Maaßen: „Die Bundesregierung delegitimiert sich selbst“

Hans-Georg Maaßen, ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. © © FOTO: FISCHER

Dr. Hans-Georg Maaßen war 2012 bis 2018 Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, bevor er von Angela Merkel entlassen wurde, weil er ihren, seitens des Verfassungsschutzes nicht zu verifizierenden, Behauptungen von „Hetzjagden“ in Chemnitz im August 2018 in korrekter Ausübung seines Amtes pflichtgemäß widersprach (siehe JR 10/23). Im Februar 2024 gründete er mit etwa 4400 Mitgliedern die „WerteUnion“ als Partei des Erhalts der bürgerlichen und konservativen Werte dieses Landes, das gegenwärtig von links-grüner und woker Politik mit Cancle Culture und der Vernunft-verlassenen Förderung überwiegend islamischer Rechtsverachtung und islamischen Juden-Hasses ins wirtschaftliche und politische Abseits manövriert wird. Die Jüdische Rundschau traf Herrn Dr. Maaßen zum Interview. (JR)

Von Collin McMahon

Warum haben Sie die Hoffnung aufgegeben, die CDU zu reformieren, Herr Dr. Maaßen?

Leider steht die aktuelle CDU nicht für die dringend nötige Politikwende. Sie geriert sich derzeit als Opposition im Sozialismus, nicht gegen jenen Sozialismus, wie wir ihn in so vielen Lebensbereichen erleben müssen. Zugleich grenzt die Parteiführung innerparteiliche Gegner aus, ja verfolgt sie sogar. Sie zeigt keinerlei Bereitschaft, Brücken zu bauen, sondern errichtet stattdessen lieber Brandmauern und beschneidet so den politischen Diskurs.

BlackRock Investment war weltweit federführend bei der Einführung sogenannter „ESG“ (Environmental, Social, and Governance) Standards, die sich oft auch gegen Israel richten. Wie sehen Sie die Verbindung zwischen Friedrich Merz und BlackRock in Bezug auf die CDU?

Ich sehe BlackRock und andere Institutionen der Finanzindustrie kritisch. Diese Firmen wollen nicht nur Geld verdienen, sondern sie vertreten zugleich eine politische Ideologie und wollen über das Geld Macht ausüben und die Welt verändern. Sie haben bewusst über ihre Finanzmacht politischen Einfluss genommen auf deutsche Unternehmen und meinen offenbar auch, sich in ganze Regierungen einkaufen zu können. Nur so ist zu verstehen, dass so viele Vertreter der Finanzindustrie in politische Funktionen gegangen sind, nicht nur in Deutschland. Friedrich Merz sehe ich als Interessenvertreter von BlackRock.

Sie haben die CDU als „Premiumpartner“ für die WerteUnion bezeichnet. Es folgte ein Shitstorm im Internet, Ökonom Markus Krall nannte das süffisant „Sex mit der Ex“ und hat der WerteUnion den Rücken gekehrt, vermutlich weil er seine marktliberalen Ideen gefährdet sah. Wie haben Sie das erlebt? Sehen Sie eine Chance, diese Wogen zu glätten?

Hier gilt: Wir reden mit allen und wir kooperieren mit allen, die unsere Ziele einer Politikwende unterstützen. Das sehe ich derzeit bei CDU/CSU nicht. Deshalb haben wir uns von diesen Parteien getrennt. Wenn ich von „Premiumpartner“, sprach, dann sagte ich es auch nur unter der Bedingung, dass es zu der derzeit nicht absehbaren Kursveränderung in der Union kommt. Dies entspricht auch der Entscheidung der Mitgliederversammlung der WerteUnion vom 20. Januar. Dort haben wir erklärt, dass wir unter den Voraussetzungen einer grundlegenden Kursveränderung in CDU und CSU weiterhin zu Gesprächen bereit sind.

Wenn Sie sich zwischen zwei Türen entscheiden müssten: Wird die WerteUnion wirtschaftlich eher „marktlibertär“ oder „sozialpatriotisch“?

Wir stehen für die soziale Marktwirtschaft. Wir sehen, dass unsere soziale Marktwirtschaft durch eine ökosozialistische Planwirtschaft, die mit Klimazielen begründet wird, abgelöst werden soll. Wie halten ein soziales Netz für notwendig, damit die Menschen aufgefangen werden, wenn sie stürzen. Wir sind freiheitlich, aber nicht libertär in dem Sinne. Wir wollen den Staat nicht abschaffen und sind auch nicht gegen Sozialleistungen des Staates, sondern für eine Reform des sozialen Netzes. Ein soziales Netz ist notwendig für gleiche Chancen und für ein friedliches Zusammenleben aller. Wir wollen allerdings auch den an der Liberté ausgerichteten Menschen eine politische Heimat geben.

Sie haben die Parteigründung auf einem Schiff auf dem Rhein abgehalten, begleitet von Wasserpolizei und Polizei am Ufer. Es gab Warnungen vor der Antifa. Ist das jetzt normal geworden bei uns?

Ja, das scheint mir leider normal geworden zu sein. Normal ist auch, dass eine Partei wie wir kaum Chancen hat, in Hotels oder in öffentlichen Veranstaltungsgebäuden Räume zu mieten, weil man dort Angst davor hat, von den linken Medien in der Öffentlichkeit angeprangert zu werden. Der Staat, der verpflichtet ist, allen Bürgern und allen Parteien die gleichen Rechte zu gewähren, weigert sich, Bürgern, die nicht auf linker Regierungslinie sind, diese Rechte zu gewährleisten.

