Wahlrecht für Migranten: Will sich die SPD eine neue Wählergruppe erschließen?

Wie wird sich die demographische Entwicklung in Zukunft auf das Wahlverhalten der deutschen „Neubürger“ auswirken?© STEFFI LOOS / AFP

Die Zahl der Einbürgerungen nimmt stetig zu, besonders die SPD preschte noch bis vor Kurzem mit Vorschlägen vor, die Voraussetzungen für Migranten immer mehr zu erleichtern und auch das Wahlrecht zu verwässern – ein Vorschlag, der ganz und gar im Sinne der Grünen ist. Unterbrochen wurde dieses Demokratie-gefährdende Gefasel nur durch die bevorstehen Wahlen in Hessen und Bayern, bei denen die Grünen und die SPD ganz offensichtlich befürchten, dass ihnen stimmenmäßig endgültig das Licht ausgehen wird. Man möchte fast glauben, dass sich Grüne und SPD angesichts der desaströsen Umfragewerte ein „neues Volk“ wählen möchte – ganz so, wie Bertolt Brecht den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 in der DDR kommentierte. Die Wahlen dürften zeigen, dass diese Rechnung nicht aufgehen wird. (JR)

Von Regina Bärthel

Massive Erleichterung von Einbürgerung und Familiennachzug für Asylbewerber, Ausweitung des kommunalen Wahlrechts auf jeden, der sich mindestens sechs Monate in Deutschland aufhält: Die SPD sucht händeringend nach neuen Wählern. Die könnte sie angesichts ihrer Umfragewerte auch gut gebrauchen. Allein: Ob die Rechnung aufgehen wird, steht auf einem anderen Blatt.

Die Sozialdemokraten kennen ihren Brecht noch immer: „Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?“, schrieb der Dichter 1953 nach dem Volksaufstand vom 17. Juni. Und ließ den Text erst einmal in der Schublade. Heute ist er längst zum geflügelten Wort geworden, wenn es um Kritik an der DDR geht. In einer kruden Umdeutung des Gemeinten scheint manch ein Mitglied der SPD den Gedanken an ein neues Volk - Pardon: eine neue Bevölkerung – durchaus attraktiv zu finden. Allen voran Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Die an veritablen Skandalen nicht arme Politikerin geriet jüngst erneut in die Schlagzeilen: „Wir wollen uns auf Bundesebene und im Bundesrat mit Nachdruck dafür einsetzen, dass alle Menschen, die länger als sechs Monate in hessischen Kommunen leben, ein kommunales Wahlrecht erhalten“, heißt es im Wahlprogramm der hessischen SPD, deren Spitzenkandidatin Nancy Faeser ist. Nach heftiger Kritik wurde zurückgerudert; es habe sich um einen „katastrophalen redaktionellen Fehler“ gehandelt. Ein fadenscheiniges Dementi.

 

Roter Wunschtraum

Katastrophaler redaktioneller Fehler oder Wunschtraum? Die massive Ausweitung des Ausländerwahlrechts würde auch Asylbewerber betreffen, die sich zwar bereits ein halbes Jahr im Land aufhalten, aber noch kein Deutsch sprechen, geschweige denn die politischen Strukturen Deutschlands durchdrungen haben können. Bundesweit ginge es um einige Millionen neue Wähler. Wähler, so möglicherweise das Kalkül, die durch ihr Wahlverhalten der SPD Dankbarkeit zollen würden. Auch die Beliebtheitswerte von Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel waren zunächst gestiegen, nachdem sie 2015 geltendes EU-Recht außer Kraft setzte und so die illegale Masseneinwanderung beförderte. Schnell stellte sich jedoch heraus, dass die Menschen, die „uns geschenkt“ wurden (Katrin Göring-Eckhardt, Grüne) bei weitem nicht die Fachkräfte sind, als die sie den Bürgern verkauft wurden: Heute besitzt nahezu jeder zweite Empfänger von Transferleistungen keinen deutschen Pass.

„2015 darf sich nicht wiederholen“, beteuerte Merkel später. Das tut es auch nicht, denn unter der Ampelregierung erhöhten sich die Zuzüge noch weiter: Wanderten 2015 insgesamt 2,1 Millionen Menschen nach Deutschland ein – darunter Asylantragsteller sowie Migranten aus anderen EU-Ländern – stieg diese Zahl 2022 laut Statistischem Bundesamt auf 2,7 Millionen Menschen. Neben rund einer Million Ukrainer zählen dazu etwa 244.000 Asylbewerber, vornehmlich aus Syrien und Afghanistan. Ende 2022 verzeichnete das Ausländerzentralregister 3,08 Millionen sogenannte Schutzsuchende in Deutschland, deren Zahl sich im aktuellen Jahr bereits um 220.000 erhöht hat.

Zugleich wanderten im vergangenen Jahr 83.000 deutsche Staatsbürger aus (2021: 64.000); sie waren mehrheitlich männlich und durchschnittlich 35 Jahre alt.

 

Soziale und politische Auseinandersetzungen

Mit 84,3 Millionen Menschen hat die Bevölkerungszahl in Deutschland inzwischen einen Rekordwert erreicht. Ein Wert, der nicht nur die Sozialkassen, sondern die gesamte Infrastruktur des Landes auf das Höchste belastet: Der Wohnungsmarkt, aber auch die medizinische Versorgung sowie das Bildungssystem sind beredte Beispiele für die Überforderung von Bund, Ländern und Kommunen. Letztere machen schon lange deutlich: „Nein, wir schaffen das nicht!“ Doch: „Es gibt keine Höchstgrenze für Menschlichkeit“, wie Innenministerin Faeser gebetsmühlenartig wiederholt.

