Ideologische Straßenumbenennungen: Warum gedenkt man nicht der Opfer muslimischer Attentate?
Das Verwaltungsgericht Berlin entschied Anfang Juli, dass die „Mohrenstraße“ in „Anton-Wilhelm-Amo-Straße“ umbenannt werden darf.
Insbesondere Diktaturen nutzen die symbolische und propagandistische Wirkung von Ortsbezeichnungen. Die Nationalsozialisten ließen Straßen und Plätze mit vormals jüdischen Namen umbenennen, die DDR überschrieb ganze Städte im Sinne der stalinistischen Gewaltherrschaft. Heutzutage soll mit der fortschreitenden Umbenennung von öffentlichen Orten ein ideologisches Zeichen besonders in Richtung Grün und Wokeismus gesetzt werden. Problematisch ist dieses Vorgehen schon deshalb, weil das Gedenken einseitig gehandhabt wird und allzu durchsichtig einer linksgrünen politischen Agenda folgt. Heute wird ausschließlich nur jener gedacht, die in dieses Bessermensch Schema passen. Was ist mit all jenen Opfern in Deutschland, die den Messerattacken seitens der nichteingeladenen aber gern eingelassenen vor allem islamischen „Neu-Hinzugekommenen“ erliegen? Warum gebührt etwa auch den unschuldigen Opfern des schrecklichen islamischen LKW-Anschlags vom Breitscheidplatz in Berlin kein Erinnern in unserer Stadtlandschaft? (JR)
Die Diskussionen um die Umbenennungen von Straßen, deren Name heute als „rassistisch“ oder „kolonialistisch“ empfunden werden könnten, währt schon seit einiger Zeit. Im Juli hat das Berliner Verwaltungsgericht entschieden: Auch die Mohrenstraße in Mitte darf umbenannt werden. Doch dies ist nur ein Beispiel der urbanen Flurbereinigung zur Steuerung der Erinnerungskultur. Nicht erinnert wird an jene Opfer, die einer gewissen Agenda nicht entsprechen.
Unvergessen die Szene, als Diederich Heßling, Heinrich Manns Literatur gewordener „Untertan“, bei tosendem Gewitter die Statue seines angebeteten Kaisers Wilhelm I. der Öffentlichkeit präsentiert. Eine Szene, die nicht zuletzt deutlich macht: Das Denkmal galt weniger dem Kaiser, als der Darstellung der eigenen Gesinnung. Davon sind wir heute natürlich weit entfernt.
Sind wir das? In Berlin-Lichtenberg wurde der – bislang namenlose - Bahnhofsvorplatz nach einem Mann benannt, der dort ums Leben kam: Eugeniu Botnari war ein ortsbekannter Obdachloser aus Moldawien. Als er 2015 im dortigen Supermarkt bei einem Ladendiebstahl – trotz Hausverbots entwendete er eine Flasche Schnaps – ertappt wurde, mißhandelte ihn der Filialleiter schwer. Drei Tage später starb Botnari an den Folgen eines Hirntraumas. Ohne Frage beging der Filialleiter brutale Selbstjustiz; nach Zeugenaussagen nicht zum ersten Mal. Zwei Jahre später wurde er wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt. Heute dient die Benennung des Eugeniu-Botnari-Platzes als „Aufruf, sich Rassismus, Rechtsextremismus und Rechtspopulismus jederzeit entgegenzustellen“, so Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Die Linke).
Das kulturelle Gedächtnis einer Stadt
Straßennamen dienen der Orientierung. Doch gelangen durch sie nicht nur Besucher, Post oder Kunden an die richtige Adresse; vielmehr besitzen sie auch eine wichtige Funktion für das kulturelle Gedächtnis einer Stadt und bilden einen Ankerpunkt kollektiver Identität: Indem durch Straßennamen an Personen, Orte und Ereignisse erinnert wird, spiegeln sie Kultur und Weltanschauung einer Stadt, aber auch deren Herrschaftsverhältnisse wider. Denn die Auswahl der zu ehrenden Personen obliegt stets denjenigen, die aktuell die Deutungshoheit darüber besitzen, was für erinnerungswürdig erachtet wird.
