Von Freunden und Feinden: Israels Rettung 1948 (3)

Archivfoto vom 20. Mai 1948, das Hagannah-Soldaten vor dem ägyptischen Flugzeug zeigt, das sie gerade an einem Strand in Tel Aviv abgeschossen haben, während die arabische Luftfahrt und insbesondere die ägyptischen Flugzeuge weiterhin die Stadt bombardieren.© AFP ARCHIVES / AFP

Ausgerechnet Stalins Sowjetunion wurde 1947 zu Israels wichtigstem Fürsprecher bei der UNO. Im August 1947 beschlossen die Ostblockstaaten in Warschau, den im Entstehen begriffenen jüdischen Staat auch materiell zu unterstützen. Doch die Freundschaft mit dem kommunistischen Russland Stalins währte nicht lange. (Teil 3) (JR)

Von Stefan Frank

Am 29. Mai 1948 hat die israelische Luftwaffe ihren ersten Einsatz: Dreißig Kilometer vor Tel Aviv schlagen vier jüdische Veteranen des Zweiten Weltkriegs die ägyptische Armee in die Flucht.

„Und mitten darin war etwas wie vier Wesen; die waren anzusehen wie Menschen. … Als ich die Tiere so sah, siehe, da stand ein Rad auf der Erde bei den vier Tieren und war anzusehen wie vier Räder. … Und wenn sie stillstanden und die Flügel niederließen, so donnerte es in dem Himmel oben über ihnen. Und über dem Himmel, so oben über ihnen war, war es gestaltet wie ein Saphir, gleichwie ein Stuhl; und auf dem Stuhl saß einer gleichwie ein Mensch gestaltet. Und ich sah, und es war lichthell, und inwendig war es gestaltet wie ein Feuer um und um. Von seinen Lenden überwärts und unterwärts sah ich’s wie Feuer glänzen um und um.“ Hesekiel 1

29. Mai 2023: Vier israelische Kampfflugzeuge überfliegen den Ort Ad Halom in der Nähe der südisraelischen Stadt Aschdod. Sie erinnern an den ersten Kampfeinsatz der israelischen Luftwaffe im Unabhängigkeitskrieg vor fünfundsiebzig Jahren. Drei fliegen in dichter Formation; eines fliegt ein Stück weit entfernt und in etwas anderer Richtung – in Erinnerung an den Piloten Eddie Cohen, der damals abstürzte und starb.

Bei einer Zeremonie enthüllt Generalmajor Tomer Bar eine Gedenktafel. »Es ist genau fünfundsiebzig Jahre her, seit das Quartett der Messerschmitt-Flugzeuge der 101. Staffel aufstieg, um die ägyptische Panzerkolonne anzugreifen – eine Aktion, die den Feind aus dem Gleichgewicht brachte und aufhielt«, sagt er in seiner Gedenkrede.

Die 101. Staffel der israelischen Luftwaffe, die am 20. Mai 1948 gegründet worden war, war Israels erste gewesen, auch wenn der Name etwas anderes sagt. Die Bezeichnung »101. Staffel« entstand, als jemand meinte, »101. Staffel« klinge besser als »1. Staffel« – und so wurde es gemacht. Bis dahin war die einzige Luftwaffe, die über Israel operierte, die ägyptische gewesen.

Die Luftangriffe auf Israel begannen, sobald um Mitternacht des 15. Mai 1948 das britische Palästinamandat ausgelaufen war. David Ben-Gurion, Vorsitzender des Exekutivkomitees der Jewish Agency und erster Ministerpräsident Israels, der am Nachmittag zuvor die Unabhängigkeit verkündet hatte, berichtete in der Nacht von Tel Aviv aus in einer Radioansprache an das israelische Volk von den Bombeneinschlägen in der Stadt. Im Hintergrund vernahmen die Hörer Explosionen und Sirenen. Drei Tage später erfolgte der tödlichste Angriff: Am 18. Mai 1948 bombardierte Ägypten den alten Busbahnhof von Tel Aviv, wobei zweiundvierzig Menschen getötet und mehr als hundert verletzt wurden.

