Olaf Scholz in der anmaßenden Rolle eines Moralapostels

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat es in einem Telefonat mit Benjamin Netanjahu für richtig befunden, den israelischen Ministerpräsidenten aufzufordern, ein Waffenstillstandsabkommen mit der Hamas zu treffen und, ganz anders als im Fall der Ukraine, auf Verhandlungen zu setzen. Dabei ist jedem, auch nur halbwegs objektivem Beobachter völlig klar, dass die Schlächter vom 7. Oktober und die sie anführenden iranischen Mord-Mullahs weder die Geiseln schonen noch Verhandlungen mit Israel wollen. Ein deutscher Kanzler, dessen Regierung, neben seiner Vorgängerin Angela Merkel, maßgeblich für den Import von Millionen muslimischer Judenfeinde in das Land verantwortlich ist, ist in jedem Falle, trotz vorgeheuchelter deutscher Staatsräson, kein Garant für die Sicherheit Israels und seiner Bürger. Insbesondere dann nicht, wenn der Kanzler sich anmaßt, Israel ein geradezu suizidales und unakzeptables Nachgeben gegenüber der Hamas zu suggerieren und nicht einmal in der Lage ist, für die freie Entfaltung jüdischen Lebens in seinem Lande zu sorgen. (JR)

Von Julian M. Plutz

Wenn deutsche Politiker den Zeigefinger erheben, dann wird es meistens moralisch. Natürlich nicht, was ihr eigenes Verhalten angeht, sonst wäre Olaf Scholz längst nicht mehr im Amt. Vielmehr geht es um andere Politiker anderer Länder. Oder etwas polemischer formuliert: Früher wollten deutsche Politiker die Welt beherrschen, heute wollen sie die Welt belehren.

Einer der Oberlehrer ist der Bundeskanzler. Dieser hat Israels Ministerpräsidenten Netanjahu aufgefordert, ein Waffenstillstandsabkommen mit der Hamas zu treffen. Wie ein Regierungssprecher Mitte August mitteilte, sagte Scholz bei einem Telefonat mit Netanjahu, der Zeitpunkt sei gekommen, das Abkommen zur Freilassung der Geiseln und einer Waffenruhe zu finalisieren. Viele militärische Ziele im Kampf gegen die Hamas seien erreicht, die zivilen Opferzahlen und das menschliche Leid im Gazastreifen gewaltig. Scholz habe zugleich erneut vor der Gefahr eines regionalen Flächenbrandes gewarnt. Die Spirale der Vergeltungsgewalt müsse durchbrochen werden.

Man kann diese Forderung als durchaus atemberaubend einstufen. Ein SPD-Politiker, der mutmaßlich ein Problem mit Korruption hat und sich, wenn es um das Thema Warburg, Cum-Ex und Cum-Cum geht, zuverlässig auf Gedächtnislücken beruft, hat allen Ernstes die Nerven, dem israelischen Ministerpräsidenten zu sagen, was er zu tun und zu lassen hat. Ein Kanzler, der, neben seiner Vorgängerin, maßgeblich für den Import von Millionen Judenfeinden in das Land verantwortlich ist, das auch Auschwitz-Birkenau zu verantworten hat.

 

„Staatsräson“ in der Form ist ungewöhnlich

„Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson”, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz im Oktober des vergangenen Jahres, nur wenige Tage nach dem Angriff der militant-islamischen Hamas auf Israel. Damit bezog sich Scholz unter anderem auf seine Vorgängerin Angela Merkel, die den Begriff Staatsräson ebenfalls wählte, als sie im März 2008 vor dem israelischen Parlament eine Rede hielt. Doch was bedeutet das?

