Die Nationale Sicherheitsstrategie ist Leerlauf, Hochstapelei und kein Beitrag zur nationalen Sicherheit

Das Außenministerium unter Annalena Baerbock war federführend mit der „ressortübergreifenden“ Ausarbeitung des „Strategiepapiers“ beauftragt.
© HENRY NICHOLLS POOLAFP

Die „Ampel“-Regierung hat am 14. Juni ihre Sicherheitsstrategie vorgestellt: Auf 76 Seiten geht es viel um ihre neue Klima-Religion und ganz wenig um Energiesicherheit. Auch zur zwingenden Verbesserung der inneren Sicherheit, die eigentlich zum Zuständigkeitsgebiet der Innenministerin Nancy Faeser gehört, findet man keinesfalls ausreichend Substantielles. Mehr noch: Das ressortübergreifende „Ampel“-Papier wurde zu allem Überfluss auch noch federführend vom Außenministerium erarbeitet und kommt nicht über eine Bachelorarbeit à la Baerbock hinaus. (JR)

Von Josef Kraus

Geradezu beseelt wirkt das Papier, wenn's ums „Klima“ geht: 74-mal kommt der Begriff vor. So mit dem Satz von Deutschland als Weltenretter: „Investitionen in unser Klima verhelfen Menschen überall auf der Welt zu Wohlstand und Entwicklung und fördern unsere Sicherheit.“ Vieles kommt ansonsten nur dürftig oder gar nicht zur Sprache: „Energiesicherheit“ nur 2-mal andeutungsweise.

Nach einem offenbar zähen internen Ringen hat die „Ampel“-Regierung am 14. Juni 2023 eine (ihre) „Nationale Sicherheitsstrategie“ vorgestellt: 76 Seiten, davon gut 20 Seiten schöne Bilder. Aber Papier ist ja geduldig. Der mit der Arbeit seiner Ampel stets höchstzufriedene Kanzler Scholz meint jedenfalls: eine „klasse Arbeit“.

Schauplatz der Präsentation war die Bundespressekonferenz. Aufgetreten sind mit Kanzler Scholz, Verteidigungsminister Pistorius und Innenministerin Faeser drei SPD-Leute, ferner FDP-Chef und Finanzminister Lindner sowie die „grüne“ Außenministerin Baerbock. Die meisten Redeanteile hatte …. Wer wohl? Klar, Baerbocks Haus war federführend mit der „ressortübergreifenden“ Ausarbeitung dieses „Strategiepapiers“ beauftragt. Sogar so federführend, dass es Ende 2022 Knatsch gab. Denn das Kanzleramt war mit einem ersten Entwurf ganz und gar nicht zufrieden, und auch die FDP hatte einen ersten Entwurf als bloße „Ideensammlung“ abqualifiziert. Aus dem ehrgeizigen Ziel Baerbocks, die „Nationale Sicherheitsstrategie“ im Februar 2023 bei der Münchner Sicherheitskonferenz vorzustellen, wurde also nichts.

„Ideensammlung“: Damit hat die FDP ausnahmsweise immer noch Recht. Denn mehr als eine dünne Ideensammlung ist das Papier nicht. Man bleibt im Allgemeinen. Kein Leser weiß so ganz genau, in welche Richtung konkret Deutschlands nationale Sicherheit geht. Repräsentativ dafür mag eine Passage der Seite 14 gelten. Dort lesen wir: „Die Bundesregierung wird ihr Engagement zur Bekämpfung von Armut und Hunger, sozialer Ungleichheit und der Klimakrise verstärken. Dort, wo Regierungen Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit untergraben, richten wir unsere Zusammenarbeit stärker auf nichtstaatliche Akteure, die lokale Ebene sowie auf multilaterale Ansätze aus. Zugleich stärken wir jene Partnerregierungen, die sich wie wir für die internationale Ordnung auf Grundlage des Völkerrechts einsetzen. Die Bundesregierung wird ihre Entwicklungspolitik noch stärker an ihren strategischen Zielen ausrichten.“ Aha! Da darf denn auch die „feministische“ Außen- und Entwicklungspolitik nicht fehlen. 6-mal wird sie genannt. Und alles ist natürlich auf „Resilienz“ ausgerichtet. Dieser Modebegriff taucht 41-mal auf, und – ehrlich gesagt – wissen wir immer noch nicht so recht, was ein fortschreitend grün-deindustrialisiertes, „national resilientes“ Deutschland ist.

Durchwachsene öffentliche Resonanz

Die Presse hat die Phrasenhaftigkeit des Papiers teilweise durchschaut. Das nicht gerade regierungskritische Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) meinte: „Kein großer Wurf“. Christian Geyer freilich schrieb in der FAZ: „Baerbocks Sicherheitsdenken geht unter die Haut.“ Die NZZ schreibt am 14. Juni online: „Die deutsche Regierung wollte eine Nationale Sicherheitsstrategie vorlegen. Das hat sie während der Arbeit daran offenkundig vergessen.“ Und weiter: „Es gibt eine beliebte Methode, um grösser zu scheinen, als man ist: Man plustert sich auf. Das kann die Ampelregierung in Berlin ziemlich gut.“

Dass CDU/CSU das Papier zerreißen, war zu erwarten. Die größte Oppositionsfraktion moniert zu Recht, das Papier sei „blutleer“ und „irrelevant“, der Verzicht auf Nationalen Sicherheitsrat sei falsch, und es fehle die Abstimmung mit EU und Bundesländern. Stimmt!

Allerdings sollte man nicht vergessen, dass 16 Jahre Merkel offenbar nicht ausgereicht haben, eine „Nationale Sicherheitsstrategie“ zu entwickeln.

