Dr. Dr. Rainer Zitelmann: Warum Antisemitismus und Antikapitalismus oft Hand in Hand gehen
Dr. Dr. Rainer Zitelmann
Der moderne antisemitische Stereotyp weist markante Differenzen zu dem des Frühchristentums und des Mittelalters auf. Religiöse Inhalte sind stark zurückgegangen, wogegen sich Aussagen zum wirtschaftlichen Handeln der Juden vervielfacht haben. Die „Feinde“ sind bei Antisemiten und Antikapitalisten oft die Gleichen, die sogenannten „Finanzjuden“. Für Antikapitalisten und Antisemiten sind Superreiche schuld an den Problemen dieser Welt und ziehen heimlich die Fäden. Dass der Antisemitismus wieder stärker wird, hat aber auch damit zu tun, dass der Islam, eingelassen und begünstigt durch die woke grün-linke Politik, weltweit an Boden gewinnt. An Universitäten und bei Demonstrationen bildet sich eine gemeinsame Front von Muslimen und Antikapitalisten, die der Hass auf Amerika und Israel eint. In diesem Interview erläutert der renommierte Historiker und Bestsellerautor Dr. Dr. Rainer Zitelmann, warum dies kein Zufall ist. (JR)
Der Antisemitismus ist ein jahrtausendealtes Phänomen, der Antikapitalismus entstand vor gut 200 Jahren. Wie können Antikapitalismus und Antisemitismus dann „Zwillingsbrüder“ sein, wie Sie kürzlich auf X/Twitter meinten?
Antisemitismus ist viel älter als der Antikapitalismus. Susan Gniechwitz weist in ihrer Dissertation „Antisemitismus im Lichte der modernen Vorurteilsforschung“ nach, dass der moderne antisemitische Stereotyp markante Differenzen zu dem des Frühchristentums und des Mittelalters aufweist. Sie schreibt, dass religiöse Inhalte stark zurückgegangen sind, wogegen sich Aussagen zum wirtschaftlichen Handeln der Juden vervielfacht haben. Diese Aussagen seien „so dominant, dass sie zum Zentrum des modernen Stereotyps aufgerückt sind“. Dies gilt jedenfalls für moderne, westliche säkularisierte Gesellschaften.
Es gab auch antisemitische Kapitalisten wie den Autohersteller Henry Ford. Widerspricht das nicht der „Seelenverwandtschaft“ zwischen Antisemitismus und Antikapitalismus, von der Sie sprechen?
Ford veröffentlichte in den 1920er Jahren antisemitische Texte. Er glaubte an die gefälschten „Protokolle der Weisen von Zion“. Später distanzierte er sich davon, wenn auch nur halbherzig. Hitler war enttäuscht und ließ Fords Namen, der in den ersten Auflagen von „Mein Kampf“ positiv erwähnt wurde, streichen. 1929 schrieb Hitler, „dass der heutige Ford doch nicht mehr ganz der Ford von einst ist. Denn der Ford von einst war ein Antisemit… der Ford von jetzt hingegen soll sich mit den Juden ausgesöhnt haben“. Allerdings war Hitlers Ärger nicht von Dauer, denn 1938 ließ er Ford einen Orden überreichen. Natürlich gab und gibt es auch antisemitische Unternehmer. Übrigens gibt es nicht wenige Unternehmer, die auch Antikapitalisten sind. Das ändert nichts daran, dass Antisemitismus und Antikapitalismus seit den Zeiten eines Eugen Dühring (1833 bis 1921), einem der führenden Antisemiten und Sozialisten, oft gemeinsam auftraten.
Sie können diesen Artikel vollständig in der gedruckten oder elektronischen Ausgabe der Zeitung «Jüdische Rundschau» lesen.
Vollversion des Artikels
Sehr geehrte Leserinnen und Leser!
Hier können Sie
die Zeitung abonnieren,
die aktuelle Ausgabe oder frühere Ausgaben kaufen
oder eine Probeausgabe der Zeitung bestellen,
in gedruckter oder elektronischer Form.
Sehr geehrte Leser!
Die alte Website unserer Zeitung mit allen alten Abos finden Sie hier:
alte Website der Zeitung.
Und hier können Sie:
unsere Zeitung abonnieren,
die aktuelle oder alte Ausgaben bestellen
sowie eine Probeausgabe bekommen
in der Druck- oder Onlineform
Werbung