Abenteuer einer Sprache - Über das Jiddische und den jüdischen Witz (Teil 2)

Der jüdische Witz hilft besonders in harten Zeiten.© CRISTINA QUICLER / AFP
Wortwitz als Lebenskunst: Der jüdische Humor, am scharfen Polierstein des talmudischen „Pilpul“ (hebräisch für Pfeffer, der die scharfsinnige, talmudische Dialektik bezeichnet) geschliffen, verwandelt Ohnmacht in geistige Überlegenheit und Schmerz in Gelächter. Sigmund Freud unterschied klar zwischen dem antisemitischen „Judenwitz“, der Klischees reproduziert, und dem echten jüdischen Witz, der mit Chuzpe, Dialektik und doppeltem Boden überrascht – kurz, präzise, entwaffnend. Aus den Schtetln Osteuropas über Wien, Berlin und New York bis nach Israel lebt diese Kunst des Denkens weiter: schnörkellos, selbstironisch, mit jener wendigen Logik, die Fragen mit besseren Gegenfragen beantwortet. So wird Witz zur Waffe der Ausgegrenzten und Erniedrigten, zum Schutzschild gegen Verfolgung – und zur Erinnerung daran: „Ihr habt die Macht, wir das Köpfchen.“
Jüdische Witze sind in Deutschland sehr beliebt. Das Wort hat im (osteuropäischen) Judentum eine überragende Bedeutung. Auch das Spiel mit dem Wort. Dazu gehört auch der jüdische Witz, der am facettenreichen Polierstein talmudischer Argumentation geschärft ist und sich oft einer dialektischen Akrobatik – des „Pilpul“ – bedient. Der Urquell des jüdischen Witzes entsprang in Osteuropa. Er handelt zumeist von Schnorrern und Luftmenschn, von heiratsvermittelnden Schadchen, Wunderrabbis und Schammes, den Synagogendienern, Pogromisten und natürlich vom jüdischen G‘‘tt. Mit Sigmund Freud ausgedrückt: Was der jüdische Witz zu sagen hat, erzählt er nicht bloß mit wenigen, sondern zu wenigen Worten.
Unterschied zwischen Judenwitz und jüdischem Witz
Nicht unausgesprochen soll sein, was Sigmund Freud in seiner grandiosen Studie „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten“ aus dem Jahre 1905 berichtet, wo er die Technik und Tendenzen des Witzes analysiert, eine wissenschaftliche Untersuchung, die auch noch in der Gegenwart als ein Schlüsselwerk der Psychoanalyse gilt. Freud unterscheidet hier zwischen „Judenwitz“ und „jüdischem Witz“. Der Judenwitz ist für ihn ein antijüdischer Witz, weil er klassische Vorurteile über die Juden bestätigt, etwa über ihre angebliche Geldgier, ihre vermeintliche Anatomie oder ihren unterstellten Hygiene-Defizit. Ein Beispiel: Frage: Warum haben Juden so große Nasen? Antwort: Weil Luft umsonst ist. Das ist kein jüdischer Witz, seine Funktion ist allein die Reproduktion eines antisemitischen Klischees. Ein anderer Judenwitz lautet: Ein Jude trifft einen anderen nach einem Jahr im Badehaus wieder und begrüßt ihn: „So schnell sieht man sich wieder“. Dieser Bad-Witz unterstellt den Juden mangelnde Sauberkeit, das genaue Gegenteil ihres traditionellen Verhaltens. Dagegen steht der echte wortspielerische jüdische Witz aus der Kategorie „Bad“: „Hast du genommen ein Bad“? – „Wieso?“ fragt der andere: „Fehlt eins?“ Der antisemitische Witz entspringt einem nie ganz erloschenen Vorurteil, der echte jüdische Witz ist ein ganz natürliches Nebenprodukt der Gesetzestreue: Judenwitz und jüdischer Witz stammen aus zwei verschiedenen Welten.
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