Willkommen im Kalifat – ein dystopisches Gedankenexperiment

Dionisio Baixeras Verdaguer, 1885. Abd ar-Rahman III empfängt Mönch Juan Gorze, Botschafter des Kaisers Otho I.© MANUEL COHEN Manuel Cohen Manuel Cohen via AFP
2024 fordern in Deutschland nicht wenige Muslime und ihre Unterstützer die Errichtung eines Kalifats. Doch wie würde die Bundesrepublik unter der Herrschaft der Scharia aussehen? Thilo Schneider blickt in der Geschichte zurück, auf das Kalifat von Cordoba und zeichnet dann ein dystopisches Zukunftsszenario eines Europas unter islamischer Hegemonie. (JR)
Landauf landab und Land unter demonstrieren derzeit Muslime und Musliminnen und solche, die es wohl werden wollen, für die Errichtung eines Kalifats. Allerdings, wie sie auf Nachfrage armwedelnd erklären, im Nahen Osten. Da wo die Sonne laut lacht und das Öl aus dem Boden ebenso brodelt wie die Volksseele der ewig benachteiligten sogenannten „Palästinenser“. Angesprochen, warum sie dann hier für ein Kalifat im Nahen Osten und nicht im Nahen Osten für ein Kalifat im Nahen Osten demonstrieren, entgegnen die – nennen wir sie freundlich – „religiös sehr engagierten“ Freunde Allahs, das hier ein unbarmherziges Grundgesetz ihre Meinung zu unterdrücken versucht und ihnen außerdem die Ausübung ihrer schönen religiösen Sitte und Gebräuche verbieten will. Wie beispielsweise Schafe auf offener Straße schächten oder Juden jagen. Das eine hat zwar nichts mit dem anderen zu tun, aber mit Logik und Stringenz haben es die Demonstranten nicht so. Er ist eben noch jung, der Islam und hat seine Aufklärung noch vor sich. Wobei seine größten Denker entweder in den USA studieren oder an einem Baukran wegen Häresie hängen.
Welches Pronomen hat ein Kalif?
Wer ist das eigentlich, so ein Kalif? Fakt ist, er dürfte keine multigeschlechtliche Person mit dem Pronomen „xier“ oder „dey“ sein und auch keine Frau. Es gibt von „Kalif“ keine weibliche Form. Ich habe das geprüft. Als landläufiger Karl-May-Leser stellen wir uns einen älteren Typen mit Rauschebart und einem riesigen goldenen Turban vor, der auf einem Pfauenthron sitzt. Wenn er nicht gerade auf den Sofas seines nicht unerheblichen Harems sitzt und da die Schönsten der Schönen einen Bauchtanz für ihn und einige ausgesuchte Lakaien und Höflinge hinlegen, bevor sie das selbst tun.
Und dann gab es ja auch diesen Comic über den Wesir „Isnogud“, der Kalif an Stelle des Kalifen werden wollte – was aber nie funktionierte. Wie überhaupt Kalifate nie so wirklich funktionierten. Betrachtet man die europäische Geschichte, dann dürfte das spanische „Kalifat von Córdoba“ wohl das bekannteste Kalifat sein. Während des Krieges zwischen Umayyaden und Abbasiden gründete Abd-ar Rahman I. im Jahr 756 das „Emirat von Córdoba“, um den Abbasiden den Weg nach Spanien zu verlegen. Und da sind wir schon am ersten Punkt der Schwierigkeiten einer allumfassenden Kalifatgründung für alle Muslime: Während sich die Umayyaden als direkte Nachfolger Mohammeds verstanden, waren oder sind die Abbasiden die familiären Nachfolger des Onkels von Mohammed. Sie leben nach mehreren Jahrhunderten Vertreibung und Verfolgung heute übrigens hauptsächlich in „Palästina“. Sunniten sind beide, was sie wiederum in Opposition zu den Schiiten bringt. Wie wir aus der Geschichte und der Gegenwart wissen, können sich beide Glaubensrichtungen gegenseitig nicht ausstehen. Außer, wenn es gegen Israel geht. Familienangelegenheiten eben. Sie kennen das.
