„Wer durch Feuer“ - Leonard Cohen als musikalischer Truppenbetreuer im Jom Kippur-Krieg 1973
Als am Jom Kippur am 6. Oktober 1973 der großartige jüdisch-kanadische Sänger und Dichter Leonhard Cohen die Nachricht vom Überfall der Ägypter auf israelische Stellungen erhält, nimmt er die nächste EL AL-Maschine nach Tel Aviv, streift sich ein khakifarbenes Hemd über und meldet sich bei der israelischen Armee dienstbereit. Als ambulanter Truppenbetreuer während des kompletten Jom-Kippur-Kriegs 1973 gibt er bis zu acht Konzerte täglich vor den Zahal-Truppen, teilweise sogar während der Gefechte. Das der Jom-Kippur-Liturgie entlehnte berühmte Lied „Who by Fire“ liefert ein beredtes Zeugnis von Leonard Cohens vom Herzen kommenden jüdischen Engagement. Mit der jetzt, dem Lied-Titel entlehnten, vorliegenden Publikation „Wer durch Feuer“ hat der in Jerusalem lebende Journalist Matti Friedman eine ebenso fesselnde wie anspruchsvolle, tiefschürfende Biografie herausgebracht, die zugleich dem Protagonisten Leonard Cohen ein würdiges Denkmal setzt. (JR)
Im Spätsommer 1973 weilt Leonard Cohen wieder einmal in Griechenland. In seinem Haus auf Hydra im Sargonischen Golf will er die Hohen Feiertage verbringen. Er wird hier kaum den Gottesdienst besucht haben, denn auf Hydra gibt es keine Synagoge. Ob er am Jom Kippur an diesem 6. Oktober 1973, der im Übrigen auf einen Schabbat fiel, das Fastengebot befolgt hat, wissen wir nicht, vermuten aber: Er hat.
Jedenfalls erhält er an diesem Tag irgendwie die Nachricht, dass ägyptische Truppen den Suezkanal überquert, die israelischen Stellungen am Ostufer des Kanals überrannt haben und weit in den Sinai vorgestoßen sind. Der sogenannte Jom Kippur-Krieg hat begonnen, Israel ist in Gefahr und Leonard Cohen alarmiert.
Er zögert nicht lange, packt rasch ein paar Sachen zusammen, besteigt das Ferry-Boat nach Piräus, nimmt in Athen die nächste EL AL-Maschine nach Tel Aviv, streift sich ein khakifarbenes Hemd über und meldet sich bei der israelischen Armee dienstbereit. Er hatte sich ohne Plan spontan ins Flugzeug gesetzt in der Absicht, die ägyptischen Kugeln aufzuhalten. Er habe, so sagte er später, „als Jude den Juden“ helfen wollen. Ihm lag das Überleben des jüdischen Volkes am Herzen, er wolle, betonte er, bei jeder Krise, die Israel betrifft, dort sein wollen: „Ich wollte kämpfen und sterben“, schreibt er nach seiner Rückkehr auf Hydra.
Sieben Jahre nachdem er gegen den Vietnamkrieg auf der Bühne gestanden hatte, zieht es den Dichter also unversehens selbst an die Front: Als ambulanter Truppenbetreuer während des kompletten Jom-Kippur-Kriegs 1973 gibt er bis zu acht Konzerte täglich vor den Zahal-Truppen, teilweise sogar während der Gefechte. Ein Foto zeigt ihn im offenen Hemd unter israelischen Soldaten, gleich neben General Ariel Sharon.
In dieser Zeit tourt Cohen wiederholt in der ganzen Welt, tritt immer wieder in Israel auf. Er hat sich mehrfach für eine friedliche israelisch-„palästinensische“ Koexistenz ausgesprochen. Zu Israel hatte Leonard Cohen eine besondere Beziehung, es war eine tiefe emotionale, vielleicht auch religiöse Bindung, die ihn beherrschte und es ist interessant, dass er in Europa anders auftrat als in Israel.
Der jüdische „Pop-Priester“
2009 bei einem Konzert nahe Tel Aviv, sprach er, der Abkomme Aarons, am Ende über die Zuschauer den Priestersegen „Birkat Cohanim“, den hebräischen Segensspruch „Baruch ata adonaj, elojenu melech ha-olam“ und das Publikum antwortete mit „Amen“. Das alles passt zu seinem Namen „Cohen“. Vor einem jüdischen Publikum sah er sich als ein traditioneller Cohanim, als eine Art Pop-Priester.