 

Schwachpunkte und Hochstapeleien noch und noch

Wir greifen über die erste Kommentierung des Papiers auf TE hinaus ein paar Passagen heraus und rätseln, wie die „Ampel“ in Sachen „Sicherheit“ überhaupt tickt.

1. Ohne „Zeitenwende“ geht es auch in diesem Papier nicht. 6-mal kommt der Begriff vor. Die Ukraine wird 12-mal genannt, Russland 13-mal. Besonders markant mit dem folgenden Satz: „Das heutige Russland ist auf absehbare Zeit die größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit im euroatlantischen Raum.“ (S. 11/12) China kommt 6-mal vor, Taiwan nicht. Die Türkei ist nicht im Text vertreten, Großbritannien auch nicht, Frankreich 5-mal, die USA 3-mal. Allein diese Statistik lässt vermuten, dass die „Ampel“ keine Vorstellung hat, wie eine zukünftige Friedensordnung etwa in Europa und in Fernost ausschauen könnte. Macht ja nix. Deutschland hat laut Vorwort von Baerbock ja ein „diplomatisches Gewicht.“ (S. 6)

2. Gar nicht in die real praktizierte Politik der „Ampel“ passt folgender Satz: „Ebenso kommt der konsequenten Fortentwicklung der grenzpolizeilichen Vorverlagerungsstrategie sowie der Bekämpfung der organisierten Schleusungskriminalität dabei besondere Bedeutung zu. Der wirksame Schutz der gemeinsamen EU-Außengrenzen ermöglicht den Erhalt des gemeinsamen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts.“ (S. 39). Das ist denn doch ziemlich verlogen. Oder mit Blick auf AfD-Wähler gedacht? Nein, nein, nein! Probleme mit der Migration werden im Papier zwar angedeutet. Aber dann folgt gleich der Satz: „Eine geregelte Zuwanderung dagegen bereichert Deutschland; nicht zuletzt aufgrund der demografischen Entwicklung ist unser Land darauf auch angewiesen.“ (S. 27)

3. Und dann kommt wieder das am 27. Februar 2022 gemachte Versprechen in Sachen Finanzierung der Bundeswehr zum Einsatz. „Zunächst durch das neue geschaffene Sondervermögen Bundeswehr werden wir im mehrjährigen Durchschnitt unseren 2%-BIP-Beitrag zu den Nato-Fähigkeitszielen erbringen. Zugleich werden wir unsere Investitionen in den Schutz kritischer Infrastrukturen, Cyberfähigkeiten, eine handlungsfähige Diplomatie, den Bevölkerungsschutz, die Stabilisierung unserer Partner sowie eine engagierte humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit stärken.“ (S. 13) 2% vom BIP: Das wären jährlich gut 70 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Derzeit verfügt die Bundeswehr über einen Jahresetat von rund 50 Milliarden.

4. Dann heißt es auch noch: „Die Bundesregierung wird ihre Cyber- und Weltraumfähigkeiten sowie ihre Weltraumlagefähigkeiten erweitern, damit diese einen wesentlichen Beitrag zu kollektiver Abschreckung und Verteidigung in der NATO leisten können.“ (S. 34) Und: „Die Bundesregierung wird die Spionage- und Sabotageabwehr weiterhin stärken.“ (S. 48) Wie das Ganze? Darüber schweigt sich das Papier aus. Die am Papier offiziell beteiligte Innenministerin Faeser hat sich da ziemlich zurückgehalten, hat sie doch immer noch den Skandal um die unbegründete Strafversetzung des vormaligen Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, im Nacken. Alles kein Beitrag zur Cybersicherheit Deutschlands!

5. Überhaupt „Faeser“: Zur Sicherheit Deutschlands gehört gleichberechtigt mit äußerer Sicherheit eben auch innere Sicherheit. Dafür wäre Faeser zuständig. Hierzu finden wir wenig. Wiewohl Deutschlands Sicherheit eben auch in Duisburg-Marxloh oder in Berlin-Kreuzberg oder in Leipzig-Connewitz zu verteidigen wäre. Wenig finden wir auch zum Thema „Zivilschutz“ als Aufgabe des Bundes laut Grundgesetz Art. 73. Der Begriff „Bevölkerungsschutz“ kommt zwar vor, aber wie dieser verbessert, beziehungsweise – da darniederliegend – geschaffen werden kann: Fehlanzeige!

6. Geradezu beseelt wirkt das Papier, wenn es um das Klima geht. „Klima“ kommt denn auch 74-mal vor. Zum Beispiel mit dem folgenden Satz, der Deutschland als Weltenretter voraussetzt: „Investitionen in unser Klima verhelfen Menschen überall auf der Welt zu Wohlstand und Entwicklung und fördern unsere Sicherheit.“ (S. 7).

7. Vieles kommt ansonsten nur dürftig oder gar nicht zur Sprache. Von „Energiesicherheit“ ist nur 2-mal andeutungsweise die Rede. Wehr- oder Dienstpflicht als möglicher Beitrag zur Sicherheit fehlt. Und vor allem: Es ist an keiner Stelle von der Einrichtung eines „Nationalen Sicherheitsrates“ die Rede. Dabei wäre eine solche Institution doch im Interesse raschen und abgestimmten Handelns in Krisenzeiten höchst überfällig.

Alles in allem: Viel Plattitüden! „Strategie“ sollte man es nicht nennen. Denn „Strategie“ heißt eigentlich: ein unter Berücksichtigung aller möglichen Einflussfaktoren und Auswirkungen durchdachtes Vorgehen zum Erreichen eines Zieles. Das ist das „Ampel“-Papier nicht. Und so kommt das Papier eigentlich nicht über eine Bachelorarbeit à la Baerbock hinaus.

 

Dieser Artikel erschien zuerst bei Tichys Einblick

 

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