellen aus der Sowjetunion ging, half Brauner dem Israeli etwa bei dessen Berlin-Dreh. Weitere gemeinsame Projekte waren die Filme „ Sie sind frei, Dr. Korczak“ und „Himmelfahrtskommando El Alamein“, wo sie zusammen das Drehbuch schrieben.
Das Interesse an Holocaust-Filmen war gering
„Artur Brauner war ein herausragender und außergewöhnlicher Mann, der sich jahrzehntelang ehrenamtlich für das Wohl Israels engagierte“, schrieb die Israelische Botschaft in Berlin. „Der Holocaust war in seinem Leben sowohl privat als auch beruflich immer präsent, verbunden mit dem Bestreben, dass er nie vergessen werde und sich nie wiederhole, und der Gewissheit, dass eine der Garantien dafür, die Existenz des Staates Israel ist.“
Brauner setzte sich von Beginn seiner Karriere an anhaltend mit dem Nationalsozialismus und dem Holocaust auseinander, obwohl er bei seinem zweiten Film „Morituri“ die niederschmetternde Erfahrung machte, dass diese Stoffe in Deutschland niemand sehen wollte. Der Produzent hasste das Wort Holocaust, weil es in seinen Ohren die versuchte Ausrottung der Juden verharmloste. Aber die Aufarbeitung genau dieses Themas war seine zentrale Triebfeder: „Als ich 24 war, stand ich vor einem Massengrab, sah in die offenen Augen eines zehnjährigen Jungen. Da habe ich mir das Versprechen abgenommen, niemals die Opfer zu vergessen. Ich hätte sonst nicht weiterleben können“, sagte Brauner im vergangenen Jahr gegenüber der „Bild“-Zeitung.
Filme im Archiv von Yad Vashem verewigt
Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem nahm 21 Filme des Berliner Produzenten, die einen Bezug zur Judenverfolgung und der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten besaßen, 2009 in ihren Bestand auf. Zu den Produktionen, die im Visuellen Zentrum der Gedenkstätte zu sehen sind, gehören „Der letzte Zug“, „Hitlerjunge Salomon“, „Morituri“, „Der 20. Juli“ und „Die Weiße Rose“.
Brauner hat die deutsche Filmgeschichte mit Klassikern wie „Der brave Soldat Schwejk“, „Die Halbstarken“ oder „Hitlerjunge Salomon“ bereichert. Er holte jüdische Emigranten und Meisterregisseure wie Fritz Lang („Der Tiger von Eschnapur“) und Robert Siodmak („Die Ratten“) zurück in die Bundesrepublik. Er ließ großen, schillernden Schund drehen: Etwa wenn der britische Dracula-Darsteller Christopher Lee in „Sherlock Holmes und das Halsband des Todes“ Deutsch sprechen musste oder Brauner die Bücher von Edgar Wallace' Sohn Bryan aufkaufte und diese als wundervoll wilde Edgar-Wallace-Krimis ausgab. Bleiben werden aber vor allem auch sein Einsatz wider das Vergessen der Scho'ah und die gesäten filmischen Verbindungen zwischen Deutschland und Israel. Sein Leben wäre mindestens einen eigenen Film wert. Mach et jut, Atze!
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