„Sechsunddreißig Seelen” - Ein Theatrum mundi in einem gottverlassenen Landstrich
Andreas H. Apelts neuer Roman erzählt von einem vergessenen Landstrich und seinen eigenwilligen Bewohnern. Trotzig und mit liebenswürdigem Starrsinn stemmen sich die kleinen Leute gegen das ihnen auferlegte Schicksal. Einer von ihnen ist der Jude Samuel Buchsstein, ein Kriegsveteran des 1. Weltkrieges, der fernab von Berlin unbehelligt durch die politischen Veränderungen der 1930er Jahre kommt. Auf der Suche nach einem geeigneten Ort, stößt er auf das Dorf Presenchen mit seinen einstmals 36 Seelen. Als gläubiger Jude sah er in der Zahl 36 ein Zeichen Gottes, wie es eine Legende im Talmud verhieß. Nach einer jüdischen Legende ruht das Schicksal der Welt in jeder Generation auf 36 Gerechten. Ihretwegen bewahrt Gott die Welt, auch wenn der Rest der Menschheit noch so verkommen ist. (JR)
Es muss Liebe sein, die den Autor versöhnt mit den Menschen und der Landschaft, einer dörflichen Ödnis an der Bruchkante eines alles verschlingenden Tagebaus. Ein spröder Menschenschlag, karg die Natur und durch den Willen des Menschen von einem „eisernen Drachen“ geschunden. Dunstiges Grau liegt auf der Geschichte und Wehmut auf dem Geschehen. Doch lichtet sich die Tristesse des Lebens durch berührende Herzenswärme und der Güte der Handelnden. Ihr Humor ist deftig und ehrlich; ein gerütteltes Maß an Bauernschläue und die lebendige, kräftig wirkende Erinnerung an Heimatliches leisten Widerstand gegen die Unbilden des Lebens.
Widerstand der kleinen Leute
Ort des Geschehens ist Drehna, mit dem stolzen Zunamen Fürstlich, ein vergessenes Dorf in der Niederlausitz. Akteure der Geschichte sind zumeist die Alten, die übriggebliebenen Bewohner des Dorfes. Die Jungen sind abgewandert, ihr Glück in der großen Welt suchend. Literarisch entfaltet sich für den Leser mit Fürstlich Drehna ein Mikrokosmos. Das Dorf wird zur Bühne des Lebens, auf der die Protagonisten in die Herausforderungen der Zeitläufe gestellt sind. Erzählt wird die Geschichte vom Widerstand der kleinen Leute, die ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen, von ihrer geistigen Welt, den Motiven von Zuversicht und Hoffnung.
Ein Heimatroman im dörflichen Milieu, mit Klatsch und Tratsch im Wirtshaus und viel Alkohol, mit obligatorischem Gottesdienst am Sonntag und der lauschigen Bank unter der alten Esche am Marktplatz. Flott geschrieben und vergnüglich gewürzt mit absonderlichen Geschichten von schrulligen Figuren, wie Urnenklau im Krematorium und Totengespräch im privaten Friedhof des eigenen Vorgartens. Hier wird in einem engen, überschaubaren Raum ein Theatrum mundi inszeniert, von dem man annehmen könnte, dass einer der 36, im Verborgenen wirkenden Gerechten, Gestalt annimmt. Nach einer jüdischen Legende ruht das Schicksal der Welt in jeder Generation auf 36 Gerechten. Ihretwegen bewahre Gott die Welt, auch wenn der Rest der Menschheit noch so verkommen wäre.
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