Berliner Kulturverwaltung setzt kürzlich beschlossene Antidiskriminierungsklausel gegen Juden wieder aus
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Joe Chialo: Antisemitismus in der Kunst ist immer wieder ein Streitthema.© JOHN MACDOUGALL/AFP
Erst im Dezember wurde für den Berliner Kulturbetrieb aus vielfach gegebenem Anlass eine sogenannte „Antidiskriminierungsklausel“ eingeführt, um Antisemitismus vorzubeugen. Damit war die Vergabe von Fördermitteln an ein Bekenntnis gegen Antisemitismus gekoppelt. Der Senat hat diese Klausel wegen vermeintlicher „rechtlicher Unsicherheit“ allerdings nun wieder aufgehoben. Zuvor hatten Teile der vorwiegend grün und links orientierten Kulturszene die Klausel heftig kritisiert, da sie die Kunstfreiheit dadurch eingeschränkt sahen. Das Einknicken des CDU-Senators vor Juden- und Israel-Hassern ist eine Enttäuschung für die bürgerliche Mitte und bezeichnend für die heuchlerische Alibi-Politik hierzulande. Jedenfalls wird die Judenfeindlichkeit, wenn sie von linker oder islamischer Seite kommt, in Berlin offensichtlich selbst von der CDU nicht wirklich bekämpft. So jedenfalls sollte der von den etablierten Parteien behauptete Kampf gegen Antisemitismus ganz sicher nicht aussehen. (JR)
Die im Dezember von der Berliner Kulturverwaltung eingeführte Antidiskriminierungsklausel bei Fördermitteln wurde bereits wieder verworfen - zumindest vorerst. An der Klausel gebe es juristische Bedenken, teilte die Verwaltung von Kultursenator Joe Chialo (CDU) mit. Am Ziel der Verwirklichung einer “diskriminierungsfreien Kultur” halte er dennoch fest.
Anfang Januar machte die Kulturverwaltung des Bundes publik, zukünftig Empfänger von öffentlichen Fördergeldern mittels einer Klausel unter anderem zum Bekenntnis gegen Antisemitismus zu verpflichten. Als Grundlage dafür sollte die Antisemitismus-Definition der International Holocaust Rememberance Alliance (IHRA) dienen, welche durch die Bundesregierung um einige weitere Punkte ergänzt wurde. Kultursenator Chialo wollte damit nach eigener Aussage verhindern, dass mit öffentlichen Mitteln "rassistische, antisemitische, queerfeindliche oder anderweitig ausgrenzende Ausdrucksweisen" gefördert werden. Laut Angaben der Kulturverwaltung war die Klausel am 21. Dezember letzten Jahres in Kraft getreten.
Teile der Kulturszene und die politische Opposition hatten die Klausel und das Vorgehen des Kultursenators heftig kritisiert. Sie schränke die Kunstfreiheit ein und sei eine Form der Gesinnungsschnüffelei.
„Beschränkung der Kunstfreiheit“
Kultursenator Chialo möchte sich nach eigener Aussage weiter für Diskriminierungsprävention in der Berliner Kulturlandschaft engagieren. "Ich werde mich weiter für die diskriminierungsfreie Entwicklung der Berliner Kultur einsetzen", sagte er, "ich muss aber auch die juristischen und kritischen Stimmen ernst nehmen, die in der eingeführten Klausel eine Beschränkung der Kunstfreiheit sahen".
Joe Chialo betonte, die politische Debatte um diskriminierungsfreie Räume sei zurzeit nötiger, denn je. Er wolle daher den Diskurs fördern und setze hierbei auf eine überparteiliche Zusammenarbeit.
Die kulturpolitische Sprecherin der Links-Fraktion, Manuela Schmidt, sagte im Berliner Abgeordnetenhaus, sie sehe damit den Weg für einen Dialog geebnet, in dem erschlossen werden müsse, wie die Gesellschaft gegen Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung vorgehen können, ohne die Kunstfreiheit dabei zu beschneiden.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte die Antisemitismus-Klausel für Kulturförderung begrüßt. "Die Klausel der Senatsverwaltung für Kultur Berlin zur Antidiskriminierung bei Fördergeldern setzt neue Maßstäbe und reagiert damit auch auf die Erfahrungen der letzten Jahre", sagte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, in einer Pressemitteilung.
Konsequenzen bei antisemitischen Darstellungen
"Gerade antisemitische Darstellungen in der Kunst wurden viel zu wenig erkannt, benannt und kritisiert", so Schuster weiter. Handfeste Konsequenzen nach antisemitischen Skandalen seien meist ausgeblieben. Berlin würde durch die Antidiskriminierungsklausel seinem Vorbildcharakter als wichtigster deutscher Kunst- und Kulturstandort gerecht werden. Mit öffentlichen Geldern dürften keinesfalls Darstellungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit oder Ausgrenzung gefördert werden.
Zuletzt wurden im Sommer 2023 Antisemitismus-Vorwürfe gegen das Künstlerkollektiv "Ruangrupa" publik, das während der renommierten "documenta fifteen" laut Abschlussbericht eines Expertengremiums vier Werke vorgestellt hatte, die auf "antisemitische visuelle Codes verwiesen oder Aussagen transportierten, die als antisemitisch interpretiert werden können beziehungsweise interpretiert werden müssen."
Die "documenta fifteen" gilt als weltweit bedeutendste Reihe von Ausstellungen für zeitgenössische Kunst und wird jährlich mit 3,5 Millionen Euro Steuergeldern durch die Kulturstiftung des Bundes gefördert.
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