Ein Schiff zu chartern wirkt wie der geniale Schachzug eines versierten Sicherheitsexperten. Wie prägt Ihr Hintergrund als Verfassungsschützer ihre Parteiarbeit? Muss man heute dabei denken wie ein Geheimdienstler?

Es ist immer gut, wenn man aus unterschiedlichen Bereichen Berufs- und Lebenserfahrung mitbringt. Und es ist nicht schädlich, wenn man einmal Geheimdienstler war.

Donald Trump und seine Mitarbeiter sind seit 2016 massiven geheimdienstlichen Angriffen ausgesetzt gewesen. Der Nationale Sicherheitsberater General Mike Flynn wurde vom FBI abgehört, nach vier Tagen im Amt in eine Meineidsfalle gelockt und fast eingesperrt. Alle deutschen Medien wiederholten 2017 die absurden Russland-Vorwürfe des „Steele-Dossiers“ der Clinton-Kampagne. Wenn Trump jetzt wiedergewählt wird, haben er und Flynn eine grundsätzliche Reform des US-Geheimdienstapparats angekündigt. Sehen Sie dafür auch in Deutschland eine Notwendigkeit?

Ich halte es für notwendig, dass die Arbeit, der deutschen Geheimdienste auf den Prüfstand gestellt wird. Der Bundesnachrichtendienst ist aus vielerlei Gründen, nicht zuletzt aufgrund des mangelnden politischen Willens der Bundesregierung, daran gehindert, eine wirksame Aufklärungsarbeit im Ausland in unserem Interesse zu leisten. Der Verfassungsschutz hat sich zu einem Regierungsschutz entwickelt, der Kritikern der Regierung politisch nachstellt, die aus seiner Sicht Regierungspolitiker kritisieren und, wie er meint, damit „delegitimieren“. Damit ist der Verfassungsschutz zu einer Gefahr für die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger geworden.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz observiert nun seinen Ex-Chef aufgrund Regierungskritik. Wie gehen Sie damit um?

Dadurch macht sich die Bundesregierung jeden Tag ein Stück unglaubwürdiger. Es ist schade, dass sich die Regierung selber delegitimiert.

Wie haben Sie Thomas Haldenwang beim Bundesamt für Verfassungsschutz in Erinnerung? Wie schätzen Sie ihn heute ein?

Ich habe mit Thomas Haldenwang etliche Jahre zusammengearbeitet. Es ist bedauerlich, dass er sich so entwickelt hat.

Was muss getan werden, um eine politische Instrumentalisierung der Sicherheitsdienste in Zukunft zu verhindern?

Zum einen muss sichergestellt werden, dass der Verfassungsschutz nicht mehr als Regierungsschutz missbraucht werden kann. Es muss deshalb eine Unabhängigkeit von Bundesregierung und von der Regierungsmehrheit im Parlament sichergestellt werden.

Die „Jüdische Rundschau“ berichtete über die EU-Finanzierung für Muslimbruder-nahe NGOs. Deutsche Politikerinnen wie Aydan Özoguz, Sawsan Chebli oder Ferda Ataman haben Verbindungen zu Gruppen aus dem Umfeld der Muslimbrüder. Sehen Sie die Gefahr einer Unterwanderung der Bundesregierung durch den politischen Islam?

Ich habe bereits vor vielen Jahren als Verfassungsschutzpräsident vor der Gefahr der Unterwanderung der Parteien durch ausländische Extremisten und durch Interessenvertreter ausländischer Staaten gewarnt. Meine Warnungen sind leider nicht ernst genommen worden, sind aber heute nicht weniger aktuell.

Als Verfassungsschutzchef haben Sie den Islamischen Staat bekämpft. Was war die größte Herausforderung, was der größte Erfolg? Wie ist es heute um den militanten Islam bestellt?

Die größte Herausforderung während meiner Zeit als Verfassungsschutzpräsident waren operative islamistische Kader, die der IS beziehungsweise andere Gruppen als Asylsuchende getarnt, nach Deutschland geschickt hatten. Weit mehr als 20 dieser operativen Terroristen, die mit Anschlagsaufträgen zu uns kamen, konnten identifiziert und festgenommen werden. Eine weitere große Herausforderung waren die islamistischen Einzeltäter, die sich über das Internet radikalisierten und Anschläge planten. Diese Leute, die wir oftmals nicht kannten, zu identifizieren, war eine große Herausforderung.

Auch das konservative Lager reagiert gespalten auf das bestialische Hamas-Massaker vom 7.10. und die israelische Reaktion darauf. Der ehemalige US-Botschafter David Friedman hat klargemacht, dass nur eine bedingungslose Unterstützung eines starken Israels Frieden bringt, Schwäche dagegen Krieg bedeutet. Wie steht die WerteUnion zum Verteidigungsrecht Israels? 

Die WerteUnion steht zum Verteidigungsrecht Israels. Es ist der einzige demokratische, rechtstaatliche Staat in der Region, der unsere Werte teilt. Deshalb muss Israel von uns unterstützt werden. Ich hatte vor Jahren schon gefordert, dass man über eine NATO-Mitgliedschaft von Israel nachdenken sollte.

Waren Sie schon mal in Israel? Wen würden Sie dort treffen wollen?

Ich war oft in Israel. Und würde gerne wieder meine früheren Kollegen von Shabak und Mossad treffen.

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