Aderlass bei den Grünen – Rücktritt des Vorstands ist nicht genug

Nachdem Ricarda Lang und Omid Nouripour zurückgetreten sind müssten auch Robert Habeck und Annalena Baerbock ihren Hut nehmen. 
© JOHN MACDOUGALLAFP

Wie erwartet und verdient, mussten die Grünen bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen enorme Stimmverluste hinnehmen und flogen sogar aus dem Brandenburger Landesparlament. Stellvertretend für das Versagen der grünen Bundesminister trat der Bundesvorstand zurück: Ricarda Lang und Omid Nouripour dienten sich als Bauernopfer an und nahmen ihren Hut. Auch die Führung der Jugendorganisation erklärte den Rücktritt. Doch die Spitze der grünen Prominenz, Deindustrialisierungsminister Robert Habeck und die Fehlbesetzung auf dem Außenministerposten, Hamas-Versteherin Annalena Baerbock kleben weiterhin unbeeindruckt, als wenn nichts gewesen wäre, an ihren Stühlen und ziehen unbelehrbar das Land weiter in den Abgrund. (JR)

Von Vincent Steinkohl

Der September 2024 dürfte für die Grünen ein Monat zum Vergessen gewesen sein. Er gipfelt Ende September im Rücktritt der Bundesspitze um Ricarda Lang und Omid Nouripour. Doch von vorn.

Im Juni holt die Partei bei den EU-Wahlen 11,9 Prozent. 2019 waren es noch 20,5 Prozent. Autsch. Doch viel Zeit bleibt nicht, Anfang September wird in den Freistaaten Sachsen und Thüringen – traditionell harte Pflaster für die als „Wessi-Partei“ empfundenen Grünen – gewählt. Das Ziel, in allen drei Ländern die Fünf-Prozent-Hürde zu erreichen und ins Parlament einzuziehen, wird verfehlt. Lediglich in Sachsen schaffen sie es mit Ach und Krach (5,1 Prozent) in den Landtag.

 

Cem Özdemir und die Realität

Während die Negativmeldungen nicht abreißen, ganze Landesspitzen die eigene Parteijugend verlassen und die Umfragewerte fröhlich weiter in den Keller rauschen, trägt einer der wichtigsten Grünen des Landes noch mehr Zwietracht ins eigene Haus: die Rede ist von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir.

In einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung beschreibt er überraschend direkt die „Segnungen“ der deutschen Migrationspolitik und deren Einfluss auf das Leben seiner Tochter. „Wenn sie in der Stadt unterwegs ist, kommt es häufiger vor, dass sie oder ihre Freundinnen von Männern mit Migrationshintergrund unangenehm begafft oder sexualisiert werden“, heißt es in dem Artikel. Zudem sei sie enttäuscht darüber, dass „nicht offensiver thematisiert wird, was dahintersteckt: die patriarchalen Strukturen und die Rolle der Frau in vielen islamisch geprägten Ländern“.

Özdemirs Beitrag erschien am 26. September – also einen Tag nach dem öffentlichen Rücktritt der Chefs Lang und Nouripour. Vielleicht hat der „anatolische Schwabe“ beim Schreiben schon gewusst, dass die Partei neue Gesichter – und bestenfalls auch neue Ideen – braucht, um sich aus dem Umfragetief zu ziehen und eine totale Blamage bei den Bundestagswahlen im kommenden Jahr abzuwenden.

Sollte er geplant haben, als fest im Sattel sitzender und langgedienter Parteisoldat mit einem gepfefferten Zeitungsartikel das Mutterschiff in eine andere Richtung lenken zu können, hat er anscheinend den Fundamentalismus und die radikale Unfähigkeit zur kritischen Selbstreflexion im eigenen Milieu unterschätzt. Am selben Tag, an dem die FAZ Özdemirs wenig kontroversen Beitrag veröffentlicht, kündigt der zehnköpfige Vorstand der Grünen Jugend seinen Rücktritt an. „Wir merken, dass unsere inhaltlichen, aber auch strategischen Vorstellungen von Politik immer weiter auseinander gehen – und glauben, dass es mittelfristig keine Mehrheiten in der Partei für eine klassenorientierte Politik gibt, die soziale Fragen in den Mittelpunkt rückt und Perspektiven für ein grundsätzlich anderes Wirtschaftssystem aufzeigt“, heißt es in dem Schreiben.

Die Grüne Jugend in der Opposition

Die zarten Hoffnungen der Realos um Özdemir, Habeck und andere ältere Semester auf eine spürbare Mäßigung der Parteijugend – sollten diese jemals gehegt worden sein – entpuppen sich als Luftschlösser. Die neuen Vorsitzenden der etwa 16.000 Mitglieder starken Jugendorganisation heißen nämlich Jette Nietzard und Jakob Blasel.

Auf der Website des Berliner Ablegers der Grünen Jugend wird Nietzard gefragt, was sie als Bürgermeisterin von Berlin tun würde. Zum einen will sie die Posten im Senat „divers“ verteilen und überall in der Stadt „Menstruationsprodukte sowie Verhütungsmittel kostenfrei an öffentlichen Orten abgeben“. Zum anderen würde sie nach eigener Aussage „gegen die Anweisung des BMI Geflüchtete nach Berlin holen“.

Ihr künftiger Kollege Jakob Blasel hat eine ganze Historie an abstrusen Forderungen. 2019 sagte er im öffentlich-rechtlichen Internetformat „Ozon“: „So liebenswürdig unsere Haustiere auch sind. Das ist ein ziemlicher Umwelt- und CO₂-Luxus, den wir uns da leisten. Wir brauchen sie eigentlich nicht. Deshalb sollte es verboten werden, Tiere unnötig zu züchten.“ 2020 sagte er gegenüber der Welt, es brauche „mehr radikale Klimaaktivistinnen im Parlament, sonst werden wir nicht genug bewegen“.

Diese offenkundige Unfähigkeit, die eigenen Positionen abzulegen oder zumindest abzuschwächen, ist ein wichtiger Grund dafür, dass die Umfragewerte der Partei weiter sinken. Aktuell stehen sie laut dem Meinungsforschungsinstitut Insa bundesweit bei zehn Prozent. Da geht noch viel weniger.

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