29. Mai 1948: Die Piloten Lou Lenart (27), Modi Alon (27), Eddie Cohen (25) und Ezer Weizman (23) erhalten den Befehl, dabei mitzuhelfen, einen Vorstoß der ägyptischen Armee auf Tel Aviv bei Aschdod zu stoppen. Bis dahin hatte nichts die ägyptischen Truppen aufhalten können. Ohne Mühe hatten sie den Gazastreifen und die Stadt Aschkelon erobert.

Der unerwartet heftige Widerstand des Kibbuz Yad Mordechai, der 1943 im Gedenken an Mordechaj Anielewicz, den Anführer des Aufstands im Warschauer Ghetto, gegründet worden war, hatte sie immerhin für eine Woche aufhalten können. Nun aber rückten mehr als zehntausend Soldaten, vor allem Freiwillige der Muslimbruderschaft, mit Panzern und Artillerie entlang der Küste auf Tel Aviv vor. Unterstützt wurden die Ägypter von fünfzehn Kampfflugzeugen. Lediglich fünf der siebenundzwanzig jüdischen Siedlungen in dem Gebiet verfügten über mehr als dreißig Verteidiger. Die Armee, die sie schützen sollte, bestand aus nur zwei Palmach-Brigaden: der Negev-Brigade mit 800 und der Küsten-Brigade mit 2.700 Soldaten. Panzerbrechende Waffen waren so gut wie nicht vorhanden.

 

… dann wird es kein Israel mehr geben

Lou Lenart erinnerte sich später in einem Interview, wie Shimon Avidan, der Kommandant der Givati-Brigade, zum Flugplatz gekommen sei und dort erfahren habe, »dass wir Flugzeuge hatten«. Avidan habe gesagt: »Sechs Meilen von hier steht die gesamte ägyptische Armee, Stoßstange an Stoßstange, so weit ich blicken kann. Wir könnten versuchen, sie heute Abend anzugreifen, aber wir haben nichts. Und wenn wir sie nicht heute Abend angreifen, werden sie am Morgen in Tel Aviv sein, und es wird kein Israel mehr geben.«

Die Kampfflugzeuge vom Typ Avia S-199, die baugleich mit der deutschen Messerschmitt Bf-109 aus dem Zweiten Weltkrieg waren, wurden erst am 22. Mai aus der Tschechoslowakei angeliefert. Ein Vertrag über den Kauf von zunächst zehn Kampfflugzeugen war erst Ende April 1948 von Ehud Avriel, Otto Felix und dem tschechoslowakischen Stabschef General Bocek unterzeichnet worden. Anfang Mai wurde er von Premierminister Klement Gottwald und Verteidigungsminister Ludvik Svoboda genehmigt. Insgesamt bestellte Israel fünfundzwanzig Messerschmitts Bf 109, von denen dreiundzwanzig in Israel ankamen. Dort wurden sie nach dem hebräischen Wort für Messer, Sakin, bezeichnet.

Bei der Fertigung waren die tschechoslowakischen Mechaniker auf Schwierigkeiten gestoßen. Die für den Einbau in der Bf 109 vorgesehenen Motoren des Typs Daimler-Benz 605 waren bei einem Brand in einem Lagerhaus in Krásné Březno zerstört worden. Die Techniker entschieden sich als Ersatz für Jumo-211F-Motoren und Propeller, die im Zweiten Weltkrieg für die zweimotorigen Bomber Heinkel-111 benutzt worden waren. Doch diese Motoren waren nicht als Motoren für Jäger konzipiert und bereiteten beim Einbau in die Zelle der 109 große Probleme. Die Triebwerke waren untermotorisiert und nicht mit dem Bug-MG der Bf 109 synchronisiert: Beim Feuern hätten die israelischen Piloten ihren eigenen Propeller abgeschossen.