Dies lässt sich besonders angesichts der politischen Transformationen des vergangenen Jahrhunderts nachvollziehen: Die Nationalsozialisten waren zwar nicht die ersten, die Straßen umbenannten, doch sie waren gründlich. Ein Erlass des Reichsinnenministeriums von 1938 verfügte, dass insbesondere Straßen mit jüdischen Namen zügig umbenannt werden sollten. Zur Benennung Berlins in „Germania“ kam es zum Glück nicht mehr, doch der real existierende Sozialismus der DDR benannte gleich ganze Städte um und folgte damit dem kommunistischen Bruderland UDSSR: Aus Chemnitz wurde Karl-Marx-Stadt. Insbesondere Diktaturen, so lässt sich erkennen, nutzen die symbolische, um nicht zu sagen propagandistische Wirkung von Ortsbezeichnungen.
Aktuell werden Straßennamen in Deutschland wieder heiß diskutiert. Umbenannt werden können jene, „die während der NS- und der DDR-Zeit an Menschen vergeben wurden, die sowohl aktive Gegner der Demokratie als auch Befürworter von NS-Ideologie und -Diktatur bzw. der stalinistischen Gewaltherrschaft waren“, informiert beispielsweise die Berliner Senatsverwaltung für Verkehr. Im Dezember 2020 wurden ausdrücklich auch Straßen einbezogen, die „nach Wegbereitern und Verfechtern von Kolonialismus, Sklaverei und rassistisch-imperialistischen Ideologien“ benannt sind. Dies bereitete den Weg nicht nur zur Umbenennung der Mohrenstraße in Berlin-Mitte; auch im Afrikanischen Viertel werden Namen von sogenannten „Kolonialverbrechern“ getilgt: Die Petersallee wurde im Gedenken an den antikolonialistischen Widerstand in die Anna-Mungunda-Allee und die Maji-Maji-Allee geteilt. Der Manga-Bell-Platz überschrieb den Nachtigalplatz, benannt nach dem Afrikaforscher Gustav Nachtigal. Dessen Denkmal in seinem Geburtsort Stendhal wurde im Zuge der antikolonialen Ausrichtung der DDR-Geschichtswissenschaft bereits 1970 entfernt, nach der Wiedervereinigung jedoch wieder aufgestellt. Die Biografien Gustav Nachtigals und Rudolf Manga Bells, König der Duala in Kamerun, sind durchaus miteinander verwoben und machen die Komplexität der deutschen Kolonialgeschichte deutlich.
Opferstatus als Prädikat
Mit Straßennamen wird von jeher an die Leistungen von Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft oder Kultur erinnert und ihnen ein – wenn auch kleines – Denkmal gesetzt. Bislang ehrte man damit Personen vornehmlich des eigenen Kulturraums, die nicht selten gerade aufgrund ihrer Lebensleistungen zu Opfern politischer Systeme wurden. In jüngster Zeit allerdings genügt immer häufiger auch der Opferstatus allein – wie der Fall Botnari zeigt.
Doch auch hier ist natürlich der Name Programm: Mit der Benennung von öffentlichen Orten nach Opfern soll „ein Zeichen gesetzt werden“. Ein Zeichen des Gedenkens, ein Zeichen durchaus auch der Schuld: „Das darf nie wieder geschehen!“, lautet der Subtext, wenn Namen von Leidtragenden – beispielsweise von Gewalttaten – in den öffentlichen Raum eingeschrieben werden.
Problematisch wird es dann, wenn dieses Gedenken einseitig gehandhabt wird und allzu deutlich einer politischen Agenda folgt. Wenn ausschließlich jenen gedacht wird, die in ein ideologisches Schema passen. Oder passend gemacht werden.