Zurück nach Córdoba: Nach einigem Widerstand und einigen Aufständen durch ungebührliche Iberer, hängengebliebene Römernachfahren, abtrünnige Schiiten und ungehaltene Sunniten konnte Abd-ar Rahman III. Spanien schließlich befrieden. Was ein anderer Ausdruck für „brachte alle um“ sein dürfte. Im Jahr 929 erklärte er sich schnell zum Kalifen, weil sich die schiitischen Fatimiden (noch so eine Stamm- und eine Glaubensrichtung, diesmal die „Nachfolger“ von Mohammeds Tochter Fatima) um ein Kalifat im Maghreb bemühten. Wer sich zuerst zum Kalifat ernennt, hatte gewonnen, ein Punktsieg für die Umayyaden war die Belohnung für die Eigenausrufung des „Kalifats von Córdoba“.
Machtkämpfe um die Herrschaft
Welchen Verlauf nahm das Kalifat? Zuerst einmal mussten die christlichen Nachbarfürstentümer und Minikönigreiche Kastilien, León, Navarra und Barcelona dem Kalifen Tribut zahlen, da sie den Umayyaden militärisch jämmerlich unterlegen waren. Kalif Abd-ar Rahman III. förderte Wirtschaft, Kultur, Kunst und Handel, sodass Córdoba um das Jahr 1000 fast 500.000 Einwohner hatte und somit drittgrößte islamische Stadt nach Konstantinopel und Bagdad war. Tatsächlich könnte man das Kalifat als damaliges „Leuchtfeuer des Euroislam“ bezeichnen. Der Sohn des Kalifen, der anstelle des Kalifen Kalif wurde, Al-Hakam II., gründete die Bibliothek von Córdoba mit 500.000 Büchern und zog sich, da er zum Lesen viel Zeit brauchte, aus dem Tagesgeschäft zurück und überließ sein Kalifat den Generälen und Wesiren. Also denen mit dem kleineren Turban. Sein minderjähriger Nachfolger Hischam II., verlor schließlich seine Macht an den Wesir Abi Amir al-Mansur, der bei dieser Gelegenheit Barcelona, Kastilien, Navarra und Santiago de Compostela gewaltsam eingemeindete. Solch ein Reich erforderte natürlich qualifizierte Facharbeiter wie beispielsweise Eunuchen. Diese wurden als Sklaven im sehr nahen Osten, also östlich der Elbe gekidnapped, nach Verdun geschleppt, dort kastriert und als willkommenes Exportgut an das Kalifat verkauft.
Im Jahre 1009 kam es endlich zu Aufständen und der Nachfolger al-Mansurs wurde gestürzt. Berber eroberten das arabische Córdoba und plünderten es freudestrahlend aus. In der Folge durften abwechselnd Araber, Berber, tatsächlich auch Sklaventruppen Córdoba erobern, die dann jeweils entweder ihren eigenen Kalifen einsetzten – wer eben gerade in der Stadt war – oder sich mit kleineren Kalifaten als Subunternehmer in den Provinzen selbständig machten. Von 1009 bis 1031 ging das so. Revolten, Gegenrevolten, Gegengegenrevolten lösten sich in Córdoba in munterer Reihenfolge ab. Jeder durfte mal und hätte es damals schon Hamas, Hisbollah und die Fatah gegeben, dann hätten die sich eben gegenseitig abgemurkst.
