1929: „Auseinandersetzung“ zwischen Juden und Arabern?

Schon damals wurde die arabische Aggression verharmlost

Die JÜDISCHE RUNDSCHAU berichtete 1929 über die Ereignisse in Palästina

Karl Pfeifer

Während der Jahre 1943-46 lebte ich in einem linkssozialistischen Kibbuz und lebhaft erinnere ich mich, wie oft von den Moraot (Geschehnissen, Unruhen) von 1929 und dem arabischen Aufstand 1936-39 gesprochen wurde. Die kommunistische Partei PKP wurde abgelehnt, und wer Sympathien mit ihr äußerte wurde aus dem Kibbuz ausgeschlossen. Ihre Stellungnahme für die arabischen Mörder der nicht-zionistischen Juden in Hebron und Safed wurde immer wieder erwähnt. Allerdings kamen auch Zweifel an der herrschenden sozialistischen Doktrin auf, man müsse die arabischen Arbeiter und Bauern nur aufklären über die sie ausbeutenden Effendis und Grundbesitzer, um sie gegen nationalistische und religiöse Hetze zu immunisieren.

 

Die reichen Juden waren dem Zionismus wenig zugetan

Ende der 20er Jahre bekam der Jischuv die Wirtschaftskrise zu spüren. Die ungeheuren finanziellen Mittel der zionistischen Bewegung waren ein Mythos, der damals einem Hohn glich. Viele europäische Juden waren arm und die meisten derjenigen, die nicht arm waren, interessierten sich nicht für den Zionismus. In Amerika aber gab es einen starken Einfluss des Isolationismus.

Im Juli 1928 trat Lord Plumer als Hochkommissar in den Ruhestand und verließ Palästina. Sein Nachfolger Sir John Chancellor war ein farbloser Kolonialbeamter, der erst im Dezember 1928 seinen Dienst antrat. Mit der Verwaltung wurde der damals 45-jährige H.C. Luke betraut. Der in London geborene Sohn eines amerikanisch-jüdischen Vaters ungarischen Ursprungs war bemüht die Araber zu beschwichtigen und gleichzeitig einen Keil zwischen Administration und Juden zu treiben. Es erwies sich als verhängnisvoll, dass sich Chancellor nach seiner Ankunft nach Luke richtete.

Die Juden hatten vor die Klagemauer einen Wandschirm gestellt, um während des Gebetes Männer von Frauen zu trennen. Zwei hohe britische Offiziere ließen diese mit Hinweis auf den Status quo ausgerechnet am Jom Kippur 1928 entfernen. Dies störte die Gebete der Gläubigen und die Polizisten wurden angegriffen.

Die Vorfälle zu Jom Kippur zeigten den Mangel an britischem Feingefühl für das religiöse Empfinden der Juden. Der Mufti kannte die Engländer ziemlich gut und wusste, dass die antijüdische Hetze keine Reaktion hervorrufen wird.

Es kam zu jüdischen Gegendemonstrationen an der Mauer, die von den Moslems wiederum als Bedrohung ihrer heiligen Stätten interpretiert wurden.

Im Juni 1929 kam die Labour-Regierung unter Ramsay MacDonald an die Macht und zum Kolonialminister wurde Lord Passfield (Sidney Webb) ernannt, der wenig Sympathie für den Jischuv hatte.

 

Ein Ball im Garten des Nachbarn hatte tödliche Folgen

Am 21. August warf ein jüdischer Junge einen Ball in den Garten eines Arabers, es folgte eine Schlägerei bei der der Junge mit einer Eisenstange erschlagen wurde.

Der Trauerzug geriet zur Demonstration. Die Briten setzen Polizisten ein, um die Demonstranten zu zerstreuen. Am gleichen Tag hielt der Mufti el Husseini eine flammende Rede gegen die Juden in der Al-Aksa-Moschee und am 22. und 23. August 1929 strömten Massen mit Messern und Knüppeln bewaffneter arabischer Fellachen nach Jerusalem und ein Mob griff jeden Juden an, den er erblickte. Mehrere Juden wurden vor den Augen von passiven britischen Polizisten ermordet. Die Briten lehnten es ab, Juden zu bewaffnen oder jüdische Polizisten einzusetzen.