Der Begriff Staatsräson stammt aus der politischen Philosophie und wurde vor allem durch den italienischen Philosophen Niccolò Machiavelli geprägt. “Staatsräson bedeutet, dass ein Staat genau das tun muss, was für seinen Erfolg und sein Überleben maßgeblich ist”, sagt Marietta Auer, geschäftsführende Direktorin am Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie gegenüber Tagesschau.de. Die nationalen Interessen eines Staates haben demnach Vorrang vor Werten oder anderen Interessen einzelner Bevölkerungsgruppen. “Was jeweils konkret als Staatsräson gelebt wird, ohne dass es so bezeichnet werden muss, ist für jeden Staat historisch gesehen unterschiedlich”, so Auer weiter. Damit sei mit Blick auf die deutsche Vergangenheit auch zu erklären, warum Politiker wie Scholz oder Merkel die Sicherheit Israels als Teil der deutschen Staatsräson bezeichneten.

Eigentlich ist es ungewöhnlich, das Überleben eines Staates für das Überleben des eigenen Staates abhängig zu machen. Doch was ungewöhnlich ist, muss nicht falsch sein. Das Problem an der Sache ist zweierlei. Erstens: Die Staatsräson, die Merkel und Scholz auslobten, ist de facto nicht umsetzbar. Würden sie das Wort ernst meinen, müsste Deutschland im Zweifel auch mit Soldaten, Panzern und Kampfjets Israel verteidigen. Das ist weder denkbar noch praktikabel. Deutschland überhebt sich bereits jetzt mit Waffenlieferungen in die Ukraine, einem Krieg, der von Tag zu Tag blutiger und von Tag zu Tag sinnloser wird. Streng genommen ist die deutsche Staatsräson gerade nicht in Jerusalem, sondern in Kiew.

 

Scholz macht „Täter-Opfer-Umkehr“

Zweitens ist es unwahrscheinlich, dass Israel auf die deutsche Bundeswehr überhaupt angewiesen ist. Ein Heer, das nicht in der Lage ist, auf digitale Funkgeräte umzusteigen, was inzwischen NATO-Standard ist und diese dann in Litauen bestellt hat, nachdem 1,3 Milliarden Euro Steuergeld für sinnlose Geräte ausgegeben wurden. Kaum zu glauben, dass Israels Verteidigungsminister Galant ernsthaft in Betracht ziehen würde, den Dienst der Bundeswehr in Anspruch zu nehmen. Diese deutsche Überheblichkeit ist Teil des moralinsauren Zeigefingers, der zwar klerikal, fast schon jakobinisch daherkommt, aber jeden Bezug zur Realität verloren hat. Deutschland kann Israel nicht helfen.

Was aber Deutschland und damit auch die SPD tun können: Hier im Land dafür zu sorgen, dass jüdisches Leben in Deutschland nicht weiter verunmöglicht wird. Das wäre weniger die israelische Staatsräson, die nichts weiter als ein Lippenbekenntnis ist, sondern eine „jüdische Staatsräson“. Deutschland ist wenig in der Lage, geopolitisch Akzente zu setzen, geschweige denn, sich durchzusetzen. Was Olaf Scholz aber tun kann, ist der genuinen Aufgabe des Staates, der inneren Sicherheit, nachzugehen, wenn das Land seiner Bevölkerung schon verwehrt, sich effektiv zu bewaffnen. Doch bis auf warme Worte und Floskeln aus Rhetorikkursen von der Friedrich-Ebert-Stiftung ist hier leider nichts zu erwarten.

Dafür präsentiert Scholz weiterhin eine klassische „Täter-Opfer-Umkehr“. In fast schon unanständig deutlicher Form haben Scholz und sein quasi-sozialdemokratischer französischer Kollege Macron die israelische Kriegsführung bei ihrem Treffen in Meseberg im Mai kritisiert. Nach einem Angriff im Mai, bei dem laut Mainstream-Medien „Dutzende Zivilisten ums Leben gekommen sind“, sagte Scholz, aus seiner Sicht gebe es „kein Szenario“ und „keine Variante“ für einen großen militärischen Angriff in Gaza, bei dem man unverantwortlich viele zivile Opfer vermeiden könnte. Scholz betonte, dass Israel selbstverständlich das Recht habe, sich zu verteidigen; außerdem müsse die Hamas die noch immer mehr als 100 Geiseln sofort freilassen. Trotzdem brauche es jetzt eine Perspektive für Frieden: „Es geht immer auch um Hoffnung – die Hoffnung, sich selbst regieren zu können.“