Unterdessen lief, fast unbemerkt und ganz langsam, die spanische „Reconquista“, die „Rückeroberung“ des christlichen Spanien. Profitierten deren Akteure anfangs noch von den Wirren rund um Córdoba, indem sie sich strategisch eher zweitrangige Gebiete (den sogenannten „Verwüstungsgürtel“, eine Art Pufferzone zwischen Muslimen und Christen) aneigneten, so wurde die Ausbreitung der christlichen Fürsten nach der Eroberung von Barbastro (1064) und Toledo (1085) für das Kalifat oder den, der gerade Kalif war, existenzbedrohend. 1086 riefen die spanisch-arabischen Muslime schließlich die nordafrikanischen Berberstämme der Almoraviden zur Hilfe, die prompt einen Dschihad zur Verteidigung Spaniens ausriefen und als Gegenleistung für diese Hilfe gleich wieder einen der ihren als Kalifen einsetzten. Mit einigem Hin- und Her dauerte die Reconquista bis 1492, bis das letzte muslimische Heer von seinen durchlauchtigsten katholischen Hoheiten, König Ferdinand II. und Isabella I. besiegt wurde und somit die muslimische Herrschaft in Spanien beendeten. Die beiden Hoheiten verfügten übrigens in einem ersten Erlass, dass alle Juden, die nicht bis zur Jahresmitte zum Christentum konvertiert wären, aus den Landen vertrieben würden. Da hatten es die Juden unter dem Kalifat wesentlich besser gehabt und mussten „nur“ den Zakkat – nach dem Koran die Sondersteuer für Nichtmuslime, aber Buchgläubige – in nicht zu knapper Form entrichten.
Deutsches Kalifat – laut gedacht
Aber wir reden hier auch über das Mittelalter und die frühe Neuzeit, in dem der Islam im Vergleich zum Christentum mit „Heiden“ noch etwas entspannter als heute umging. Und für Juden waren die Zeiten schon immer hart. Nur unter dem Kalifat von Cordoba weniger hart als unter den doch so nächstenliebenden spanischen Katholiken. Aber seitdem hat sich ja in der Zwischenzeit etwas getan: Der Islam und seine unterschiedlichen Glaubensrichtungen sind heute augenscheinlich weit weniger entspannt als vor 800 bis 500 Jahren. Das hat, vor allem seit der zweiten Hälfte des 20sten Jahrhunderts auch und viel mit der Existenz Israels und dem Neid einiger seiner intellektuell doch eher basisorientierten Nachbarn zu tun. Um es vorsichtig ausdrücken. Aber spielen wir das „Kalifat Deutschland“ doch einmal durch:
Nach Einführung des „Migrantenwahlrechts“ 2025, dass es jedem seit sechs Monaten hier lebenden Migranten erlaubte, den Bundestag mit zu wählen (speziell Grüne und SPD erhofften sich unter dem gemeinsamen Motto „Deine Stimme für Deine Demokratie“ hier Wählerzuwächse) und der Gründung der „IDU“, der „Islamisch-Deutschen-Union“ im gleichen Jahr, holte diese aus dem Stand bei den Bundestagswahlen 2030 etwa 15% aller Stimmen. 2035, nach dem Verbot der AfD, erreichte die IDU bereits rund 25% aller Stimmen und ging, sehr zum Ärger von SPD und Grünen, gemeinsam mit der CDU das sogenannte „ökumenische Bündnis“ ein. Nach dem Rücktritt von Bundeskanzler Spahn, der nach dem Anschlag auf den Kölner Dom ohne Abstimmung mit seinem Koalitionspartner die Ditib-Zentralmoschee in Köln durchsuchen ließ, kam es zuerst in Köln, dann in den Städten des Ruhrgebiets und letztlich in Berlin zu tumultartigen Aufständen der islamischen Bevölkerung. Die Polizei, mittlerweile selbst gut zur Hälfte mit Beamten mit islamischem Religionshintergrund besetzt, verhielt sich neutral oder griff auf Seiten der islamischen Aktivisten am „Tag des heiligen Zorns“ ein.
