Messerattacken: Die neue Lebensrealität in Deutschland
© ALEXANDER POHL NurPhoto NurPhoto via AFP
„Wieder in der Umhängetasche…“ Berliner Polizisten neigen auf X (ehemals Twitter) zum launigen Kommentieren. Bei der Kontrolle durch Bundespolizisten in der Hauptstadt hatte im Juli ein 28-jähriger Iraker ein aufwendig gestaltetes Messer von 18 Zentimetern Klingenlänge dabei. Ein solches Messer darf man schon heute nicht mit sich herumtragen. Viele tun es dennoch. Im vorliegenden Fall wurde das Messer beschlagnahmt. Von Konsequenzen für den jungen Mann mit dem Messer, der ja schon damit eine Bedrohung für seine Mitmenschen darstellte, liest man nichts.
Es ist übrigens nicht so, dass es in Deutschland nicht schon regelrechte Waffenverbotszonen gäbe, auch wenn Nancy Faeser meint, noch ein „Messerverbot“ in Bus und Bahn draufsatteln zu müssen. Lokal sind solche Verbote schon länger ein Mittel, das vor allem größere Städte nutzen, um an Hotspots der Gewalt schneller handeln zu können. Das gilt etwa für das Frankfurter Bahnhofsviertel, die Düsseldorfer Altstadt oder auch die Innenstadt von Hannover. Dort spricht man gerade von einer Erweiterung der Zone auf die Gegend um den Hauptbahnhof. In Nordrhein-Westfalen gibt es inzwischen regelmäßige Großkontrollen, bei denen die Polizei – gerne am Samstagabend – auf Messerjagd geht. In den Waffenverbotszonen dürfen auch solche Messer nicht mitgeführt werden, die bisher nicht unter das Waffengesetz fallen. Unsicher bleibt, ob immer neue Verbote und Kontrollen das neue Phänomen noch zurückdrängen oder zum Verschwinden bringen können.
„Messerland“ Deutschland?
Ist Deutschland also zu einer Messerzone geworden, zum „Messerland“? Und wenn ja, sind das die Früchte einer falschen Zuwanderungspolitik, die nun schon seit einem Jahrzehnt durchgezogen wird? Für Frankreich hat der Journalist und Parteigründer Éric Zemmour genau das behauptet. Die Zahl der täglich im Hexagon verübten Messerangriffe gab er mit 120 an – und konnte nicht wirklich widerlegt werden. In Deutschland ergeben sich aus aktuellen Zahlen der Länder rund 22.000 Messerangriffe im letzten Jahr 2022. Das waren 60 Angriffe am Tag und damit etwa halb so viel, wie 2018 in Frankreich festgestellt wurden.
Der allgemeine, aus Statistiken und Polizeimeldungen genährte Eindruck ist dabei, dass es sich ganz überwiegend um Immigranten handelt, die aus Nahost, Mittelasien oder Nordafrika nach Deutschland gekommen sind und an deutschen Grenzen flugs einen Asylantrag stellten, manchmal vielleicht schon eingebürgert sind. Wo eine entsprechende Statistik verfügbar ist, hat meist die Mehrheit der Täter nicht die deutsche Staatsbürgerschaft. In Hessen und Baden-Württemberg waren es 52 Prozent. Das zeugt von einer klaren Überrepräsentation von Immigranten, die offenbar eine deutlich höhere „Affinität“ zum Tatmittel Messer haben. Die häufigsten Herkunftsstaaten in Baden-Württemberg waren Syrien, die Türkei, Rumänien, Afghanistan und der Irak.
Ein „Arzt und Flüchtlingsexperte“ rechnete nun im Focus vor, dass möglicherweise eine halbe Million der nach Deutschland „Geflüchteten“ eigentlich eine Therapie bräuchten. Unter ihnen sollen eben auch die „Messer- und Axtmänner der Zukunft“ sein, wie ein offizieller Migrationsbeauftragter ergänzt. Das Flucht- und Asyl-Establishment reagiert auf ein Problem, indem man es einwickelt in „social engineering“, dessen Erfolg aber alles als sicher ist.
Mangelnde Transparenz
Der Nachbar im Westen ist uns in dieser Sache wohl voraus. Aber auch in Deutschland gab es eigentlich noch mehr Straftaten, bei denen ein Messer benutzt wurde, die aber nicht alle als „Messerangriff“ gezählt werden. Der Begriff geht dabei auf eine bundeseinheitliche Definition von 2020 zurück, die wohl Ordnung in die Länderzahlen bringen sollte. Insgesamt ist davon aber noch nichts zu bemerken, eher regiert weiter das Chaos, was die regionalen Zahlen und ihre Zusammenführung beim Bund angeht. Dazu trägt sicher auch bei, dass Innenministerin Nancy Faeser nicht gerade einen Schwerpunkt auf die angemessene Durchleuchtung des Sachverhalts legt. In ihrer Pressekonferenz zur Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2022 kam das Thema jedenfalls nicht vor.