Cohen ist, als er sich auf den Weg in das bedrohte Israel macht, 39 Jahre alt, von Depressionen geplagt und denkt darüber nach, seine Musikerkarriere zu beenden. Über seine musikalische Truppenbetreuung 1973 ist bislang wenig bekannt. Mit der jetzt vorliegenden Publikation hat der kanadische in Jerusalem lebende Journalist Matti Friedman eine ebenso fesselnde wie anspruchsvolle, tiefschürfende Lektüre herausgebracht, die zugleich dem Protagonisten Leonard Cohen ein würdiges Denkmal setzt. Friedmann stützt sich dabei auf Cohens bisher unveröffentlichte Texte und Originalberichte, die der Songwriter und Poet über den Herbst 1973, der zugleich eine kreative Lebenskrise des Künstlers markiert, verfasst hat. Cohen wollte sich zu diesem Zeitpunkt aus dem Musikgeschäft zurückziehen, einfach nur „die Klappe halten“. Er reiste nicht als Künstler nach Israel. Er suchte nach dem, was er einen „vertikalen Anfall“ nannte, eine Offenbarung wie sie die Israeliten vor langer Zeit am Sinai erlebt hatten.
Die Konzerttournee in den Jom-Kippur-Tagen des Jahres 1973 während des gleichnamigen arabisch-israelischen Krieges war eines der großartigsten, sicher aber eine der seltsamsten in Leonard Cohens Musikerleben. Seine Musik funktionierte vor den Soldaten. Auf dem Schlachtfeld Sinai nannte er sich „Field Commander Cohen“. Es gibt von seinen damaligen Konzerten auf dem Sinai kaum einen Mitschnitt, der ein Live-Album hätte hervorbringen können, kein Filmmaterial, seine Auftritte sind auch nicht in den israelischen Militärarchiven dokumentiert. Und doch lebt die Cohen‘sche Tournee als Untergrundgeschichte weiter, in den mündlichen Erzählungen derjenigen Soldaten, die dabei waren, in Fotos, die die Soldaten knipsten. In hunderten von Notizbüchern, die sich in einem Büro in Los Angeles fanden zwischen den Zeilen einiger großer Songs. Matti Friedmann konnte all dies mit großem Spürsinn zusammentragen.
Cohen hat einen Bericht über die Wochen im Herbst 1973 hinterlassen. Es handelt sich um ein Manuskript von fünfundvierzig Schreibmaschinenseiten, das sich in einer Kiste in der Bibliothek der McMaster University in Hamilton, nahe bei Toronto, fand – und vergessen wurde. Darin verborgen die Geschichte, die Matti Friedman nacherzählt.
Cohen hatte bis zu jenem Herbst 1973 bereits viele Konzerte gegeben. Doch die Sinai-Konzerte waren anders: Die Verbindung zwischen dem Musiker und der Landschaft zum Beispiel waren einzigartig. Cohen, der in einer Synagoge in Montreal aufgewachsen und von der Sprache der hebräischen Bibel geprägt worden war, verschmolz gewissermaßen mit der wüsten Gegend um dem Berg Sinai, wo Gott sich dem Volke des Moses geoffenbart hatte. Das war der Ort, den Cohen einmal seine „mythische Heimat“ genannt hatte. Bei den Konzerten ging es einzig und allein darum, Kunst zu übermitteln – und zu trösten. Kein Geld wechselte den Besitzer. Niemand verkaufte Eintrittskarten oder Schallplatten. Friedman schreibt: „Auf den Fotos wirkt der Sänger entrückt und das Publikum aufmerksam. Das ist nicht Woodstock. Es ist kein Ausgehabend. Alle sind nüchtern. Es steht viel auf dem Spiel. Etwas Bedeutendes geschieht“. Besser lässt sich dieses Ereignis nicht ausdrücken.