Während den etwa eine Woche lang andauernden Aufständen gelang es den Aufständischen unter tatkräftiger Mithilfe von einigen IDU-Abgeordneten, den Reichstag während einer „Aktuellen Stunde“ zu stürmen und es kam zu einem Blutbad unter den Abgeordneten der anderen Parteien. Die IDU erklärte das Grundgesetz für „faktisch außer Kraft“ und rief am Reichstag das „Kalifat Deutschland“ aus. Zum Kalifen und damit zum weltlichen und geistigen Oberhaupt Deutschlands, wurde Housseini Abd-El Farraq, der Imam der Yaviz-Sultan-Selim-Moschee Mannheim ausgerufen. Die Folgen dieses Staatsstreichs waren dramatisch: Kailf Farraq verbot sämtliche politische Parteien bis auf die IDU, in einer konzertierten Aktion wurden bis hinunter auf Kommunalebene missliebige Politiker verhaftet und meist noch auf offener Straße erschlagen, wenn sie sich nicht rechtzeitig absetzen konnten. Auch wurden in den ersten Tagen einige Kirchen und Synagogen abgefackelt, bis der ZDJ und die christlichen Kirchen das „Gemeinschaftsabkommen“ unterzeichneten, das ihnen gegen Zahlung einer Sondersteuer und dem Versprechen, die Hoheit des Islam anzuerkennen, gestattete, ihre Gottesdienste weiter abzuhalten. Sicher, für die jüdische Gemeinden in Berlin, Stuttgart und Frankfurt kam das Abkommen fast zu spät: Viele von ihnen waren kurz nach der Ausrufung des Kalifats unter „Intifada Alemanya“-Rufen während der November-Unruhen gelyncht worden.
Bürgerkrieg und Flucht
Fluchtmöglichkeiten hab es wenige: Flüge nach Israel wurden sofort ausgesetzt, die sich im Bürgerkrieg befindlichen Franzosen und Österreicher, auf die die Unruhen übergegriffen hatten, befanden sich in einem handfesten Bürgerkrieg, in Polen hatten die Russen die Gunst der Stunde genutzt und waren dort einmarschiert, die Schweiz hatte unter Hinweis auf ihre Neutralität die Grenzen abgeriegelt und Ungarn, Rumänen und Bulgaren waren damit beschäftigt, Griechenland nach dem Einmarsch türkischer Truppen gegen die überlegene türkische Armee zu verteidigen. Dänemark, Belgien und die Niederlande hatten ihre Grenzen längst geschlossen und machten ihrerseits Jagd auf Muslime, die zu Hunderttausenden ins deutsche Kalifat flüchteten. Viele Deutsche, Juden, Christen und Atheisten machten sich in kleinen Booten über die Ostsee nach Schweden auf, aber was auf einer Landkarte nach kurzen Wegen aussah, entpuppte sich in der Realität als Todesfalle, durchseucht von russischen Kriegsschiffen und der Marine des Kalifats, die überraschend einträchtig handelten. Die Boote, die den Marinen entkamen, schafften es meist aufgrund der Seeverhältnisse nicht, die rettende schwedische Küste zu erreichen.
Aus der Europäischen Union wurde in der Folgezeit die „UEIS“, die „Union der europäischen islamischen Staaten“, der schließlich Deutschland, Frankreich, Italien, Irland und England, aber auch die Türkei nach ihren jeweiligen Revolutionen beitraten. Besonders charmant reagierte der Emir von Rom, der kurzerhand eine fünf Meter hohe Mauer mit Stacheldraht um Vatikanstadt ziehen ließ, die nur einen einzigen Checkpoint hatte. Etwa 2040 waren, bis auf das erzkatholische Spanien, die Länder Westeuropas befriedet und unter der Fahne des Kalifats vereint.