 

1929 ermordeten und vertrieben die Araber die Juden von Hebron

Bereits am 20. August hatten aufgrund der Hetze Hagana-Offiziere vorgeschlagen die 600 Juden in Hebron mit einer Einheit zu verteidigen oder sie zu evakuieren. Die jüdische Gemeinde lehnte beide Vorschläge ab, weil sie sich sicher fühlte. Am 24. August ermordete in Hebron ein Mob mehr als 60 Juden. Der britische Polizeioffizier Raymond Cafferata schilderte, was er in einem jüdischen Haus in Hebron erlebte: „Ein Araber war dabei, einem Kind mit dem Schwert den Kopf abzuschlagen. Einmal hatte er bereits zugeschlagen und wollte gerade ein zweites Mal ausholen, als er mich sah und stattdessen auf mich einhieb, aber sein Ziel verfehlte. Er befand sich praktisch vor der Mündung meines Gewehrs. Ich schoss ihm in den Unterleib. Hinter ihm sah ich eine blutverschmierte jüdische Frau mit einem Mann, den ich als Polizisten wiedererkannte, Issa Sheriff aus Jaffa… Er stand mit einem Dolch in der Hand über die Frau gebeugt. Aller er mich sah, flüchtete er in das nächste Zimmer und rief auf Arabisch: „Ich bin Polizist, Euer Ehren.“ Ich folgte ihm in das Zimmer und erschoss ihn.“

Während der Unruhen 1929, die insgesamt rund eine Woche dauerten, kamen bei arabischen Angriffen mindestens 133 Juden ums Leben (davon in Hebron 64, in Jerusalem 23, in Safed 14).

Die meisten Juden wurden von Arabern getötet, die Mehrzahl der 116 arabischen Opfer durch Briten.

Ähnliche Unruhen gab es bereits 1920 und 1921. Trotzdem versuchte die Administration eine Politik des „Teile und herrsche“.

Unter den vielen Gesetzen und Verordnungen der britischen Administration war nicht ein einziges, das nationalistische Hetze als Verbrechen definiert hätte. Erst 1933, als Araber gegen die Briten demonstrierten und keine Juden attackierten, setzten diese genug Ordnungskräfte ein, um die Unruhen sofort niederzuschlagen.

Man kann natürlich argumentieren, dass es nach einer Beruhigung gerade 1932-36 zum Wachsen und Entwicklung des Jischuv kam. Doch die Unruhen 1929 hatten einen unmittelbaren Einfluss auf das Lebensgefühl der Juden. Der arabische Mob skandierte „Mohameds Glaube mit dem Schwert“, „Palästina ist unser Land und die Juden sind unsere Hunde“, „Wir werden Euch mit dem Schwert abschlachten“.

 

Sitzen die Juden auf einem Vulkan?

David Ben Gurion – damals Sekretär der Histadrut – folgerte: „Das Gefühl, dass Juden auf einem Vulkan sitzen, könnte die Grundlage der ganzen zionistischen Bewegung sabotieren.“ Er befand sich in Opposition zu Jabotinsky, doch inhaltlich stimmte er Jabotinskys grundlegender Doktrin der „Eisernen Mauer“ zu.

Eine Auseinandersetzung mit den Arabern schien unvermeidlich und Waffen und die Ausbildung im Waffengebrauch wurden vorranging.

In der Hagana kam es zur Debatte zwischen der Mehrheit, die darauf hinwies, dass trotz der geringen Zahl freiwilliger Mitglieder und ihres beschränkten Waffenarsenals ein noch größeres Unglück verhindert wurde und der Minderheit, die nur sahen, was die Hagana nicht verhindert hatte.

Der Mufti behauptete, sich auf die „Protokolle der Weisen von Zion“ stützend, es gehe darum, die Heiligen Stätten des Islam zu schützen. Er bezichtigte die Juden der Aggression und machte so die Sache zu einem panarabischen moslemischen Anliegen.

Er hatte aus den Händen der Briten – die sich mit der Balfour-Deklaration für die Errichtung einer jüdischen Nationalen Heimstätte verpflichtet hatten – Macht erhalten und diese nur dazu benutzt ein Massaker unter den Juden herbeizuführen. Dennoch blieb er Großmufti.

Zur Untersuchung der Vorkommnisse hatte die britische Regierung eine Kommission unter der Leitung von Sir Walter Shaw ernannt. In der Schriftenreihe der JÜDISCHEN RUNDSCHAU erschien 1930 der „Shaw-Bericht“ über die Unruhen 1929 und die Antwort der Jewish Agency, mit der die proarabische und antizionistische Tendenz des Berichts dokumentiert wurde.