 

Es ist endlich Zeit, dass Scholz zurücktritt

Hierzu sind zwei Formulierungen interessant. Scholz übernimmt einfach die Pressemeldungen, es handle sich bei den Angriffen um „Zivilisten“, also Opfer der Militärgewalt. Doch das ist wohlfeil. Die Gazaner sind, die Kinder ausgenommen, ein Tätervolk. Wer Kasernen unter Kindergärten und privaten Wohnungen, in denen auch Babys wohnen, baut, ist kein Zivilist. Die Formulierung von Scholz ist nichts weiter als eine Relativierung und eine plumpe, aber offenkundig effektive Täter-Opfer-Umkehr. Bei vielen Deutschen wird diese Rhetorik fruchten. Sie kommen, dank des SPD-Politikers, zu dem Ergebnis, dass man beide Seiten verstehen müsse.

Wie oft habe ich bereits diese schrecklich unterkomplexen Zeilen gehört: „Ich finde es nicht gut, was die Hamas macht. Aber ich finde es auch falsch, wie Israel reagiert.“ Auf die Frage, wie denn Israel sonst reagieren sollte, folgt meist ein wenig aussagekräftiges, weil wenig substanzielles: „Verhandeln“. Doch mit wem? Mit den Schlächtern vom 7. Oktober? Mit dem Iran? Mit der Fatah? Natürlich ist auf dieser Basis, dass immer noch nicht alle Geiseln frei sind, keine Verhandlung möglich. Diese Position darf Israel niemals aufgeben und, wie es aussieht, wird Netanjahu das auch nicht tun. Egal, was Olaf Scholz so an mahnenden Worten im moralinsauren Gepäck dabei hat.

Der zweite rhetorische Kniff, der eine Herabwürdigung des Staates Israels darstellt, ist die Aussage, dass Israel „natürlich das Recht habe, sich zu verteidigen.“ Diese Worte würde Scholz niemals an andere Staaten richten. Denn für Scholz ist es, richtigerweise, für jedes andere Land selbstverständlich, sich zu verteidigen. Nur bei Israel muss er eine rhetorische Ausnahme machen und das Recht auf Selbstverteidigung extra betonen. Die Rhetorik von Olaf Scholz ist Teil einer minimalen, weil impliziten, aber vorhandenen Delegitimierung des Judenstaates. Das ist insofern, und gerade als Sozialdemokrat, unanständig, da zwar 90 Prozent der Ermordeten in Auschwitz-Birkenau Juden waren. 10 Prozent aber waren Sinti und Roma, Zeugen Jehovas, Homosexuelle und Sozialdemokraten. Scholz ist sich der Geschichte seiner eigenen Partei entweder nicht bewusst, oder er möchte sie umdeuten. Das eine ist tumb und das andere ist perfide. Es ist Zeit, dass der Kanzler endlich zurücktritt.

Sehr geehrte Leser!

Die alte Website unserer Zeitung mit allen alten Abos finden Sie hier:

alte Website der Zeitung.


Und hier können Sie:

unsere Zeitung abonnieren,
die aktuelle oder alte Ausgaben bestellen
sowie eine Probeausgabe bekommen

in der Druck- oder Onlineform

Unterstützen Sie die einzige unabhängige jüdische Zeitung in Deutschland mit Ihrer Spende!

Werbung


Alle Artikel
Diese Webseite verwendet Cookies, um bestimmte Funktionen zu ermöglichen und das Angebot zu verbessern. Indem Sie hier fortfahren, stimmen Sie der Nutzung von Cookies zu. Mehr dazu..
Verstanden