Die Muslime hatten Europa ziemlich fair aufgeteilt: Westlich des Rheins herrschten schiitische Emire, östlich des Rheins, im Kalifat Deutschland, waren die Sunniten am Drücker, um Streitereien wie einst in Cordoba zu vermeiden. Es gab nach einigem Hin- und Her ein paar Vertreibungen in beide Richtungen, insgesamt aber liefen die internen muslimischen religiösen Säuberungen im Vergleich zu den Tagen nach der Ausrufung des Kalifats friedlich ab.
Juden und Christen zahlten als „Buchgläubige“ im Kalifat eine Sondersteuer, Atheisten dafür aber das Doppelte, was viele veranlasste, zum Islam zu konvertieren. Die Scharia hatte das Grundgesetz komplett ersetzt, was das „Kalifat Deutschland“ zugleich sicher und unsicher machte. So ging die offizielle Zahl der Diebstähle dramatisch zurück, die Auswirkungen der islamischen Gesetzgebung konnte man an vermehrt auftretenden Personen erkennen, die nur eine Hand hatten.
Leben unter der Scharia
Auch die Zahl der angezeigten und verurteilten Vergewaltigungen nahm rapide ab, was allerdings auch an der Vorschrift, dass eine Vergewaltigung durch mindestens vier Männer bezeugt werden musste, gelegen haben könnte.
Dafür nahm die Anzahl anderer Delikte nach der Einführung des „Gesetzes zur Festigung der Moral“ zu: Homosexualität wurde zuerst mit Gefängnisstrafen – und, nachdem die islamische Justiz festgestellt hatte, dass es jetzt in den Gefängnissen „hoch her“ ging, schließlich mit der Todesstrafe geahndet. Im öffentlichen Raum herrschte strikte Geschlechtertrennung und Kopftuchpflicht für Frauen. Für alle Frauen, nicht nur für Musliminnen. Auch wurde ein öffentliches Alkoholverbot eingeführt, sportliche Veranstaltungen größtenteils verboten. Die Bundesliga und ihre Vereine wurden als „unislamisch“ aufgelöst, Frauensportvereine sowieso. Musik mit Musikinstrumenten war zu begrenzten Zeiten gestattet, wenn die Playlist vorher dem örtlichen Imam vorgelegt wurde. Selbstverständlich waren derartige Veranstaltungen streng überwacht und ebenfalls nach Geschlechtern getrennt. Nicht nur im Großen und Ganzen hielten sich Clubbetreiber daran, nachdem ein paar sich für clever gehalten habende subversive Konzertveranstalter noch an Ort und Stelle auf offener Straße geköpft wurden.
Man sah so gut wie keine Frauen mehr im Straßenbild und wenn, dann nur tief verschleiert. Die moderne Technik machte es möglich, Einkäufe direkt zu bestellen und per Drohne liefern zu lassen. Trotzdem wollte das Kalifat – in einer Mischung aus Nostalgie und Tradition – zumindest in den Städten nicht auf sogenannte „Sittenwächter“ verzichten, die mit Hundepeitschen Bürger des Kalifats auf mögliche Vergehen sehr aufmerksam machten.
Auch Kultur und Bildung änderten sich dramatisch: Jede auf Deutsch publizierende Zeitung musste ihre Auflage gleichzeitig auf türkisch oder arabisch (die Publizisten hatten die Wahl!) verlegen, um auch des Deutschen Unmächtigen die Möglichkeit zur Zensur zu geben, eine Maßnahme, die die deutsche Presselandschaft dramatisch ausdünnte. Ein Verleger, der dem „Gesetz zur islamischen Presse“ zuwider handelte, erlangte unfreiwillige Prominenz durch eine öffentliche Auspeitschung am Alsterufer in Hamburg. Beliebt hingegen waren Sendungen wie „Deutschland sucht den Harem“, in der beispielsweise Leni Klum aus Hunderten junger Frauen die zehn Schönsten alljährlich dem Harem des Kalifen zuführte. Die einzige Sendung im offiziellen Staatsfernsehen, in denen Teilnehmerinnen noch offenes Haar zeigen durften. Zwei Bedingungen mussten erfüllt sein; Die Bewerberinnen waren Muslima und noch Jungfrau. Daher waren die Aspirantinnen selten älter als Zwanzig.