Der Mufti und andere Hetzer unterstellten, die Juden möchten den Tempelberg übernehmen. Der Polizeichef von Jaffa dagegen sagte aus, dass Hamdi el Husseini, ein berufsmäßiger Demonstrations-Veranstalter, Repräsentant der kommunistischen antiimperialistischen Liga, keine anderen Möglichkeiten sah, als die Aufstachelung religiöser Leidenschaften.

Als Beweis dafür, dass die Juden die Omar-Moschee erobern wollten, diente zunächst ein Bild des Tempelberges, das von einer Jeschiva vor 1914 gedruckt wurde. Auch der Mufti nahm Bezug auf dieses Bild. Doch die Kommission zweifelte daran, dass ein wirklich gebildeter Araber eine solche Idee haben konnte.

Der Mufti erklärte, er habe am 23. August bei den sich versammelnden Arabern keine Stöcke oder Knüppel gesehen, ein britischer Major bezeugte, den Mufti um 10.45 Uhr am 23. August befragt zu haben, „woher es komme, dass so viele Moslems aus den umliegenden Dörfern mit schweren Stöcken und Knüppeln in die Stadt gekommen seien.“

Es war grotesk, dass die Polizei in Nablus sofort eingegriffen hat, wo es keine Juden gab, hingegen versagte, wo jüdisches Leben auf dem Spiel stand.

Aufgrund arabischer Drohungen wurden plötzlich Juden entwaffnet. Noch erniedrigender war, dass diese Entwaffnung während einer Parade der Special Constables vorgenommen wurde. Die ehemaligen jüdischen Soldaten und Beamten – gleichgültig, ob britische Untertanen oder Palästinenser – wurden so entwaffnet und gedemütigt, obwohl die Kommission festgestellt hat, dass die Juden nur in der Defensive waren.

 

Un-Zionistische Juden wurden ebenfalls ermordet

Die offiziellen Bulletins vermieden es die Araber als die Angreifer zu bezeichnen und erweckten den falschen Eindruck, es hätte sich um „Zusammenstöße“ (Clashs) zwischen Juden und Arabern gehandelt. Diese Version wurde u.a. auch von den kommunistischen Medien im Ausland verbreitet, wobei sie eine Opfer-Täter-Umkehr betrieben.

Die Briten behaupteten die Ursachen der Unruhen wären u.a. die Einwanderung und der Bodenkauf.

Doch die Hauptunruhen fanden in solchen Orten statt, die weit entfernt von den Zentren der modernen jüdischen Besiedlung lagen. Von den 133 jüdischen Toten wurden nur 13 in jüdischen Siedlungen getötet und selbst von diesen fiel die Mehrheit in Beer Tuvia, Artuf und Moza, die längst vor dem Krieg bestanden haben. Von den Städten wurden am meisten Jerusalem, Hebron und Safed mitgenommen und gerade dort waren es keine Zionisten, sondern fromme Juden des alten Typus, die die Opfer waren. Der Kriegsruf der Plünderer war auch nirgends: „Gebt uns unser Land zurück“, sondern: „Weg von unseren heiligen Stätten“, oder „Rache an den Juden für vergossenes moslemischen Blut“. Nicht ein einziger Araber, der sich als enteigneter Pächter ausweisen konnte, wurde der Kommission präsentiert.

Die Kommission gab die Zahl von 1.600 arbeitslosen Arabern Ende August 1927 und etwa 2.000 Ende September 1929 an. Doch gerade während dieser Jahre gab es weniger jüdische Einwanderer.

Eine Zusammenstellung der arabischen Arbeitslosenziffern für die Jahre 1927, 1928 und 1929 in den Unruhedistrikten Safed, Hebron und Jerusalem zeigt auch, dass in keinem Monat die Gesamtziffer dieser drei Orte zusammen 470 überstiegen hat, so dass es absurd wäre, zu behaupten, dass ein Mangel an Arbeit den gewaltsamen Ausbruch der Leidenschaften motiviert hätte. Wenn Entlassungen von arabischen Arbeitskräften seitens jüdischer Unternehmer vorgekommen sind, so beweist das nur, dass Araber zeitweilig eine Arbeit verloren haben, die sie ohne jüdische Einwanderung nie gehabt hätten.

