Franz Kafka – Eine Erinnerung zum 100. Todestag

„Franz-Kafka-Kopf” in Prag. 42 bewegliche Ebenen der elf Meter hohen Skulptur formen das Gesicht des bekannten Schriftstellers Franz Kafka.© MICHAL CIZEK/AFP

Das Geheimnis des jüdisch-tschechischen und wohl wirkungsmächtigsten Schriftstellers des 20. Jahrhunderts zu enträtseln, daran haben sich ganze Generationen von Sprachwissenschaftlern, Judaisten oder Historikern versucht. Franz Kafkas künstlerische Individualität speist sich aus ihrer besonderen Stellung zwischen jüdischem Mythos und europäischer Moderne und wird begünstigt durch die Universalität seiner damals dem österreichischen Kaiserreich zugehörigen Prager Heimat. (JR)

Von Theodor Joseph

„Ich bin Ende oder Anfang“, sagte Franz Kafka einmal über sich. Ein Satz so geheimnisvoll wie er schrieb: kryptisch, vielsagend, tiefgründig, mehrdeutig. Kafkas Literatur bildet einen Raum, in dem Phantasie und Realität nicht mehr zu trennen sind. Das Geheimnis des wohl wirkungsmächtigsten Schriftstellers des 20. Jahrhunderts zu enträtseln, daran haben sich ganze Generationen von Sprachwissenschaftler, Judaisten oder Historiker versucht. Seine künstlerische Individualität speist sich aus ihrer besonderen Stellung zwischen jüdischem Mythos und europäischer Moderne als Besitz eines sich vor dem Vater fürchtenden ewigen Sohns, der sich tatsächlich am Anfang und am Ende aller Überlieferungen stehen sieht. Das galt auch für sein Judentum, an das er sich gefesselt fühlte. Seinem Freund Max Brod gestand er, auf das Verhältnis von Juden zu ihrem Judentum anspielend: „Weg vom Judentum wollten die meisten, die deutsch zu schreiben anfingen, aber mit den Hinterbeinchen klebten sie noch am Judentum des Vaters und mit den Vorderbeinchen fanden sie keinen neuen Boden“.

 

Kafkas Religiosität

An seinem Judentum „klebte“ Kafka freilich nicht von Anfang an: Seine religiösen Aktivitäten beschränkten sich auf die drei großen Feiertage des jüdischen Festkalenders – Rosh ha-Shana, Pessach und Jom Kippur -, die von den „Dreitagejuden“ nicht immer mit letzter Konsequenz ernstgenommen wurden. In seiner Jugend absolvierte Kafka die Synagogenbesuche, so schreibt er, eher lustlos und gelangweilt und ohne das Bewusstsein, an einem heiligen Akt teilzuhaben, in einer Art Halbschlaf. Die Stunden des G‘‘ttesdienstes „durchgähnte und durchduselte“ er - so gelangweilt hatte er sich später nur noch in der Tanzstunde - ohne sich wirklich innerlich zugehörig zu fühlen. Es war der Angst geschuldet, er könne zur Aliyah, der öffentlichen Lesung der Thora, aufgerufen werden, was ihn, so erinnert er sich, in den Momenten des Dämmerns wachgehalten habe. Seine Bar-Mizwah im Jahre 1896, die der Vater der assimilatorischen Sitte gemäß als „Confirmation“ angekündigt hatte, bedeutete dem Dreizehnjährigen nichts als ein „lächerliches Auswendiglernen“. Mit einer abschätzigen Bemerkung blickte er zurück: „Ich suchte mich möglichst an den paar kleinen Abwechslungen zu freuen, die es dort gab, etwa wenn die Bundeslade aufgemacht wurde, was mich immer an die Schießbuden erinnerte, wo auch, wenn man in ein Schwarzes traf, eine Kastentür sich aufmachte, nur dass dort aber immer etwas Interessantes herauskam und hier nur immer wieder die alten Puppen ohne Köpfe.“ Indes blieb die Synagoge für Kafka ein heiliger Ort, an dem Spuren der Säkularisierung durchschimmerten.

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