Soziale und kulturelle Umbrüche
Arabisch wurde als erste Fremdsprache an Gymnasien eingeführt, in die Fächer Deutsch und Geschichte flossen islamische Inhalte und offener Antisemitismus ein. Aber auch logische Fächer wie Mathematik blieben nicht von religiösem Einfluss verschont („Berechnen Sie das Verhältnis verstorbener Juden am „Tag des Zorns“ 2023 zur Gesamtbevölkerung Israels. Berechnen Sie das gleiche Verhältnis in Bezug auf die bestialischen Morde der IDF an der friedliebenden Bevölkerung des Gaza-Streifens.“). Islamische Lehre war für und in jedem Studium jetzt Pflicht- und Prüfungsfach.
Nach der Vertreibung der Muslime aus den sich zunehmend isolationistisch verhaltenden USA kam es durch die Zuwanderung von etwa drei Millionen Flüchtlingen ins Kalifat zu einer sozialen Krise, als Juden und Christen zwangsenteignet wurden, um Platz zu schaffen. Einem Teil der Enteigneten wurde es unter sanftem Druck gestattet, dafür in die USA auszuwandern, selbstverständlich unter Zurücklassung ihrer Vermögenswerte.
Außenpolitisch suchte das Kalifat den Schulterschluss mit China und den nahöstlichen Staaten, insbesondere den Arabischen Emiraten, die sich allerdings, ebenso wie der Iran, weigerten, das deutsche Kalifat anzuerkennen. Zu einem ernsten Zwischenfall kam es 2038, als die Kalifatsmarine sich an der europäischen Mission „Pfeile des Islam“, einer Seeblockade Israels, beteiligte und die Fregatte „Sultan Mehmed II“ von einem israelischen U-Boot versenkt wurde. Der darauf folgende Raketenangriff auf Haifa konnte durch den israelischen „Iron Dome“ vollständig abgefangen werden.
Die Wirtschaftsleistung sank unter dem Kalifat rapide. Nach dem zweiten „islamischen Sozialgesetzbuch“ gab es Kranken- und Rentenversicherung nur noch für Muslime, doch konnten die Sozialversicherungsträger trotz umfangreicher Enteignungen und dem Ausverkauf der deutschen Automobilindustrie an China und die Arabischen Emirate den Bedarf an Finanzmitteln zu keiner Zeit decken. Die Folge waren einerseits Obdachlosigkeit und öffentliche Bettelei, andererseits flüchteten viele Nichtmuslime daher in die Selbständigkeit mit teilweise dubiosen und obskuren Kleingewerben und die Schwarzarbeit blühte wie die Wüste nach einem Regenguss.
Das Kalifat als „dysfunktional“ zu beschreiben, griffe allerdings zu kurz: Auch Afghanistan und Pakistan funktionierten einigermaßen, wenngleich auf sehr niedrigem wirtschaftlichem Niveau. Das Ende des Kalifats kam trotzdem nach der Invasion amerikanischer Truppen (wegen der Sprengung des Kapitols 2055 durch europäische Extremisten) in der Gascogne und in Cornwall relativ schnell und es erstaunt nicht, dass nach der Entislamisierung im Kalifat bemerkenswert viele Ex-Muslime Christen und Juden in ihren Kellern und Dachböden versteckt hatten. Die Demokratisierung, allerdings in Form einer Art Reconquista, begann somit ab 2055 erneut.
Thilo Schneider, Jahrgang 1966, freier Autor und Kabarettist im Nebenberuf, LKR-Mitglied seit 2021, FDP-Flüchtling und Gewinner diverser Poetry-Slams, lebt, liebt und leidet in der Nähe von Aschaffenburg.
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