Der chronische Antisemitismus der Documenta
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Die Grünen) hat den Antisemitismus in der Kunstszene offensichtlich nicht im Griff. © JOHN MACDOUGALL/AFP
Statt mit Kunst und avantgardistischen Akzenten Schlagzeilen zu machen oder die Künstler für eine Solidaritätsaktion für Israel zu gewinnen, fällt die Documenta ein wiederholtes Mal in kurzer Folge mit massivem Antisemitismus auf. Ausgerechnet in der Findungskommission, die die künstlerische Leitung der kommenden documenta 16 auswählt, saß ein BDS-Unterstützer. Der indische Israel-Hasser, Schriftsteller und Kunstkritiker Ranjit Hoskoté ist nach jetzt aufgekommener Kritik an seiner Gesinnung aus der Kommission ausgetreten. Daraufhin erklärte das gesamte Gremium seinen Rücktritt. (JR)
Die Krise um die Documenta reißt nicht ab. Nachdem die gesamte Findungskommission der Ausstellungsreihe zurückgetreten ist, ist unklar, ob und wie die nächste Veranstaltung im Jahre 2027 in Kassel überhaupt stattfindet. Die Stellungnahme auf der Homepage der Veranstalter liest sich schmallippig.
„Unter dem Eindruck der Terrorattacken der Hamas am 7. Oktober 2023 und dem zunehmenden Antisemitismus in Deutschland sowie den polarisierten Debatten darüber ist der Arbeitsprozess der Findungskommission für die Künstlerische Leitung der Documenta 16 in den vergangenen Wochen immer mehr unter Druck geraten“, heißt es. So wurden nach den Rücktritten "intensive Gespräche" über mögliche Konsequenzen geführt. "Erwogen wurde seitens der Geschäftsführung daher die Aussetzung des Findungsprozesses aufgrund der besonderen Weltlage nach dem Terrorangriff der Hamas in Israel", schreibt das Kuratorium weiter.
Es ist ein bemerkenswerter Vorgang. Am 7. Oktober töteten islamische Aktivisten so viele Juden, wie seit der Shoah nicht mehr. Währenddessen verfängt sich die Documenta in kleinteiligen Peinlichkeiten, was selbst den Grünen – jenseits von Claudia Roth – aufgefallen ist. So warnte die grüne Kunstministerin aus Hessen, Angela Dorn, vor einem "wachsenden intellektuellen Antisemitismus". Dieser stellt den Terror der Hamas als legitime Antwort auf die Politik Israels dar. Es dürfe nicht sein, dass Juden in aller Welt jeden Tag um ihr Leben fürchten müssten. Die letzte Aussage ist zwar korrekt, aber inwieweit es „intellektuell“ ist, eine tumbe Täter-Opfer-Umkehr zu zelebrieren, weiß nur Frau Dorn allein.
Keine Distanzierung, nirgends
Immerhin sprach sich die Ministerin für eine gründliche Aufarbeitung aus. „Der Schatten der Documenta 15 darf nicht auf der Documenta 16 liegen", sagte sie. Doch der Schaden ist längst angerichtet. Spätestens im Jahr 2022 überschritten Künstler, Kuratoren und am Ende des Tages auch die Kulturstaatsministerin rote Linien, als antijüdische Ressentiments als Kunst verkauft wurden.
Man darf es nicht vergessen und sollte es immer wieder betonen: Bevor sich die Politikerin gestenreich und viel zu spät, dafür umso pathetischer von der Documenta 15 distanzierte, lobte sie die Ausstellung über den sprichwörtlichen grünen Klee, noch bevor die Veranstaltung für das Publikum zugelassen war.
Zurück in die Gegenwart. Als im November der Druck auf den Kulturtheoretiker Ranjit Hoskoté zu groß wurde, trat dieser aus der Findungskommission für die Documenta 16 aus. Hätte man sich nicht denken können, dass Fragen aus der Medienlandschaft aufkommen, wenn ein Mitglied der Kommission einmal eine BDS-Petition unterschrieben hat? Gerade wenn es um die skandalträchtige Documenta geht?
Der Geschäftsführer der Documenta, Andreas Hoffmann, hat dafür wenig Verständnis. Laut Hessischer/Niedersächsischer Allgemeine (HNA) berichtete die Süddeutsche Zeitung, dass sie versuchte, Ranjit Hoskoté zu einer Distanzierung zu bewegen, was dieser ablehnte.
Ein BDS-Freund in der ehemaligen Findungskommission
In einem Interview für die HNA schilderte Hoffmann seine Sicht der Dinge: „Als wir von der Journalistin der 'Süddeutschen' dazu befragt worden sind, war uns weder das Statement noch die Unterzeichnung bekannt. Wir haben dann Kontakt zu Ranjit Hoskoté aufgenommen und um seine Position gebeten. Er hat sich daraufhin klar grundsätzlich von Antisemitismus und den Zielen der BDS-Bewegung distanziert. Er hat die Terrorakte der Hamas vom 7. Oktober verurteilt. Für uns war dann sehr naheliegend, dass wir die Nachfrage stellen, ob wir es richtig verstehen, dass er sich von den antisemitischen Passagen des 2019er-Statements distanziert“, so der Geschäftsführer.