Auf jüdischen Wegen
Geboren wurde Leonard Cohen am 21. September 1934 in Montreal. Sein Urgroßvater Lazarus Cohen war Lehrer an der örtlichen Jeschiwa im litauischen Vilkaviskis. 1860 wanderte er nach Kanada aus, war als Unternehmer erfolgreich und wurde Präsident der jüdischen Gemeinde Shaar HaShomayim, der größten in Montreal. Sein Sohn Lyon Cohen, Leonards Großvater, der als Textilkaufmann und Versicherungsmakler erfolgreich war, folgte ihm in das Amt des Synagogenvorstands. Dessen Sohn Nathan, ein Ingenieur, übernahm das große Textilkaufhaus. Nathan Cohen starb, als Leonard neun Jahre alt war. Seine musisch interessierte Mutter Masha war die Tochter des aus Russland eingewanderten Talmudgelehrten Rabbi Solomon Klonitsky-Kline.
Leonard Cohen wuchs in einem ausgesprochen jüdischen Milieu auf, bewegte sich zeitlebens auf jüdischen Wegen - als Mensch und als Künstler. Er bekannte, Religion sei ihm das „liebste Hobby“. Rabbi Mordecai Finley sagte einmal über Leonard Cohen: „Er könnte ein großer Lehrer des Judentums sein. Wenn er einen anderen Weg eingeschlagen und Rabbiner geworden wäre, dann hätte es in seiner Macht gestanden, zu einem der größten unserer Generation zu werden“. Cohen begann als Schriftsteller und er blieb es – bis zuletzt.
1973 war Cohen – mittlerweile ein erfolgreicher Musiker – nach Israel gereist. Er dachte zunächst ernsthaft daran, sich dort in einem Kibbuz nützlich zu machen. Doch israelische Künstler überzeugten ihn davon, dass er dem Land als Sänger von größerem Nutzen sein würde.
In Israel angekommen wurde Cohen und weitere Musiker in den Sinai gefahren. Nachdem sie in der Nähe der Front angekommen waren, erhielten Cohen und die anderen Musiker Schlafsäcke. Er schlief auf dem Boden und aß Kampfrationen wie jeder andere auch. Sie hatten einen kleinen Verstärker, den sie an die Batterie eines Panzers oder LKW anschließen konnten. Manchmal traten sie als Gruppe auf, manchmal jeder für sich.
Matti Friedman hat seinem Bericht den passenden Titel gegeben – „Who by Fire“: Wie bei vielen seinen Texten, bediente sich Leonard Cohen religiöser und liturgischer Vorlagen. „Who by Fire“ ist sozusagen ein säkularisiertes Gebet aus der Neujahrs- und Jom-Kippur-Liturgie „Unetaje Tokev K’duschath haJom“. Der Song „Who by Fire“ ist eine sehr poetische und metaphorische Reflexion über das Unvermeidliche - den Tod. Die Legende sagt, der Text sei von einem Rabbi komponiert. Der Originaltext geht auf Rabbi Ammon zurück, der im Mainz des 11. Jahrhunderts dazu gezwungen werden sollte zum Christentum zu konvertieren. Ammon bat sich drei Tage Bedenkzeit aus und weigerte sich dann, dem Befehl nachzukommen. Daraufhin wurde er grausam gefoltert. Mit letzter Kraft bat er seine Schüler, ihn in die Synagoge zu bringen, wo er dieses Gebet rezitierte. Ein alter Text, immer wieder aktuell. Während des ganzen Jahres und für alle Menschen. „Wer durch Feuer/Wer durch Wasser/Wer in der Sonne/Wer in der Nacht/Wer als Strafe Gottes/Wer durch irdisches Gericht/Wer in den Wonnen des Mai/Wer durch Siechtum/Und wer - wer entscheidet das?“
Cohens „Who by Fire“ ist eine Meditation über Schicksal und Sterblichkeit. Der Text stellt die Frage, wer von verschiedenen Formen der Zerstörung - Feuer, Wasser oder Verfall - betroffen sein wird und wer sie überleben wird. Das Lied spricht auch die Idee an, dass niemand seine Zukunft kennt, da der Sänger wiederholt fragt: „Who shall I say is calling?“ Es geht um die Zerbrechlichkeit des Lebens und die Natur unkontrollierbarer Kräfte, die uns in jedem Moment mitreißen können. Letztlich spiegelt der Song die Ungewissheit des Lebens wider und dient als kraftvolle Erinnerung daran, unsere Zeit hier zu schätzen. Das Gebet und der Song reflektieren die Unvorhersehbarkeit und Unvermeidlichkeit des Todes und die verschiedenen Weisen, wie er kommen kann.
