Friedrich Merz flickt seine Brandmauer

CDU-Chef Friedrich Merz© CHRISTOF STACHE / AFP

Gäbe es eine Weltmeisterschaft im Zurückrudern, so wäre Friedrich Merz der aktuelle Anwärter auf den Weltmeistertitel. Nachdem der CDU-Chef angesichts des Umfragehochs der AfD eine Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene für möglich hielt, knickte er wieder unter dem Druck der Merkelianer aus seiner Partei ein. Was Friedrich Merz nicht zu verstehen scheint ist, was die meisten AfD-Wähler und Wahlinteressierten, die einst andere Parteien wählten, mit ihrem Votum sagen wollen. Sie wollen ohne Wenn und Aber eine Politik, die keinen für unseren Staat und seine Bürger suizidalen Einlass zumeist islamischer Rechtsverachtung und Gewaltbereitschaft fördert, sondern die sich am Wohle der Gemeinschaft orientiert und nicht an von jedem gesunden Menschenverstand verlassenen woken und suizidalen grün-linken Weltrettungsideologien. (JR)

 

Von Peter Grimm

 

Friedrich Merz hat schon manches Mal versucht, mit einer scheinbar klaren Ansage so zu tun, als würde er endlich einen Kurs abseits der wertebefreiten, aber dafür ideologieaffinen Linie der Merkel-CDU einschlagen wollen. Doch die Merkelianer mussten sich gar nicht lange empören, und Merz ruderte zurück. So war es gestern nun auch wieder. Zum Frühstückskaffee wurde der Nachrichtenkonsument noch mit der Meldung in den Tag begleitet, dass der CDU-Vorsitzende die strenge Abgrenzung zur AfD etwas aufweichen und seinen Parteifreunden künftig gestatten wolle, auf kommunaler Ebene mit gewählten Kommunalpolitikern aus der AfD zu reden und Sachpolitik zu betreiben.

Der Parteivorsitzende hatte offenbar erkannt, dass das nicht ganz zu vermeiden ist, wenn beispielsweise der direkt gewählte Landrat zu dieser bösen Partei gehört. Man könnte den Landrat als Kommunalpolitiker nun trotzdem demonstrativ schneiden, nur dürfte das der eigenen Gemeinde eher schaden als nutzen. Was sich viele Bundespolitiker inzwischen abtrainiert haben, ist bei Kommunalpolitikern noch weit verbreitet, nämlich die Überzeugung, dass man dem Gemeinwesen, für das man Verantwortung trägt, nicht um eines abstrakten Prinzips willen sehenden Auges Schaden zufügt. Deshalb loten Kommunalpolitiker schon länger Kooperationsmöglichkeiten aus.

In der Lebenswelt der mental zumeist eher im urbanen Raum beheimateten Vertreter von Parteiapparaten und Medienhäusern bemerkt man das vielleicht nicht, aber im Interesse der eigenen Gemeinde, der eigenen Stadt oder des eigenen Landkreises hat man sich parteiübergreifend von Brandmauern längst verabschiedet. Vielerorts hat deshalb niemanden überrascht, womit Bild allenfalls die Leser schockierte, die glauben, eine solche Brandmauer würde noch 50 oder 100 Jahre halten:

„Kooperationen auf kommunaler Ebene mit der AfD gibt es seit Längerem.

- In Sachsen bildete ein parteiloser Grünen-Gemeinderat aus der Gemeinde Gohrisch mit zwei Gemeinderäten von AfD und CDU sogar eine Fraktion.

- In Waren/Müritz stimmten SPD, Linke und Grüne einem AfD-Antrag über die Bewirtschaftung der kommunalen Wälder zu.

- Im Dezember 2022 stimmte die SPD in Hildburghausen (Thüringen) mit der AfD für ein Abwahlverfahren gegen den Bürgermeister der Linken.

- Sogar auf Landesebene stimmten bereits Vertreter etablierter Parteien mit der AfD. Im September 2020 beantragte die Baden-Württemberger SPD im Landtag, die Duldung integrierter Asylsuchender zu prüfen. Dagegen stimmten die Grünen gemeinsam mit CDU und AfD. Der Antrag scheiterte.“

Wer dies morgens las und sich dachte, dass Friedrich Merz vielleicht im Interesse vieler Parteifreunde aus der Kommunalpolitik etwas gar nicht so Unvernünftiges gesagt hat, hätte sich diese Gedanken sparen können. Angesichts der erwartbaren Empörung der erwartbar Empörten ruderte der CDU-Vorsitzende bereits zurück, bevor der durchschnittliche deutsche Medienkonsument überhaupt bei seiner Mittagspause angekommen war. Auch zuvor hatte er ja mitnichten den Fall der Brandmauer zur AfD verkündet, sondern sie nur fürs Kommunale etwas öffnen wollen. Immer wieder hatte er betont, auf Landes- und Bundesebene würde er weiter darüber wachen, dass niemand auf Kooperationsgedanken käme.