Und auch sonst kennen deutsche Behörden allerlei Tricks, um die Zahlen zu schönen oder zu verbergen. So gab es in Hamburg etwa 500 Fälle von Bedrohung mit einem Messer, die aber nicht als „Gewaltkriminalität“ gezählt wurden und in der Presse folglich oft unter den Tisch fallen. Kann man wirklich mit einem Messer bedroht werden und es nicht als Gewalt empfinden? Zumal auch die Drohung mit einem Messer ausdrücklich im bundeseinheitlichen Begriff „Messerangriff“ enthalten ist. Und natürlich kann solch ein Angriff schnell geschehen, eine Gegenwehr ist dann in vielen Fällen gar nicht mehr möglich. Das Phänomen Messerkriminalität in der Freien und Hansestadt verdoppelt sich allein durch diese 500 Fälle nahezu.
Die Palme gewann allerdings das Bundeskriminalamt, das – auf wessen Geheiß? – nur einen kleinen Teilbereich der Messerangriffe veröffentlichte, nämlich die 8160 Messerangriffe bei gefährlicher und schwerer Körperverletzung. Das Messer muss also erst in sein Opfer eindringen, bevor das BKA einen Angriff berichtenswert findet. Daneben lieferte man noch die Anzahl der Messerangriffe bei Raubdelikten, die man aber tunlichst nicht zu der anderen Zahl addierte. Doch auch zusammen ergab sich so kein vollständiges Bild der Messerkriminalität in Deutschland, weil Bedrohungen „ohne Stich“ nicht berichtet wurden. Doch die Unsicherheit der Bürger beginnt eben schon, wenn einer ein Messer in krimineller Absicht zieht. Übrigens war das BKA auch auf mehrfache Nachfrage nicht bereit, weitere Zahlen für das gesamte Bundesgebiet zu nennen. Man musste notgedrungen in allen Ländern nachfragen und danach zum Taschenrechner greifen. So steht es mit Transparenz und Bürgerinformation in Deutschland heute.
Trend ist ansteigend
Der neugebildete Terminus „Messerangriff“, der sich allgemeingültig anhört, bewirkt daneben vor allem, dass man es mit kleineren Zahlen zu tun hat, wo Zuwächse die Bevölkerung verunsichern könnten. So gab es letztes Jahr 2727 Messerangriffe in Baden-Württemberg, aber fast dreimal so viele Straftaten mit dem Tatmittel Messer (6715). Überträgt man das auf den Bund, dann kommen wir auf 66.000 Taten in einem Jahr, also 180 am Tag. Das wären dann schon eher „französische Verhältnisse“.
Der Trend ist bei diesen Taten zudem eindeutig ansteigend, mit allgemeinen Zuwächsen zwischen zehn und 25 Prozent. Doch mancherorts haben sich die Straftaten von 2021 zu 2022 gar verdoppelt, etwa in Thüringen (von 124 zu 267 Messerangriffen). Auch hier gab es übrigens rund dreimal so viele Messerstraftaten (2022: 940). In Nordrhein-Westfalen gab es einen deutlichen Anstieg um 45 Prozent, der wohl zu den aktuellen Messerrazzien geführt hat.
Die Verteilung der Messerstechereien in Deutschland ist dabei sehr unterschiedlich. So stechen Berlin und Bremen unter den Ländern durch eine hohe „Dichte“ an Angriffen heraus. Unter den Flächenländern liegen Sachsen, Niedersachsen und Hessen vorne. Auch in Hessen kamen die wirklichen Zahlen erst durch meine Anfrage an das LKA heraus. Die Messerangriffe lagen demnach fast viermal so hoch, als bis dahin vom Innenministerium öffentlich gemacht. In Frankfurt wunderte sich die geneigte Presse, wie es bei mehr als 400 Messerangriffen in der Mainmetropole bei 566 Angriffen in ganz Hessen bleiben konnte. Tatsächlich waren 2124, also fast sechs Angriffe mit dem Messer am Tag.
Polizei rüstet auf
Zusehends rüsten sich auch die Polizeien gegen die neuen Gefahren. In Hamburg werden versuchsweise normale Streifenpolizisten mit Tasern ausgerüstet. Daneben gibt es in der Hansestadt eine Unterstützungsstreife für erschwerte Einsatzlagen (USE), die „noch einmal robuster ausgestattet“ sei als die Peterwagen-Besatzungen. Die Entwicklung geht, ähnlich wie in Frankreich, hin zu einer immer stärker gerüsteten Polizei. In der Elbmetropole scheint die Lage dabei besonders dynamisch. Die Polizei Hamburg berichtet nun von einer erneut starken Zunahme der Messerangriffe im ersten Halbjahr 2023 um 23 Prozent. Daneben hätten auch die Schießereien deutlich zugenommen, nämlich um 31 Prozent. Es ist beinahe ein Notruf der Ordnungshüter.
Mit Schießereien hat auch Baden-Württemberg – genauer die Stuttgarter Gegend – zuletzt vermehrt zu tun. Alles deutet darauf hin, dass auch die zunehmenden Schießereien mit migrantischen Milieus, Clan- und Stammeskämpfen sowie organisierter Kriminalität zusammenhängen. Das erinnert an die Lage in Schweden, wo sich die Verhältnisse trotz vieler Ankündigungen noch nicht gründlich bessern ließen. Die Vororte der großen Städte sind dort zum Gang-Territorium geworden. In Deutschland droht offenbar Ähnliches.
Matthias Nikolaidis wuchs im östlichen Niedersachsen auf, war unter anderem als Musikkritiker und in der Öffentlichkeitsarbeit tätig. Heute lebt er als freier Journalist und Autor in Berlin.
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