Mit dem Tod konfrontiert
Cohen war mit diesem Gebet vertraut, da er mit der mosaischen Religion aufgewachsen war. Er hat also ein bestimmtes Segment aus dem Gebet genommen und modernisierte es als Bürger des 20. Jahrhunderts. Oder eine andere Sichtweise auf Leonard Cohens Interpretation ist, dass am Ende des Tages niemand wirklich weiß, wie es weitergehen wird. Und es ist interessant, noch einmal festzustellen, dass seine Besuche an der Front eines echten Krieges ihn gewissermaßen angespornt haben. Das Lied schrieb er unter dem Eindruck des Jom Kippur Krieges während der Kampfhandlungen in der Wüste Sinai, der ihn sehr beschäftigte und ihm seine jüdische Herkunft wieder präsent werden ließ.
Cohen war bewusst, dass er im Sinai vor einem soldatischen Publikum sang, das mit dem Tod konfrontiert war. Ihm war bewusst, dass seine Songs das Letzte sein könnten, was die Soldaten hören würden, und er sang in dem Bedürfnis, seine Zuhörer schützen zu wollen. Er wollten den israelischen Soldaten das Gefühl geben, dass er sie versteht, dass er mit ihnen ist – und das haben sie auch so empfunden. „Who by Fire“ wurde offiziell am 11. August 1974 veröffentlicht.
Im Jom Kippur-Krieg entstand auch ein weiterer Song, den er während der Kampfhandlungen auf einer Luftwaffenbasis in der Wüste Sinai für die Soldaten beider Seiten schrieb: „Lover, lover, lover“. Der Song handelt von einem inneren Konflikt und der Suche nach Erlösung und Vergebung. Es geht um die Sehnsucht nach Liebe, Wiederherstellung und einer zweiten Chance. Der Text drückt den Wunsch nach einem Neuanfang und einer Befreiung von vergangenen Fehlern aus. Es geht um die Suche nach einer spirituellen Verbindung und dem Weg zurück zu sich selbst. Der Song endet mit einem Aufruf zur Stärke und Überwindung der inneren Dämonen. Der Sänger fleht darum, von vorne anfangen zu dürfen. Er möchte ein gerechtes Gesicht und einen ruhigen Geist haben. Ein zutiefst jüdisches Thema.
In Cohens Manuskript vom Oktober 1973 äußert er sich so: „Wir sangen überall dort, wo Männer versammelt waren, manchmal in Hallen für Hunderte, oder neben Flakgeschützen für zehn oder zwanzig Personen. Manchmal gab es Licht, manchmal leuchteten sie uns mit Taschenlampen an. Wir haben gesungen, wo immer wir gefragt wurden. An meinen Fingerspitzen bildeten sich Schwielen. Hier und da wurde mir suggeriert, ich sei nützlich. Männer wurden getötet. Ich begann, unsere Shows mit einem neuen Lied zu beenden. Der Refrain war Lover lover lover lover lover lover lover lover come back to me. Ich sagte mir: Vielleicht kann ich mit diesem Lied ein paar Leute beschützen. Ich würde es noch lange weitersingen.“
Vielseitige Begabung
Einmal beteuerte er: „Ich habe mich meiner jüdischen Herkunft nie geschämt, und in jeder Krise Israels werde ich da sein. Ich habe mich dem Überleben des jüdischen Volkes verschrieben“. Dafür hatte er sich einer gegen den Staat Israel gerichteten Boykott-Bewegung zu erwehren. Über sein Jüdischsein sagte er einmal, dass er eine sehr „messianische Kindheit“ gehabt habe.
Der kanadische Singer-Songwriter Leonard Cohen war weit mehr als ein Musikkomponierender, -spielender und singender Künstler. Er verfügte auch über eine ausgeprägte und vielseitige Begabung als Zeichner. Er war, so charakterisiert ihn sein Sohn Adam Cohen, bei allen künstlerischen und das Leben betreffenden Strategien, die er in seinem über 80 Jahre währenden reichen und komplizierten Leben angewendet hat, unbeirrt seinen Weg als ambitionierter Schriftsteller gegangen. Kurz: Für Leonard Cohen war Schreiben sein einziger Trost, sein wahrhafter Lebenszweck. Nie versiegendes Schreiben war das Feuer, das er entzündete, das er hegte, war die Flamme, die er schürte. Das Aufregende in einem in Flammen stehenden Gedanken war es, das ihn lebenslang antrieb. All das Gesagte spiegelt sich in seinem posthum erschienen, editorisch ebenso sorgfältig wie schön gestalteten Buch „Die Flamme“ mit seinen eigenen Illustrationen wider - eine liebevolle, fast zärtliche Hommage an einen großartigen Künstler.