Das aktuell angewandte Schema ist natürlich das von Rassismus und Kolonialismus, also jenen „rassistisch-imperialistischen Ideologien“ von denen der Berliner Senat 2020 sprach. Nicht zufällig ist es dasselbe Jahr, in dem der Afroamerikaner George Floyd bei einer polizeilichen Festnahme ums Leben kam. Ein Todesfall, der, wenn auch längst nicht abschließend geklärt, sofort als rassistisch motiviert bezeichnet wurde und unter dem Motto „Black Lives Matter“ äußerst gewaltsame Massenausschreitungen in den USA, aber auch in Europa nach sich zog. Dies, wie auch die ähnlich gelagerten Ausschreitungen, die Frankreich jüngst erlebte, sind Höhepunkte in einer sich seit langem auswirkenden Agenda: Bereits 2001 verabschiedete die UN-Konferenz gegen Rassismus ein Aktionsprogramm, dessen Unterzeichner – darunter auch die Bundesrepublik Deutschland unter der rot-grünen Regierung Schröder/Fischer – sich dazu verpflichteten, „Opfer des Kolonialismus und des Rassismus zu ehren und Täter zu verurteilen“.
Strukturell rassistische Gesellschaft
Was aber ist mit all jenen Betroffenen, die nicht in den Narrativen „unbescholtener Migrant wird von wütendem weißen Mob verfolgt“ oder „von einer strukturell rassistischen Staatsgewalt getötet“ entsprechen? Was ist mit all jenen Opfern in Deutschland, die den Messerattacken von „Neu-Hinzugekommenen“ erliegen? Eines ist sicher: sie können die „Regeln des Zusammenlebens“ nun nicht mehr „jeden Tag neu aushandeln“, wie es die damalige Integrationsbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), im ersten Jahr der Migrationskrise forderte.
Keinesfalls aber können diese Verletzten, Vergewaltigten oder Ermordeten Opfer einer rassistisch motivierten Tat sein. Denn Rassismus kann, wie die aktuelle Ideologie verkündet, stets nur gegen Menschen mit einer höheren Anzahl an Farbpigmenten gerichtet sein. Weiße hingegen seien Nachkommen des Kolonialismus und beförderten auch heute noch eine strukturell rassistische Gesellschaft, können daher niemals selbst Betroffene rassistischer Angriffe sein. Dementsprechend gebührt ihnen auch keine Erinnerung innerhalb der Stadtlandschaft.
So wird auch den 2016 auf dem Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz Ermordeten, Verletzten und Traumatisierten ausschließlich als Opfer eines islamistischen Terroranschlags, eines extremen Einzelfalls also, gedacht. Einzelfälle werden auch jene Leidtragenden von Angriffen durch „Traumatisierte“ genannt, die zur falschen Zeit am falschen Ort – oder im falschen Zug waren. Ihrer als Leidtragende einer religiös motivierten Ideologie zu gedenken, die einem das Andere verachtenden Rassismus sehr nahe kommt, hieße jedoch für viele in Politik und Verwaltung, die eigene Agenda überdenken zu müssen.
„Ein kommunistisches System erkennt man daran, dass es die Kriminellen verschont und den politischen Gegner kriminalisiert“, schrieb einst der sowjetische Dissident Alexander Solschenizyn. Möglicherweise gilt dies nicht nur für den Kommunismus. Mit dem „Eugeniu-Botnari-Platz“ hat Berlin-Lichtenberg jedenfalls ein Zeichen gesetzt. Denn wie schon die alten Lateiner wussten: „Nomen est Omen“ – der Name ist Programm.
Regina Bärthel studierte Kunstwissenschaften und Germanistik. Sie leitete den Kommunikationsbereich verschiedener Kultureinrichtungen und veröffentlichte Texte zur bildenden Kunst. Heute ist sie als Journalistin und Essayistin tätig, unter anderem für die „Junge Freiheit“.
Sehr geehrte Leser!
Die alte Website unserer Zeitung mit allen alten Abos finden Sie hier:
alte Website der Zeitung.
Und hier können Sie:
unsere Zeitung abonnieren,
die aktuelle oder alte Ausgaben bestellen
sowie eine Probeausgabe bekommen
in der Druck- oder Onlineform
Werbung