Eigenartig ist die Anschauung, die Immigration der Juden eile der Schaffung der notwendigen materiellen Mittel voraus, so dass Arbeitslosigkeit die Folge sei. Nach den Ausführungen der Kommission sind aber die Araber gerade beunruhigt worden durch die Schaffung der kapitalkräftigen Jewish Agency, weil dadurch die zionistische Arbeit im Lande schneller vor sich gehen würde. Wie soll man es also recht machen? Soll man Geld ins Land bringen oder nicht?

 

Die Juden brachten den Arabern einen wirtschaftlichen Aufschwung

In welcher Weise der Wohlstand der arabischen Bevölkerung sich nach dem Krieg gehoben hat, geht zunächst aus dem Bevölkerungszuwachs hervor, der auf arabischer Seite mindestens 80.000 (oder über 12 %) beträgt, während er z.B. im Irak nicht einmal 1 % war.

Zum Bodenkauf: Die Unruhen sind in den Städten entstanden und nicht in Orten, in denen landwirtschaftliche Bevölkerung ausschlaggebend war, insbesondere nicht dort, wo die jüdischen Siedlungen der Jewish Agency sind.

 

Das Land war Wüste und Malaria-Sumpf

Den von der Kommission behaupteten Befürchtungen der Araber durch den Kauf der Sursuck-Ländereien im Emek, dass die Juden „auch den guten, bereits kultivierten Boden an sich zu bringen wissen“, wurde der Bericht des High Commissioners über die Verwaltung Palästinas 1920-25 entgegengestellt: der gesamte Boden des Emek im Jahre 1920 war eine Wüste, bedeckt von Sümpfen und verpestet durch Malaria. Eine geschlossene Ackerbau-Siedlung schien fast unmöglich. Der Jüdische Nationalfonds hat es verstanden das Land urbar zu machen, 20 Dörfer zu gründen, eine Bevölkerung von ungefähr 2.600 Menschen anzusiedeln und 300 Hektar aufzuforsten, 20 Schulen wurden gegründet, eine landwirtschaftliche Schule für Frauen in einem Dorf, ein Krankenhaus in einem anderen. Die Sümpfe wurden von den jüdischen Pionieren ausgetrocknet, so dass Malaria selten wurde.

Die blutigen Unruhen waren das Ergebnis der vom Mufti entfachten religiösen Propaganda und des Aufhetzungsfeldzuges bei der ungebildeten arabischen Bevölkerung.

Die Unruhen 1929 hinterließen tiefe Spuren. Nach der Veröffentlichung des Shaw-Berichts gab das Kolonialministerium die Anweisung, die Ausstellung von mehr als 3.000 Einwanderungszertifikate für jüdische Arbeiter zurückzuhalten.

Noch monatelang wirkte sich die Spannung zwischen Juden und Arabern in einer gegenseitigen Boykottbewegung aus. Juden verließen ihre Wohnungen in gemischten arabisch-jüdischen Stadtvierteln, hauptsächlich in Jerusalem sowie in Jaffa. Der jüdische Boykott wurde bald eingestellt. Der arabische Boykott dagegen wurde durch eine Organisation arabischer Kaufleute unterstützt und lange durchgehalten. Erst nach einer besonderen Verordnung gegen die in Gewalttaten ausartende Boykottbewegung brach im Frühjahr 1930 der arabische Boykott zusammen.

Die Jewish Agency bekräftigte im März 1930 die Erklärung des im August 1921 abgehaltenen Zionistenkongress, „mit dem arabischen Volk in Palästina in einem Verhältnis der Eintracht und der gegenseitigen Achtung zu leben und im Bunde mit ihm die gemeinsame Wohnstätte zu einem blühenden Gemeinwesen zu machen, dessen Ausbau jedem seiner Völker eine ungestörte nationale Entwicklung sichert…

Wir werden keinen ehrenhaften Versuch scheuen, zu einer Kooperation mit den Arabern in der Arbeit an der Entwicklung des Landes zu gelangen.“

Die vom Mufti angeführte nationale Bewegung der Araber hat – zunächst mit britischem Wohlwollen – alles in ihrer Macht Stehende gegen eine solche Kooperation getan. Das hat den Arabern kein Glück gebracht.

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