Schließlich war entschieden worden, auf das Buggewehr zu verzichten und die Maschinen stattdessen mit dem in alten Beständen noch vorhandenen Rüstsatz VI auszustatten, also mit Maschinengewehren, die unter die Tragflächen der Messerschmitts montiert wurden. Dadurch verschlechterten sich die Flugeigenschaften noch mehr. Die Flugzeuge, die Israel letztlich geliefert bekam, waren zusammengestoppelt und von deutlich schlechterer Qualität als jene der deutschen Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg.

Die Flugzeuge mussten für den Transport zerlegt werden, da sie sonst nicht in den Laderaum der Frachtflugzeuge gepasst hätten. Mit an Bord der Frachtmaschine C-54B waren die tschechoslowakischen Techniker Miroslav Rulc, František Smrček, Michal Vygiera, Jan Valášek und Vojtěch Kořenek. Ihr Job bestand darin, die Flugzeuge in Israel so schnell wie möglich zusammenzubauen.

Auch die israelischen Piloten waren gerade erst von einem Kurzlehrgang aus der Tschechoslowakei zurückgekehrt. Geflogen waren sie schon im Zweiten Weltkrieg: Alon und Weizmann bei der britischen Royal Airforce, Lenart bei der US Air Force, und Cohen bei Einsätzen der South African Air Force über dem Mittelmeer.

In České Budějovice (Budweis) hatten sie ein rudimentäres Training erhalten. Zunächst durften sie einige Runden in Trainingsmaschinen des tschechoslowakischen Typs Avia C-2 fliegen. In Messerschmitt-109-Trainingsmaschinen konnte jeder Pilot jedoch nur ein oder zwei Flugstunden nehmen. Es gab weder einen Flug in großer Höhe noch einen Formationsflug, keinen Bombenabwurf und keine Schießübungen. Dies lag nicht an den Gastgebern. »Ihr habt noch nicht viel gelernt«, meinten sie beim Abschied. Die Gäste antworteten, sie müssten so schnell wie möglich nach Israel, denn die israelische Armee hatte nicht einmal Flugabwehrgeschütze. Die Piloten mussten Israel retten.

 

Dreißig Kilometer vor Tel Aviv

Bei der Rückkehr hatte Lenart eine kühne Idee: Die britische Regierung hatte Ägypten gerade fünfzehn nagelneue Spitfires geliefert. Sie standen auf einem Flugfeld in El-Arish im Sinai. Wie wäre es, sie zu bombardieren, solange sie noch am Boden waren? Doch dafür war jetzt keine Zeit. Alle vier Messerschmitts, die die tschechoslowakischen Mechaniker bis dahin auf der Luftwaffenbasis Ekron (Tel Nof) zusammengebaut hatten, wurden zur Abwehr benötigt.

Am späten Nachmittag des 29. Mai 1948 befand sich die Zweite Brigade der ägyptischen Armee, zehntausend Mann mit zehn Panzern und fast fünfhundert weiteren gepanzerten Fahrzeugen, weniger als dreißig Kilometer von Tel Aviv entfernt. Kurzfristig aufgehalten wurde sie nur dadurch, dass die israelische Givati-Brigade die Brücke über den Fluss Lachisch bei Ashdod am 12. Mai gesprengt hatte. Der Lachisch ist nicht sehr breit, wie man auf diesem Foto sehen kann. Innerhalb weniger Stunden würden die Ägypter eine mobile Behelfsbrücke herbeigeschafft haben. Wenn die Panzer sie überquerten, hätte die Givati-Brigade keine andere Wahl, als sich zurückzuziehen. So wäre die Straße nach Tel Aviv offen gewesen.

