Der letzte Mann des Radiosenders „Kol Israel“

Mike Israel in „seinem“ Nachrichtenstudio 
in Tel Aviv.© Jürgen Müller


„Kol Israel“ war die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt des jüdischen Staates und ging mit der Übertragung der Unabhängigkeitserklärung von David Ben Gurion am 14. Mai 1948 das erste Mal auf Sendung. Mike Israel arbeitet hier schon seit 44 Jahren als Tontechniker und ist nun seit der Schließung im Jahr 2017 für die Wartung des Studios zuständig. Ein zukünftiges Radio- und Fernsehmuseum soll die Geschichte der Rundfunkanstalt weitererzählen. (JR)

Von Jürgen Th. Müller

Mitten in Tel Aviv liegt der Arbeitsplatz von Mike Israel. Der Weg ins Studio führt vorbei an Baumaschinen und Betonlastern. Mike hat eine wichtige Aufgabe: Er ist verantwortlich für die gesamte Technik von „Kol Israel“, dem Radiosender „Stimme Israels“. Das Problem: Der Sender hat seinen Betrieb schon vor vielen Jahren eingestellt. Heute ist Mark Israel der einzige verbliebene Mitarbeiter.

 

Die Technik funktioniert noch

Mike sitzt am Mikrofon des ehemaligen Nachrichtenstudios. „Hier funktioniert alles“, sagt er stolz: „Am 15. Mai 1948 wurde hier zum ersten Mal gearbeitet. Der letzte Tag hier war der 15. Mai 2017. Dann wurde der Sender geschlossen. Als das hier zu Ende ging, wussten die Verantwortlichen nicht, was sie damit machen sollten. Haben sie die neuen Gebäude draußen gesehen? Das ist eine der teuersten Gegenden in Tel Aviv. Was sollten sie tun? Sie wollten alles mit Bulldozern platt machen, um hier einen großen Neubau hochzuziehen.“

Doch dazu kam es nicht. Das Presseamt der Regierung entschied kurzfristig, dass hier ein Radio- und Fernsehmuseum entstehen sollte. Mike wurde mit der Instandhaltung des Studiokomplexes beauftragt. Den kennt er in- und auswendig, denn er arbeitet seit 44 Jahren hier.

 

Israelische Rundfunkgeschichte

„Kol Israel“ war die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt des jüdischen Staates. Die erste Sendung war die Übertragung der Unabhängigkeitserklärung von David Ben Gurion. „Kol Israel“ sendete, wie damals im europäischen Rundfunk üblich, in drei Blöcken morgens, mittags und abends in Hebräisch, Arabisch und Englisch. Auf Kurzwelle wurden Sendungen in Türkisch und Farsi (Persisch) für Hörer im Ausland ausgestrahlt, die vor allem im Iran intensiv gehört wurden. Später kamen Sendungen in verschiedenen Sprachen für Neueinwanderer hinzu.

Mike Israel arbeitet gerne in den verlassenen Räumen: „Ich halte alles am Laufen. In diesem Studio funktioniert alles. Ich möchte, dass jede Art von Musik gespielt werden kann. Ich möchte, dass die Leute hierher kommen und wir ihnen beibringen, wie man in ein Mikrofon spricht, wie man Musik spielt, es soll wie eine Schule sein, eine Schule für alle“.

Doch das ist Zukunftsmusik. Auch sechs Jahre nach der Schließung des Senders gibt es noch keinen Eröffnungstermin für das Museum.

Im Laufe der Zeit hat „Kol Israel“ zehn Studios eingerichtet, die für verschiedene Musikrichtungen und Wortprogramme genutzt wurden. Mike hält sie intakt. Früher traten dort Chöre und Bands live auf. Mikrofone, die von der Decke hingen, sorgten für einen guten Sound. Die gesamte Technik ist analog, Computer sucht man im Studio vergeblich. Seit der Schließung ist das Studio nur einmal aus seinem Dornröschenschlaf erwacht: Mike konnte ein Gesangsstück seiner Tochter aufnehmen.

Das Studiogebäude hat eine lange Geschichte. Erbaut wurde es einst von den Templern, württembergischen Pietisten, die im 19. Jahrhundert nach Israel ausgewandert waren. Noch heute steht im Keller eine Wasserpumpe aus der Gründerzeit. Auch sie ist noch funktionstüchtig und wird von Mike gewartet.

 

Radio aus dem Pferdestall

Das landwirtschaftliche Gebäude wurde nach der Staatsgründung von der israelischen Regierung übernommen und dem ersten Radiosender des Landes zur Verfügung gestellt. Die ersten Sendungen kamen aus einem Weinkeller, abgeschirmt vom Lärm der Umgebung. Das Studio, in dem Mike sitzt, war früher ein Pferdestall. Das ist dokumentiert, berichtet der Tontechniker: „Wir haben noch einen Plan, auf dem die Namen aller Pferde und die Boxen, in denen sie standen, verzeichnet sind.“

Mike schwärmt noch immer von den Studios, die er als junger Mann zusammen mit den Ingenieuren des Senders eingerichtet hat. Und er genießt es, dass er die Verstärker des Plattenspielers voll aufdrehen kann, ohne jemanden zu stören. Und so erklingen Abba und Elton John laut und in Studioqualität nur für ihn, den letzten Mann von „Kol Israel“.

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