Antwort an Sawsan Chebli – Warum Meinungsfreiheit keine Gewalt ist und wie wir sie verteidigen können

Die ehemalige Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) erstattete laut eigenen Angaben bis zu 30 Strafanzeigen pro Woche wegen Hasskommentaren.
© AYHAN SIMSEKANADOLU AGENCYAnadolu Agency via AFP

„LAUT: Warum Hate Speech echte Gewalt ist und wie wir sie stoppen können“, so heißt das neue Buch der SPD-Politikerin Sawsan Chebli. Der engagierte Autor und Schauspieler Gerd Buurmann möchte daher ebenfalls laut werden und erklären, warum Kritik per se kein Hass ist und warum vor allem die Meinungsfreiheit als übergeordnetes Gut gegenüber intoleranten Religionen wie beispielsweise dem Islam verteidigt werden muss. Cheblis einseitige Einlassung, die sie im umgekehrten Falle ganz offensichtlich nicht gelten lässt, scheint nichts anderes zu bezwecken als die Diffamierung, wenn nicht gar das Verbot jeglicher berechtigter Islamkritik. (JR)

Von Gerd Buurmann

„Über neunzig Prozent meiner Anzeigen laufen ins Leere. Ich krieg’ immer von den Gerichten zurück, der Täter ist nicht ermittelbar oder das handelt sich um eine Meinungsfreiheit und vieles mehr, und das muss endlich ein Ende haben, damit Menschen sich auch im Netz frei bewegen können.“

Das sind die Worte von Sawsan Chebli aus der Tagesschau vom 11. April 2023. Eine deutsche Politikerin erklärt offen, dass die Meinungsfreiheit endlich ein Ende haben muss. Ich sage laut: Nein! Die Meinungsfreiheit ist unser höchstes Gut und muss verteidigt werden.

Sawsan Chebli behauptet, Meinungsfreiheit schließe keine Hassreden und keine Falschaussagen ein, aber genau das tut sie. Es ist die exakte Definition von Meinungsfreiheit, dass auch falsche Meinungen geäußert werden dürfen.

Was soll das überhaupt sein, Hassrede? Jeder Mensch hasst irgendwas. Ich zum Beispiel hasse Nazis und diese Meinung darf ich frei äußern. Hass ist eine menschliche Eigenschaft. Jeder Mensch hasst irgendwas, ob nun Rassismus, das neue Album von Madonna oder Brokkoli.

Das Wort „Hassrede“ ist ein völlig schwammiger Begriff. Wer mit dem Wort „Hassrede“ arbeitet, statt mit den juristisch klar definierten Begriffen „Beleidigung“ oder „Verleumdung“, und damit sogar das Recht auf freie Meinung einschränken will, nimmt die Verwässerung und Aushöhlung der Meinungsfreiheit in Kauf.

Wenn Menschen sich uneinig sind, gibt es zwei Möglichkeiten, wie sie mit ihren Differenzen umgehen können. Sie können sich entweder direkt aufs Maul hauen oder sie können ihrer Mäuler nutzen, um zu debattieren. Der Meinungsaustausch, auch der Austausch von Meinungen über Dinge, die man hasst, ist die pazifistischste Form, mit der Menschen ihr Differenzen austragen können. Es geht nicht gewaltfreier als so. Hassrede ist die gewaltfreiste Form des Hasses. Einen Menschen jedoch daran zu hindern, seine Meinung zu äußern, ist Gewalt. Wer Hassrede verbietet, nutzt Gewalt, um etwas zu verhindern, das gewaltfrei ist.