Die Entscheidung sei also »sehr einfach« gewesen, sagte Lenart. Der Plan, El Arish zu bombardieren, musste fallengelassen werden. Um achtzehn Uhr starteten die vier Messerschmitts vom Flugplatz Ekron, um die hinter der zerstörten Brücke konzentrierten ägyptischen Truppen zu bombardieren und zu beschießen. Jedes Flugzeug war mit zwei 70-Kilogramm-Bomben, zwei 13-mm-Maschinengewehren und zwei 20-mm-Kanonen bewaffnet. Zeit für einen Probeflug war nicht gewesen. Die Operation, an der das Schicksal des jüdischen Volkes hing, war gleichzeitig der Jungfernflug.

Von diesem israelischen Luftangriff wurden die Ägypter völlig überrascht, da sie mit einer israelischen Luftwaffe nicht gerechnet hatten. Der Angriff richtete keinen großen Schaden an, doch der psychologische Effekt war erheblich. In einem vom Geheimdienst abgefangenen ägyptischen Funkspruch hieß es: »Wir sind von feindlichen Flugzeugen schwer angegriffen worden, wir zerstreuen uns.«

Lou Lenart und Ezer Weizman kehrten ohne Schaden zur Luftwaffenbasis zurück. Alons Flugzeug wurde getroffen, aber er schaffte es, knapp nach zwanzig Uhr unverletzt in Ekron eine Bruchlandung hinzulegen. Eddie Cohen stürzte ab und kam dabei ums Leben. Er war der erste Gefallene der israelischen Luftwaffe und wurde in Tel Aviv beigesetzt, nachdem seine Leiche Ende 1949 gefunden worden war.

Die ägyptischen Offiziere waren durch den Luftangriff eingeschüchtert und Tel Aviv vorerst außer Gefahr. Lou Lenarts Plan, die ägyptischen Flugzeuge am Boden zu zerstören, wurde zwanzig Jahre später, am 5. Juni 1967, aufgegriffen. Er würde Israel den Sieg im Sechstagekrieg sichern. Lou Lenart sagte später über den 29. Mai 1948:

»Ich bin gesegnet und glücklich: In einem exakten Augenblick der Geschichte war ich in der Lage, einen Beitrag zu Israels Überleben zu leisten. Einen Tag früher oder später hätte das nicht funktioniert.«

Man kann Churchills Worte aus dem August 1940 zitieren: »Noch nie haben so viele so wenigen so viel zu verdanken gehabt.« Nicht weit entfernt vom Roten Meer hatten sich wie zu Moses Zeiten die ägyptischen Streitwagen gegen die Juden versammelt. Und vier Juden in ihren fliegenden Kisten hatten sie aufgehalten. »Ad Halom« ist übrigens Hebräisch für »bis hierhin«, was hier bedeutete: Bis hierhin und nicht weiter kam die ägyptische Armee.

 

Liebesgrüße aus Moskau

Ausgerechnet Stalins Sowjetunion wurde 1947 zu Israels wichtigstem Fürsprecher bei der UNO. Im August 1947 beschlossen die Ostblockstaaten in Warschau, den im Entstehen begriffenen jüdischen Staat auch materiell zu unterstützen. Doch die Freundschaft währte nicht lange.

Fürsprecher Israels: Der sowjetische Vertreter Andrei Gromyko, bei einer Rede im UN-Sicherheitsrat© STF / AFP

Am 18. Februar 1947 gab der britische Außenminister Ernest Bevin bekannt, Großbritannien beabsichtige, das Palästina-Mandat, das es 1920 vom Völkerbund erhalten hatte, an die Vereinten Nationen zurückzugeben. Im Klartext: Die Briten würden abziehen. Drei Monate später, am 14. Mai 1947, hielt Andrei Gromyko, der sowjetische Vertreter im UN-Sicherheitsrat, eine Rede, die zu einem flammenden Appell für die Gründung eines jüdischen Staates wurde:

»Die Erfahrungen der Vergangenheit, insbesondere während des Zweiten Weltkriegs, zeigen, dass kein westeuropäischer Staat in der Lage war, dem jüdischen Volk bei der Verteidigung seiner Rechte und seiner Existenz gegen die Gewalt der Hitleristen und ihrer Verbündeten angemessen zu helfen. Dies ist eine unangenehme Tatsache, aber leider muss sie, wie alle anderen Tatsachen auch, zugegeben werden. … [Diese Tatsache] erklärt die Bestrebungen der Juden, einen eigenen Staat zu gründen. Es wäre ungerecht, dies nicht zu berücksichtigen und dem jüdischen Volk das Recht abzusprechen, dieses Bestreben zu verwirklichen.«

Einen Tag später, am 15. Mai 1947, setzte die UN-Generalversammlung auf Vorschlag Großbritanniens das Untersuchungskomitee UNSCOP ein, das die Ursachen der Gewalt in Palästina vor Ort ergründen und einen Lösungsvorschlag erarbeiten sollte, der beide Seiten zufriedenstellen konnte. Daraus entstand der spätere Teilungsplan. Abba Eban, Kontaktperson der Jewish Agency bei den Vereinten Nationen in New York, konnte es kaum fassen:

»Nichts hatte uns auf diesen Glücksfall vorbereitet. … Moskau kehrte seine traditionelle Haltung um und schlug die Option eines jüdischen Staates vor. Ich war mit pessimistischen Annahmen über das Gleichgewicht der Kräfte zu den Vereinten Nationen gekommen; nun revidierte ich meine Vorhersagen. … Zum ersten Mal wurde unser politischer Himmel mit einem Hoffnungsschimmer erhellt. Man brauchte kein romantischer Optimist mehr zu sein, um einen zionistischen Erfolg vorauszusehen. Gromyko war ein zionistischer Held geworden.«

 

Kurze Periode

Im August 1947 trafen Vertreter von kommunistischen Parteien und der Ostblockstaaten in Warschau zusammen und erklärten, einen jüdischen Staat politisch und materiell unterstützen zu wollen. Die UdSSR selbst lieferte aus Rücksicht auf ihre Stellung in der muslimischen Welt keine Waffen nach Israel. Doch Stalin gestattete der im sowjetischen Einflussbereich befindlichen Tschechoslowakei, solche Geschäfte zu machen.

Mehr noch: Die Regierung in Prag wurde von Moskau sogar dazu ermuntert, mehr für Israel zu tun, wie eine Geheimnote vom 5. Juni 1948 zeigt. Absender war Ivan Nikolaevich Bakulin, zwischen 1947 und 1949 Leiter der Nahostabteilung im sowjetischen Außenministerium. Gerichtet war die Nachricht an den stellvertretenden Außenminister Valerian Zorin. Bakulin hielt fest, »im Zusammenhang mit dem Bericht von Genosse Gromyko über die Bitte der Vertreter des Staates Israel, (Mordechai) Eliash und (David) Hacohen, die Hilfe an die Regierung Israels auszuweiten«, sei es ratsam,

»die Tschechen und Jugoslawen vertraulich über unsere Botschafter in Prag und Belgrad darüber in Kenntnis zu setzen, dass es wünschenswert ist, den Vertretern des Staates Israel beim Kauf und dem Transport von Artillerie und Flugzeugen nach Palästina zu helfen, da die arabischen Länder trotz der Resolution des Sicherheitsrates, welche die Einfuhr von Waffen in diese Länder verbietet, alle Möglichkeiten haben, die erforderliche Menge an Waffen aus den britischen Depots und Stützpunkten in Transjordanien, Irak und Ägypten zu erhalten«.