Cohens Texte sind persönlich-intim, tiefgründig und geprägt von einer Jüdischkeit, die sein Leben und Werk bestimmt haben. „Ich schaue, Hand am Herzen/Unsere Flagge an/Hoffentlich gewinnen sie/Die Kriege, die wir so gerne starten“.
Mit seinem letzten Album „You Want It Darker“, drei Wochen vor seinem Tod erschienen, schuf Leonard Cohen ein dunkel glänzendes Spätwerk, sein musikalisches Testament, Lieder zum endgültigen Abschied – sein persönliches Kaddisch. Als Begleitsänger trat der orthodoxe Synagogenchor „Shaar HaShomayim“ auf. In dieser Montrealer Synagoge saß Leonard Cohen jeden Schabbes und an jedem Feiertag auf einem nummerierten Platz. Leonard Cohen war ein praktizierender Jude, der auch die Tefillin anlegte und den Talmud studierte.
Es kann eigentlich keinen Zweifel geben, dass der Song auch Cohens Versuch ist, sich dem Thema der Shoah zu nähern – „a million candles burning for the help that never came“. Das ewige Ringen jüdischer Theologie, nach der Shoah trotzdem noch an HaSchem zu glauben, wird durch Wut und Vorwürfe aufgelöst. Cohen besingt hier den Heil verheißenden und zugleich Heilung verweigernden jüdischen Gott. Auf dem Frankfurter Flughafen vermerkte er am 19. Februar 2001 in sein Notizbuch 15-40: „Ich möchte beten/fünf Mal am Tag/und das tue ich/Ich möchte leben/ als lebte G-tt/durch mich an dich/und das tue ich“.
Bereit zu gehen
In einem großen Portrait im „New Yorker“ zeigte sich Cohen kurz vor Veröffentlichung des Albums „You Want It Darker“ als äußerst bereit zu gehen. Die göttliche Stimme, die ihn sonst immer ermahne, dass er gerade wieder einmal alles vermassele, munterte ihn jetzt nur auf, noch die letzten Dinge zu erledigen. Nach diesen Worten über seinen scheinbar nahenden Tod sagte er wenig später, dass er mindestens 120 Jahre alt werden möchte, wie von Gott in der Thorah vorgesehen.
Er war also für den letzten Weg vorbereitet, als er auf seinem letzten Album – zum Teil aufgenommen in der Montrealer Synagoge „Shaar Haschomayim“ - das hebräische „Hineni, hineni“ haucht – „I am ready, my Lord!“. Das kann niemanden kalt lassen. „Magnified, sanctified be thy holy name”, singt er auf „You Want It Darker“. Es sind die ersten Worte des Kaddisch, des jüdischen Trauer- und Totengebets, das kein Wort über Verlust verliert, sondern nur die Herrlichkeit Gottes preist. Jissgadal wejisskadasch, schmeh raboh: verherrlicht und geheiligt werde Sein großer Name in der Welt, die Er erschaffen nach Seinem Willen.
Am 7. November 2016 starb der Songpoet Leonard Cohen in Los Angeles. Er wurde noch am gleichen Tag, wie es jüdischer Tradition entspricht, auf dem jüdischen Friedhof seiner Geburtsstadt Montreal, Shaar Hashomayim Congregation Cemetery, beigesetzt bevor sein Tod in der Welt bekannt wurde. Jedoch ist Leonard Cohen nicht 2016, sondern als Eliezer ben Nathan - unter diesem Namen wurde er immer zur Thora gerufen - am 6. Tag des Monats Cheschwan nach dem mosaischen Kalender des Jahres 5777 von der Welt gegangen. Er wurde als Jude geboren und ist im Alter von 82 als Jude gestorben.
Matti Friedmann: Wer durch Feuer. Krieg am Jom Kippur und die Wiedergeburt Leonard Cohens, Hentrich & Hentrich Verlag Berlin/Leipzig 2023, 198 S., 22 Euro.
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