 

Es gibt kein Zuviel an Meinungsfreiheit

Es gibt jedoch ein Zuviel an Angst und ein Zuviel an Beleidigtsein. Gegen Meinungen, die schmerzen, mögen sie nun schmerzen, weil sie wahr sind oder weil sie unwahr sind, hilft nur die Gegenrede als zivilisierte Form der Verteidigung. Eine Beleidigung, die in die Richtung eines Menschen gefeuert wird, beleidigt den Menschen nur, wenn er die Beleidigung in seinem Kopf annimmt. Eine Faust oder eine Kugel jedoch, die in die Richtung eines Menschen abgefeuert wird, verletzt oder durchlöchert den Kopf unabhängig von der Haltung des Menschen. Wer eine Beleidigung nicht hört, lebt. Wer eine Kugel nicht hört, stirbt. Das ist der Unterschied.

Wer glaubt, ein Mensch sei eine Gefahr, weil er spricht, glaubt auch, eine Frau sei eine Gefahr, wenn sie ohne Verschleierung aus dem Haus geht.

Die Zensur ist für die Redefreiheit das, was der Schleier für die Rechte der Frau ist. Jede Frau darf selbst entscheiden, ob sie einen Schleier tragen möchte, so wie jeder Mensch selbst entscheiden darf, ob und zu was er oder sie schweigen will. Es darf keinen Zwang geben, weder für den Schleier noch für den Mantel des Schweigens.

 

Meinungsfreiheit gilt auch für die Hassrede!

Wäre die Hassrede nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt, hätte der Koran schon längst verboten werden müsse , denn da stehen einige deutliche Aufrufe zur Gewalt drin.

Stellen Sie sich einfach mal vor, Sie sehen in eine Kneipe einen Mann mit einem Hakenkreuz am Revers. Sie würden denken: „Oh, ein Nazi, dem gebe ich kein Bier aus.“ Jetzt stellen Sie sich aber mal vor, er trüge dieses Hakenkreuz nicht, weil es verboten wäre. Sie würden sich vielleicht hinsetzen, sich vorstellen und er würde Sie nicht mit „Heil Hitler“ begrüßen, weil das unter Hassrede fällt. Sie würden ein wenig plaudern, dabei das ein oder andere Bier trinken, vielleicht sogar ein Bier ausgeben, bis das Gespräch auf ein Thema fällt, bei dem Sie plötzlich merken: „Scheiße, ein Nazi!“ Dann aber ist es zu spät. Sie haben ihm bereits ein Bier ausgegeben. Alles nur, weil ein Verbot des Hakenkreuzes und des Sagens von „Heil Hitler“ Sie daran gehindert hat, den Mann sofort als das zu erkennen, was er ist. Ich möchte wissen, wie jemand drauf ist, bevor er zur Tat schreitet.

 

Meinungsfreiheit ist ein präventiver Schutzmechanismus

Nur durch die Artikulation der Gedanken lerne ich das Innere eines Menschen kennen und kann so rechtzeitig entscheiden, ob ich mich vor ihm schützen sollte oder von ihm lernen kann. Meinungsfreiheit nutzt dem Gehassten immer mehr als dem Hassenden.

Wenn es Leuten schlecht geht, flüchten sie. Manche flüchten in andere Länder, andere flüchten in Ideologien. Einige Länder und Ideologien sind gut, andere weniger. Wer das Äußern einer Meinung verbietet, sorgt lediglich dafür, dass die Meinung nur noch gedacht wird. Aber nur weil ich jemanden nicht mehr höre, heißt das nicht, dass er die Sache nicht mehr denkt. Die Meinung wird lediglich erst sichtbar, wenn sie sich zu einer Handlung entwickelt hat. Dann aber ist es oft zu spät.

Andere Meinungen auszuklammern, ist so effektiv wie das kleine Kind, das sich die Hände vor die Augen hält und glaubt, so sei die Gefahr verschwunden. Internetseiten zu löschen, im Glauben, man würde dadurch etwas verhindern, ist so produktiv, wie Bücher zu verbrennen.

Wer die Meinungsfreiheit einschränken will, verbrennt keine Bücher, sondern Gedanken.