 

Stalins Abkehr

Auch nach der Gründung Israels blieb die Sowjetunion eine Zeitlang der wichtigste diplomatische Verbündete bei der UNO in New York. Im Juli 1948, als UN-Vermittler Graf Folke Bernadotte vorschlug, Israel solle den gesamten Negev an Transjordanien abtreten, riet Außenminister Wjatscheslaw M. Molotow Stalin davon ab, da dies vier Fünftel des israelischen Territoriums in die Hände Transjordaniens – »das heißt, unter britische Kontrolle« – bringen würde. »Genosse Stalin stimmt zu«, schrieb Molotow auf das Dokument.

Auch wenn der spätere Bruch der israelisch-sowjetischen Freundschaft vor allem mit Stalins Paranoia zu tun hatte – hier sind das Zerwürfnis mit Tito und die damit zusammenhängende Kampagne gegen »Kosmopolitismus« zu nennen, die Ende 1948 begann und die vor allem Juden zum Ziel hatte –, gehört zum Gesamtbild zu erwähnen, dass es auch zu Zeiten der guten Beziehungen immer wiederkehrende Beschwerden gab, die sowjetische Vertreter gegenüber der israelischen Regierung vorbrachten und auch intern diskutiert wurden. Dazu gehört die Klage, dass es in israelischen Buchläden zu wenig sowjetische und zu viel »antisowjetische« Literatur gebe. Ab 1949 kam esauch immer mehr zu Beschwerden über »antisowjetische Verleumdungen« in israelischen Zeitungen.

Am 7. Dezember 1949 verfasste Mikhail Popov, ein Mitarbeiter der sowjetischen Botschaft in Tel Aviv, ein zwölfseitiges Memorandum über »antisowjetische Propaganda in der israelischen Presse«. Sowohl die Länge des Textes und die Vielzahl von Beispielen ist bemerkenswert als auch der scharfe Tonfall, der anzeigt, dass die Sowjetunion im Begriff war, sich von Israel abzuwenden. So schrieb Popov: »Die israelische Presse fördert systematisch antisowjetische Propaganda und veröffentlicht diffamierende Artikel über die Sowjetunion, ihre Außen- und Innenpolitik und die führenden Politiker der Sowjetunion«, und listete zahlreiche Vorwürfe auf.

In der »reaktionären israelischen Presse« sei zu lesen, dass die Sowjetunion nicht mit guten Beziehungen zufrieden sei, sondern »Gehorsam« verlange; Jugoslawien und »der verräterische Judas-Tito« (sic!) würden von einigen israelischen Zeitungen als sozialistische Vorbilder dargestellt, und es werde vereinzelt behauptet, die Sowjetunion plane einen Angriff auf Jugoslawien. Zudem werde die Vorstellung verbreitet, »der Kapitalismus sei stark und der Marshall-Plan keine Waffe des amerikanischen Imperialismus, um andere Länder zu versklaven, sondern bloß das Ergebnis der Verarmung und Erschöpfung Westeuropas«.

Über israelische Kommentare zur Lage der sowjetischen Juden äußerte sich Popov folgendermaßen: »Die reaktionären Zeitungen schreiben, dass die Lage der Juden in der UdSSR ›bedrohlich‹ sei, dass der Kampf gegen den Kosmopolitismus darauf abziele, die Menschen zum Antisemitismus anzustacheln, dass die Juden in der UdSSR dem Zionismus zugeneigt seien und die meisten von ihnen nach Israel auswandern würden, wenn man es ihnen erlaube.« Die »antisowjetische Propaganda« erreiche »ein besonders abscheuliches Maß in schmutzigen provokativen Angriffen und Verleumdungen«: »In den Zeitungen finden sich zahlreiche Verleumdungen und provokante Artikel, selbst über den Genossen Stalin. In Jom Jom vom 14. Juni 1949 heißt es, dass die Jury des Wettbewerbs für die beste Puschkin-Statue den ersten Preis an eine ›Statue Stalins beim Lesen eines Puschkin-Bandes‹ vergeben habe.«

 

Dieser Artikel erschien zuerst bei Mena Watch.

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