Es ist wie immer. Nachdem ein judenfeindlicher Skandal enthüllt ist, wird sich fleißig distanziert. Während viele die Methodik des billigen Zurückruderns längst durchschaut haben, flüchtet sich Hoffmann in Allgemeinplätze und gibt den überraschten Geschäftsführer: „Es muss klar sein, dass antisemitische Positionen, Äußerungen, Werke keine Rolle spielen auf der Documenta. Das war auch allen Mitgliedern der Findungskommission klar, mit denen intensiv darüber gesprochen wurde, während z.B. der Letter Against Apartheid gemeinsam gelesen wurde. Von daher waren wir auch überrascht über Ranjit Hoskotés Unterzeichnung der Petition.“
Kann man angesichts der judenfeindlichen Geschichte der Documenta tatsächlich noch „überrascht“ sein? Hoffmann kann. Und er legt sogar noch einen drauf. Auf die Frage, ob sich der Geschäftsführer von Hoskoté hintergangen fühlt, antwortete er so: „Bei der Frage, ob ich mich getäuscht fühle, muss man aber berücksichtigen, dass er selbst, so scheint es, diese Passagen nicht als antisemitisch empfindet. Das muss ich akzeptieren, obwohl ich es als zwingend sehe, das gänzlich anders zu bewerten.“
Roger Waters als Künstler für die Documenta?
Wie praktisch: So lange der Judenfeind judenfeindliche Aussagen nicht selbst judenfeindlich sieht, so lange muss man das berücksichtigen. Was antisemitisch ist und was nicht, bestimmt laut dieser Logik immer noch der Antisemit selbst. Demnach gibt es überhaupt keine Judenfeindlichkeit mehr, denn sie wurde ja nicht von den Tätern als solches erkannt. Praktisch.
Vielleicht könnte die nächste Ausstellung ja auch etwas Musik vertragen. Roger Waters böte sich hier als Klangkünstler der besonderen Art an. Im Londoner „Palladium“ redete sich der Pink Floyd Sänger, der nie ein Geheimnis über seinen Alkoholkonsum gemacht hat, einmal mehr in Rage. „Ich stehe uneingeschränkt an der Seite des gesamten unterdrückten palästinensischen Volkes“, sagte der Musiker nur wenige Tage nach dem 7. Oktober. Ferner forderte er „keine Kriegsverbrechen mehr“, selbstverständlich nur von der israelischen Seite. „Kommen wir zum letzten Samstagmorgen,“ gemeint war der 7. Oktober.
„Hatten die palästinensischen Widerstandskämpfer, die aus dem Freiluftgefängnis Gaza ausgebrochen sind, ein gesetzliches Recht und eine moralische Verpflichtung, sich gegen den Besatzer ihres Landes zu wehren? Ja, das hatten sie!“
Ferner sollten die Juden endlich akzeptieren, „dass das zionistische Experiment gescheitert ist, weil es nur mit mehr Tötungen fortgesetzt werden kann.“ Weiterhin sei Gaza ein „Freiluftgefängnis“. Damit hat sich Waters definitiv für die nächste Ausstellung in Kassel qualifiziert.
Mehr als 40 Millionen Steuergeld für die Documenta
Ob und in welcher Form die Documenta 16 stattfindet, ist derzeit völlig offen. Warum man eine sechsköpfige Findungskommission für eine Ausstellung benötigt, die erst in vier Jahren stattfindet, scheint dem Laien wenig verständlich. Doch Hoffmann gibt sich kämpferisch. Für die Neubesetzung der Findungskommission, die offenbar dringend erforderlich ist, wünscht sich der Geschäftsführer „einen Diskussionsprozess mit der Öffentlichkeit“, um „Vertrauen zurückzugewinnen.“ Denn die Documenta braucht „Offenheit, Transparenz“ und „Klarheit“.
Man gewinnt den Eindruck, die Documenta sei ein totgerittenes Pferd, das auf der Intensivstation mit Beatmungsgerät unbedingt künstlich am Leben gehalten wird, damit die Welt sieht, dass nicht nur die Stadt Kassel existiert, sondern dass Deutschland ein Hort progressiver Kunst ist, die den Puls der Zeit erkennt und politische Diskurse mit bunt bemalten Wänden für den gemeinen Zuschauer möglich macht. Vielleicht ist der Zeitgeist judenfeindlich, dann war eine Documenta 15 nötig und dann ist auch eine Documenta 16 notwendig.
Doch inwieweit die Stadt Kassel, das Land und der Bund, also die Steuerzahler, Judenhass finanzieren müssen, darf und muss kritisiert werden. Immerhin kostete die Documenta 15 mehr als 42 Millionen Euro. Doch im Land, in dem wenige Wochen nach dem 7. Oktober wieder Geld in den Gaza-Streifen floss, braucht man sich über nichts mehr wundern. Da bleiben die Worte staatstragender Politiker der Grünen Partei nichts als Worte ohne Sinn und Verstand, die nur zur eigenen Befriedung dienen. Vielleicht kann ja alternativ der alternde Multimillionär und Judenhasser Roger Waters einspringen. Das Kleingeld hierzu dürfte vorhanden sein.
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