Es gibt Menschen, die sind so frei von jedem Zweifel und so sicher, auf der richtigen Seite des Lebens zu stehen, dass sie Gewalt rechtfertigen oder billigend in Kauf nehmen, um ihre Gewissheit zu manifestieren. Jeder Mensch läuft Gefahr, in das Schussfeld dieser Selbstgerechtigkeit zu geraten.

„Wehret den Anfängen“ brüllen diese gerechten Putztruppen und meinen damit doch nur die Anfänge einer Zukunft, die sie aus ihrer Angst konstruieren. Aus Angst nehmen sie andere Menschen als Geisel ihrer Vermutung. Diese Angst ist die Wurzel des totalitären Denkens, die Gewalt über Gedanken als Präventivschlag ermöglicht.

Worte können zu Taten werden. Gerade deshalb müssen die Worte artikuliert werden dürfen.

Das Problem in der Zeit des Nationalsozialismus war nicht, dass „Der Stürmer“ zu erwerben war, sondern die Tatsache, dass sich die Nationalsozialisten zunächst die persönliche und später auch die staatliche Gewalt nahmen, andere Meinungen und Zeitungen zu verbieten, die ohne Probleme die Ideologie der NSDAP hätten entlarven können.

Die Nationalsozialisten nutzen nicht die Meinungsfreiheit, um Gewalt auszuüben, sondern sie nutzten Gewalt, um die Meinungsfreiheit zu attackieren. Nichts fürchten jene, die Unrecht haben, mehr als die Meinungsfreiheit. Darum erklärten auch die Nationalsozialisten in ihrem 25-Punkte-Programm unter Punkt 23:

„Wir fordern den gesetzlichen Kampf gegen die bewußte politische Lüge und ihre Verbreitung durch die Presse. Um die Schaffung einer deutschen Presse zu ermöglichen, fordern wir, Zeitungen, die gegen das Gemeinwohl verstoßen, sind zu verbieten. Wir fordern den gesetzlichen Kampf gegen eine Kunst- und Literaturrichtung, die einen zersetzenden Einfluß auf unser Volksleben ausübt und die Schließung von Veranstaltungen, die gegen vorstehende Forderungen verstoßen.“

Aufgrund des „Gemeinwohls“, Meinungen kriminalisieren, Veranstaltungen schließen, Bücher verbieten und Zeitungen abschaffen. Das ist die Gedankenwelt der Nazis.

„LAUT: Warum zu Hass entartete Sprache echte Gewalt ist und wie wir sie stoppen können“

Was Hass ist, das bestimmten natürlich die Nazis selbst. Ein Staat, der sich das Recht nimmt, eine Meinung einzuschränken, weil sie Hass sei, der entscheidet auch darüber, wann eine Meinung Hass ist; und ein Staat nimmt sich dieses Recht mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen. Ein Staat, der die Meinung einschränkt, tut dies stets mit Waffengewalt, nämlich mit der Waffe des Staates und seinen bewaffneten Beamten.

Man sollte sich in Acht nehmen vor einem Staat, der im Namen des Friedens und der Liebe Meinungen einschränkt, denn dieser Staat neigt dazu, jeden Menschen zu einem hasssprechenden Kriegsaktivisten zu erklären, sobald er es auch nur wagt zu widersprechen.

In einer Demokratie wechseln sich Machtverhältnisse ständig. Jede Gruppierung kann an die Macht kommen. Auch Menschen mit unangenehmen Meinungen werden mal an entscheidende Positionen der Macht kommen. Ich möchte nicht, dass sie ein System vorfinden, das es ihnen ermöglicht, andere Meinungen einzuschränken oder zu verbieten.

Bei jedem Gesetz sollte man sich stets die Frage stellen, ob man wollen kann, dass dieses Gesetz auch gilt, wenn die politischen Gegner an der Macht sind. Wenn diese Frage mit Nein beantwortet wird, sollte man sich laut gegen dieses Gesetz aussprechen.

 

Dieser Artikel erschien zuerst bei tapferimnirgendwo.com

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