 

„Immer Feind“

Statt nun seine innerparteilichen Kritiker aus der Merkel-Ecke darauf hinzuweisen und einen kleinen eigenen Akzent ein einziges Mal zu verteidigen, musste Merz unbedingt wieder zurückrudern. Offenbar lässt sich der große Vorsitzende der (noch?) größten Oppositionspartei von solch markigen Worten beeindrucken, wie sie eine Parteifreundin, die Bundestags-Vizepräsidentin Yvonne Magwas, schrieb: „Ob Ortschaftsrat oder Bundestag, rechtsradikal bleibt rechtsradikal. Für Christdemokraten sind Rechtsradikale IMMER Feind!“

Klingt ebenfalls schön radikal (oder darf man sagen „populistisch“?), aber Frau Magwas, die eigentlich aus der vogtländischen Provinz stammt, scheint nicht mehr zu wissen, was Großstädter wie ich erst lernen mussten, nämlich dass im Ortschaftsrat der engagierte Nachbar meist nicht plötzlich zum „Feind“ wird, nur weil er der „falschen“ Partei angehört. Lustig war auch die Reaktion des bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Markus Söder. Ausgerechnet dieser Meister im Meinungswechsel ließ verlauten, er sei „nicht bereit, den Anstand und das Gewissen der CSU zu riskieren“ für ein oder zwei Prozent zusätzlich in Umfragen. Immerhin wissen wir jetzt, dass Markus Söder die Begriffe Anstand und Gewissen zwar aus seinem politischen Leben, aber noch nicht aus seinem Wortschatz verbannt hat.

Doch zurück zu Merz, der solchen Reaktionen nicht einmal ein paar Stunden lang standzuhalten vermochte, sondern twitterte: „Die Beschlusslage der CDU gilt. Es wird auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben.“

Wer zu den Mitbürgern mit einer etwas höheren Zahl an Jahresringen gehört, wird sich denken können, was als Nächstes kommt. Es wird ein Satz sein wie: Eine Zusammenarbeit mit Kommunalpolitikern, die der AfD angehören, ist aber nicht zwingend eine Zusammenarbeit mit deren Partei. Die Älteren kommen deshalb auf solche Gedanken, weil sie vor mehr als 25 Jahren schon einmal erlebt haben, wie eine zunächst eherne Brandmauer fiel, was auch mit dem Bekenntnis zu rein kommunaler Zusammenarbeit begann. Damals ging es um die mögliche Kooperation der SPD mit der im Osten starken SED-Nachfolgepartei, die sich seinerzeit noch PDS nannte.

Die kommunale Zusammenarbeit galt gewogenen Medien und vielen Parteifunktionären als Beweis dafür, wie pragmatisch-demokratisch man doch mit Genossen arbeiten kann, deren Partei die führende Kraft einer erst wenige Jahre zuvor gestürzten Diktatur war. Bereits 1994 wurden die SED-Nachfolger als Mehrheitsbeschaffer für eine rot-grüne Landesregierung in Sachsen-Anhalt ins Boot geholt. Im November 1998 durften die SED-Erben in Mecklenburg-Vorpommern erstmals in einer Demokratie mitregieren. Mit Brandmauern zur einzigen noch existierenden deutschen Partei, die die führende Rolle in einer Diktatur innehatte, hielt man sich im rot-grünen Lager nicht allzu lange auf. Inzwischen denkt man ja sogar in der CDU über Koalitionen mit den SED-Erben nach. In der DDR hatte die Blockpartei CDU auch an der Seite der SED gestanden – die Geschichte hat offenbar einen Sinn für speziellen Humor.

 

„Wir versuchen, Normalisierung ins Geschäft zu bringen.“

Aber wieder zurück zu Friedrich Merz, der gerade mit der Brandmauer nach rechts stärker beschäftigt ist als mit der Brandmauer nach links. Vielleicht hilft ihm ja beim Reden und Schreiben in dieser schweren Zeit eine kleine Zeitreise in das Jahr 2000. Damals dachte die SPD unter Kanzler Gerhard Schröder vorsorglich über weitere Koalitionsoptionen im Bund nach. Was lag da näher als die PDS. Das galt seinerzeit sogar für viele Sozialdemokraten noch als anstößig. Und die Annäherungsversuche an die SED-Erben musste der damalige SPD-Generalsekretär Franz Müntefering nun im Deutschlandfunk in gute Worte kleiden. Wie dieser Genosse die Nachfragen pariert hat, davon kann Friedrich Merz vielleicht noch etwas lernen. Wobei Müntefering natürlich mehr Zeit zum Nachdenken hatte. Sofort auf Twitter reagieren, musste er nicht, denn das Twittern begann erst im Jahr 2006.

 

Am Wohl des Gemeinwesens orientiert

Inzwischen gibt es in Thüringen einen Ministerpräsidenten der SED-Erben mit SPD und Grünen als Juniorpartner, der auch von der CDU mit an der Macht gehalten wird. Nur der Vollständigkeit halber: Der Autor dieser Zeilen fand es seinerzeit verheerend, dass eine Partei, die allein schon materiell immer noch von der Diktatur profitierte, für die sie verantwortlich war und dafür nie haftbar gemacht wurde, so schnell wieder Zugang zur Macht bekam. Doch egal wie man das bewertet hat oder heute bewertet, auch diese Erfahrung, wie wenig Brandmauern am Ende wert sind, ist einer der Gründe, warum gerade viele Ostdeutsche die heutigen Brandmauerschwüre nicht ernst nehmen.

Bei der AfD ist der große Zuspruch nicht auf den Osten beschränkt. Und egal ob Merz entsprechendes zur AfD sagt oder wie oft er noch zurückrudert – letztlich geht es nicht darum. Es geht darum, dass endlich einer anfangen muss, mit praktischer Politik zu zeigen, dass er ernst nimmt, was die meisten AfD-Wähler und Wahlinteressierten, die einst andere Parteien wählten, mit ihrem Votum sagen wollen. Sie wollen eine Politik, die sich erkennbar und spürbar zuerst am Wohl des Gemeinwesens orientiert und nicht an Weltrettungsideologien. Wer das liefert, muss sich keine Gedanken um die Gestaltung von Brandmauern machen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei achgut.com

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