Markus Vahlefeld: Macht hoch die Tür!

Das System Merkel und die Spaltung Deutschlands – die Rezension eines bemerkenswerten Buches

Von Alexandra Margalith

Mit diesem, seinem zweiten Buch, hat Markus Vahlefeld ein Werk abgeliefert, das man gut und gerne als ein „zukünftiges Geschichtsbuch in Echtzeit“ bezeichnen kann.

Und so schreibt Henryk M. Broder auch in seinem dazugehörigen Grußwort völlig zu Recht, dass dieses Buch den Historikern eine große Hilfe dabei sein würde, wenn sie irgendwann in der Zukunft herauszufinden versuchen, wie es dazu kommen konnte, dass Deutschland zu einem einzigen großen Irrenhaus werden konnte.

Für diejenigen, die immer noch denken, man habe es geschafft oder würde es noch schaffen, ist dieses Buch schwer verdauliche Kost. Ebenso für die, die den Irrsinn um sie herum zwar durchaus als solchen erkennen, jedoch der Ansicht sind, dass in Deutschland gute Intentionen lediglich kurzfristig außer Kontrolle geraten sind, frei nach dem Motto „the road to hell is paved with good intentions“.

Denn wie Markus Vahlefeld klar und nüchtern analysiert, herrscht nicht nur der Wahnsinn, sondern der Wahnsinn hat auch noch System!

„Wahnsinn“, das ist das, was sich in Deutschland und darüber hinaus zwangsläufig auch in Europa seit dem Sommer 2015 abgespielt hat und weiterhin abspielt. Und nein, das Buch befasst sich nicht einzig und allein mit der Zuwanderungskrise, aber eben auch mit dieser.

Während man sich in der Zukunft noch lange damit wird beschäftigen müssen, wie man den Geist oder die Vielzahl von Geistern, die inzwischen in Deutschland ihr Unwesen treiben, wieder in die Flasche bekommt, trägt dieses Buch zuerst einmal dazu bei darzustellen, welche Geister da genau aus der Flasche gelassen wurden.

Wer das Buch liest, der wird sich allerdings auch fragen, ob diese Geister nicht das tun, was „sie“ will. Sie – das lässt sich unschwer erkennen – ist die Kanzlerin Angela Merkel.

Wie die Mitte „rechts“ wurde

Markus Vahlefeld zeigt auf, wie, warum und woran sich die deutsche Gesellschaft derart gespalten hat, dass ein Diskurs schon fast nicht mehr möglich scheint – unter anderem auch deshalb, weil über eine „alternativlose“ moralische Deutungshoheit politische Positionierungen und Gesinnungen verändert und verschoben wurden. So findet sich zum Beispiel das, was man in der Vergangenheit die „Mitte“ genannt hatte, nun „rechts“. So, wie alles „rechts“ zu stehen scheint, was sich nicht mit Sicherheitsabstand „links“ von der Kanzlerin befindet, die natürlich aus einer CDU-Regierung heraus die Mitte darstellt und „links“ scheint der Mitte näher als je zuvor. Oder umgekehrt. Man weiß es langsam nicht mehr.

„Rechts“ ist übrigens auch nicht mehr „rechts“, sondern am besten bitte gleich „rechtsextrem“, denn auch das ist eine Entwicklung der letzten drei Jahre. Kleiner scheint man es nicht mehr zu haben. Der Superlativ lebt. Wer allerdings „rechtsextrem“ ist, der ist darüber hinaus dialogunfähig oder zumindest dialogunwürdig. Das gilt im Kleinen wie auch im Großen, im persönlichen Umfeld wie auch unter Parteien. Fakten stehen hinter Ideologien zurück und die Realität hinter der Moral. Oder dem, was man darunter versteht.

Unaufgeregt und sachlich war gestern. Heute brennt man mit Leib und Seele für die einzige Wahrheit und Proportionen zu wahren, ist einfach kolossal überbewertet.