Von dieser „Menschlichkeit“ zeugen Silvesterkrawalle, Vergewaltigungen und Messerattacken, ganz zu schweigen von den Kämpfen rivalisierender Gruppen aus Eritrea. Längst ist Deutschland zum Austragungsort sozialer und politischer Auseinandersetzungen geworden, die Asylbewerber aus ihren Heimatländern importieren. Längst begegnen jene Migranten, die einst vor Verfolgung nach Deutschland geflüchtet waren, ihren Verfolgern auch auf hiesigen Straßen.

Obgleich die vorwiegend rot-grün orientierten Hauptstrommedien nach wie vor die Politik der offenen Grenzen unterstützen, obgleich die Polizei dazu angehalten wird, die Herkunft von Tätern zu verschweigen, zeichnet sich die Unzufriedenheit der Bevölkerung in Umfragewerten ab: Im Spätsommer sind 70% der Deutschen unzufrieden mit der Ampelregierung, 52% befürworten laut einer aktuellen Insa-Umfrage den Rücktritt von Innenministerin Faeser. So könnte die Idee, Deutschland mit einer wachsenden Gruppe anzufüllen, die aus Dankbarkeit die SPD wählen würde, durchaus logisch sein. Denn die seit 1984 jährlich erhobenen Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) zur langfristigen Parteibindung der Deutschen zeigen, dass Muslime – darunter die große Zahl der türkischstämmigen Wahlberechtigten - überwiegend sozialdemokratisch wählen. Auch von den drei großen Migrantengruppen, die 2015/16 nach Deutschland kamen, neigten laut SOEP nur Syrer zu den Unionsparteien, während eingewanderte Afghanen und Iraker sich eher mit der SPD identifizierten.

 

Religiöse Regeln wichtiger als Gesetze

Allerdings zeigen Befragungen auch, dass die Einstellung vieler Muslime zu Demokratie, Rechtsstaat und Religion nicht mit der freiheitlichen-demokratischen Grundordnung Deutschlands vereinbar sind. Schon in der 2007 im Auftrag des Bundesinnenministeriums erstellten Studie „Muslime in Deutschland“ hielten 46,7 Prozent der Muslime die Gebote ihrer Religion für wichtiger als die Demokratie. Sechs Jahre später bestätigte eine weitere Studie, erstellt von Prof. Dr. Ruud Koopmans am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), eine erhebliche Verbreitung von islamisch-religiösem Fundamentalismus unter den Muslimen in Westeuropa: Für 65% seien laut Studie religiöse Regeln wichtiger als die Gesetze des Landes, in dem sie leben.

Als Beispiel hierfür können ganz aktuell die schweren Ausschreitungen durch Mitglieder arabischer Clans dienen, wie sie Mitte Juni in Nordrhein-Westfalen stattfanden: Gegen sie war die deutsche Staatsmacht hilflos, die Autorität der Polizei wurde nicht anerkannt. Erst ein sogenannter Friedensrichter versöhnte die Konfliktparteien - nach islamischem Recht.

Auch die ultranationale türkische Vereinigung „Graue Wölfe“ betont islamische Werte und zeichnet sich laut Verfassungsschutz durch eine „Überhöhung des türkischen Volkes bei gleichzeitiger Abwertung anderer Ethnien, Staaten und Religionen, vor allem aber der Juden, Israels und der Armenier“ aus. Das Verwaltungsgericht Köln urteilte jüngst, dass sie verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt. Mit geschätzt über 18.000 Mitgliedern, so die Bundeszentrale für politische Bildung schon 2017, dürfte sie die stärkste rechtsextreme Organisation in Deutschland sein. Im allgegenwärtigen „Kampf gegen Rechts“ zeigt Innenministerin Faeser allerdings pure Ignoranz gegenüber dieser Organisation: Der vom Bundestag erteilte Auftrag, ein Verbot der „Grauen Wölfe“ zu prüfen, wurde seit 2020 nicht ausgeführt. In Frankreich und Österreich wurden sie längst verboten.

In Michel Houellebecqs Roman „Unterwerfung“ (2015) gewinnt der charismatische Kandidat der „Bruderschaft der Muslime“ die französische Präsidentenwahl. Die der Wahl vorangegangenen bürgerkriegsähnlichen Zustände werden befriedet, es kehrt Ruhe, aber auch islamische Gesetzgebung ein: Scharia, Patriarchat und Polygamie – in der sich die linke Intelligenz problemlos einzurichten weiß. Ebenfalls 2015 gründete sich in den Niederlanden Europas erste Migrantenpartei „Denk“, die sich unter dem Motto „Stimme der Ungehörten“ insbesondere an Wähler mit muslimischem Hintergrund wendet. Zwei Jahre später gewann sie aus dem Stand drei von 150 Sitzen im Parlament; die Wählerwanderung erfolgte übrigens hauptsächlich auf Kosten der sozialdemokratischen Arbeiterpartei PvdA. In Deutschland möchte „Denk“ im kommenden Jahr an den Europawahlen teilnehmen.

 

Regina Bärthel studierte Kunstwissenschaften und Germanistik. Sie leitete den Kommunikationsbereich verschiedener Kultureinrichtungen und veröffentlichte Texte zur bildenden Kunst. Heute ist sie als Journalistin und Essayistin tätig.

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