Wie das Buch deutlich macht, liegen dieser gesellschaftlichen Spaltung politische Strukturen und Abläufe zugrunde, die einem bekannt vorkommen – aus Zeiten, in denen Deutschland noch durch eine Mauer geteilt war.

Markus Vahlefeld holt weit aus und bringt sauber recherchierte, klar strukturierte und sehr deutliche Beispiele für diese Abläufe, die dazu geführt haben, dass sich die nicht mehr existierende Mauer inzwischen durch weite Teile der Gesellschaft zieht. Das Geniale daran: auf beiden Seiten ist man der festen Überzeugung, unverrückbar auf der richtigen Seite davon zu stehen, der Seite, auf der man gut und gerne leben will.

Wer es wagt auch nur kurz laut darüber nachzudenken, ob man nicht vielleicht doch ganz zaghaft darüber nachdenken sollte, dass „alternativlos“ nichts anderes ist als das „weil ich es so sage“, das die meisten Menschen in ihrer Kindheit einmal von einem Elternteil zu hören bekommen und nur widerwillig hingenommen haben, und dass man vielleicht auch mal einen Blick auf die andere Seite der Moralmauer riskieren sollte, der hat bald nichts mehr zu lachen.

Israel und Deutschland

Im Epilog zu seinem Buch weitet Markus Vahlefeld das Gesichtsfeld und dehnt es über Deutschland und seine Rolle innehalb Europas aus, auf die USA und den Nahen Osten.

Er geht dabei in der Zeit zurück und holt weit aus, um schrittweise herzuleiten, wie es angefangen von einer Entscheidung der SPD-Regierung unter Gerhard Schröder, zu einer Neuordnung der Verhältnisse innerhalb der westlichen Welt kam. Weiter legt er dar, wie es in der Folge nicht nur dazu kommen konnte, dass die gegenwärtigen Beziehungen zwischen Deutschland und den USA wohl zu den schlechteren seit 1945 gehören, sondern auch, wie es dazu kommen konnte, dass die deutsche „Staatsräson“ der Sicherheit Israels inzwischen ernsthaft auf der Kippe steht.

Deutschland scheint vergessen zu haben, dass es Freiheit nicht umsonst gibt, sondern dass sie zur Not erkämpft und bewahrt werden muss. Und Deutschland sieht nicht, dass Israel sich den Luxus, dies ebenfalls zu vergessen, nicht leisten kann.

Angesichts des Umgangs mit den Ängsten und Sorgen der jüdischen Bevölkerung Deutschlands, angesichts des wachsenden israelbezogenen und muslimischen Antisemitismus, kommt Markus Vahlefeld zu dem traurigen Schluss, dass man in Deutschland das Andenken an die toten Juden vorbildlich wahrt und ehrt – oft aber leider zu Lasten der Fürsorge für die in Deutschland lebenden Juden.

Deutschland, welches die Aufarbeitung der Geschichte und die Tatsache, dass es daraus gelernt haben will, bis heute sehr hoch hält zeigt, dass es vor lauter „nie wieder Rechts, nie wieder Rassismus“ die Balance derart verloren hat, dass man offensichtlich immer schwerer zwischen „rechts“ und dem, was die Vernunft gebietet, unterscheiden kann.

„Macht hoch die Tür“ ist gut recherchiert und spannend. Es bringt Dinge in klare Zusammenhänge und ist dennoch – inhaltlich – ein unangenehmes Buch.

Denn es zeigt eine Vielzahl von Missständen auf, die sich durch eine Vielzahl von Themenbereichen ziehen und legt dar, woraus diese Missstände resultieren. Das Buch macht außerdem deutlich, wie es dazu kommen konnte, dass diese Missstände – falls überhaupt – viel zu spät oder nur am Rande angesprochen werden konnten.

Aber gerade, weil es so unangenehm ist, ist dieses Buch so wichtig!

Markus Vahlefeld: Macht hoch die TürDas System Merkel und die Spaltung Deutschlands236 SeitenVerlag: epubliISBN-13: 978-374676766616 Euro

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