„Die ganze Welt und die Familien der Opfer von Auschwitz werden aufatmen“ – Der Generalstaatswalt der Auschwitz-Prozesse Fritz Bauer
Fritz Bauer © Wikipedia/ https://www.fritz-bauer-institut.de
Der jüdisch-deutschen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer war überzeugt, dass das menschliche Leben und die persönliche Würde die höchsten moralischen Werte sind, denen ein Jurist folgen muss. Deshalb waren die menschenverachtenden Verbrechen der Nazis zwangsläufig zu bestrafen, nicht aus Rachegefühlen, sondern aus Gründen der Gerechtigkeit. Bauer sah es als seine Pflicht an, Gräueltaten wie die von Adolf Eichmann, der wesentlich für die "Endlösung der Judenfrage" verantwortlich war, zu ahnden. 1960 übermittelte Bauer dem Mossad den konkreten Aufenthaltsort Eichmanns, dem dann in Israel der Prozess gemacht werden konnte. Zudem trug Fritz Bauer maßgeblich dazu bei, eine breite öffentliche Diskussion über den Holocaust in Deutschland anzustoßen. Als Initiator der Frankfurter Auschwitz-Prozesse durchbrach er das langjährige bösartige Schweigen der deutschen Gesellschaft über ihre braune Vergangenheit. (JR)
Der Oberstaatsanwalt Fritz Bauer gehörte im Nachkriegsdeutschland zu den entschlossensten Kämpfern gegen die Überreste des Nationalsozialismus und trug wesentlich dazu bei, das soziale, rechtliche und moralische Bewusstsein der Deutschen zu wecken.
Sein Vater, Ludwig Bauer, war Kaufmann: Er war Textilgroßhändler, besaß ein Haus in der Stuttgarter Innenstadt und ein Geschäft in Tübingen. Er nahm am Ersten Weltkrieg teil, war Grenadier und Ritter des Ehrenkreuzes. Er heiratete 1902 Ella, die Tochter von Gustav Hirsch, einem Antiquitätenhändler und Vorsteher der orthodoxen jüdischen Gemeinde in Tübingen. Sie bekamen am 16. Juli 1903 einen Sohn, Fritz, und drei Jahre später eine Tochter, Ella. Die Familie Bauer war liberal, und der Sohn wuchs nicht religiös auf. Von 1912 bis 1921 besuchte er das Herzog-Eberhard-Ludwig-Gymnasium in Stuttgart. Hier begegnete er zum ersten Mal dem aggressiven Antisemitismus. Einmal, in der ersten Klasse, verprügelten mehrere Mitschüler den bebrillten Fritz aus Eifersucht darüber, dass der Lehrer ihn für sein Wissen lobte, und einer von ihnen rief aus: "Deine Familie hat Jesus getötet!"
Nach dem Abitur begann Fritz ein Studium der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Heidelberg, München und Tübingen. Mit Begeisterung studierte er die Werke von Gustav Radbruch, dem Justizminister der Weimarer Republik, der den Vorrang der Gerechtigkeit in der Gesellschaft proklamiert hatte. In der Nachfolge des Professors vertrat der Student die Ansicht, dass "Juristen die Vorposten eines Rechtsstaates gegen unseren angeborenen Hang zum Polizeistaat sind". In seiner Jugend habe er die organische Verbindung von juristischer und richterlicher Tätigkeit als selbstverständlich angesehen. "Ich wusste schon damals genau, wo ich hingehören wollte", sagte Bauer später. Als Student war er Mitglied einer liberalen jüdischen Studentenvereinigung und mischte sich in politische Diskussionen ein. 1920 trat er den Sozialdemokraten bei.
Der jüngste Amtsrichter
Im Dezember 1924 legte Fritz Bauer in Tübingen sein erstes juristisches Examen ab und begann als Rechtsanwalt zu arbeiten. Ein Jahr später promovierte er in Heidelberg bei Professor Karl Geiler, dem späteren hessischen Ministerpräsidenten, mit einer Dissertation über "Die rechtliche Struktur des Treuhandwesens". Im Februar 1928 wurde er nach bestandener zweiter juristischer Prüfung zum Assessor am Stuttgarter Gerichtshof ernannt. Im April 1930 schließlich wurde Bauer im Alter von 26 Jahren der jüngste Amtsrichter Deutschlands in dieser Stadt.
Fritz Bauer gehörte zu dem Teil der Jugend in der Weimarer Republik, der eine aktive gesellschaftliche Selbstvergewisserung suchte. Er gehörte zu den Gründern des Republikanischen Richterbundes in Württemberg und wurde 1930 Vorsitzender der Ortsgruppe des Dreiparteienbündnisses Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold - der größten Massenorganisation der Republik, die die Demokratie gegen die Nazis verteidigen sollte. Der Logik der Ereignisse folgend, fand sich Fritz Bauer an der Spitze der Antifaschisten wieder. "Es gibt eine Grenze, ab der man sich keine Komplizenschaft leisten kann", argumentierte er. Unter den Juristen der Weimarer Republik, die ihr mehrheitlich ablehnend gegenüberstanden und von denen viele eindeutig mit den Nationalsozialisten sympathisierten, war er ein Außenseiter.
„In der Justiz lebe ich wie im Exil"
Der Machtantritt Hitlers und seiner Partei war für die Familien Bauer und Hirsch und ihre Freunde ein Schock. Die antijüdische Politik der Nazis wurde von Tag zu Tag brutaler und aggressiver. Fritz Bauer, ein ehemals wohlhabender Rechtsanwalt, geriet als Jude und Sozialist doppelt in Ungnade und wurde aus Sportvereinen, Burschenschaften und anderen Vereinigungen ausgeschlossen. Am 23. März 1933 wurde er wegen der Vorbereitung eines Generalstreiks gegen die Machtergreifung der Nationalsozialisten verhaftet und acht Monate lang im Konzentrationslager Heuberg und anschließend in der Strafvollzugsanstalt Oberer Kuhberg inhaftiert. Bauer wurden keine Beweise vorgelegt, aber die Gestapo verlangte als Gegenleistung für seine Freilassung ein schriftliches Treuegelöbnis gegenüber den Behörden. In dieser Pattsituation stimmte er einem vernünftigen Kompromiss zu, um seine persönliche Sicherheit und die Fortführung seines Kampfes zu gewährleisten. In den Zeitungen der Nazis wurde dieser Schritt als "Treueerklärung zum Führer" beworben.
Der Jude Bauer wurde als Richter entlassen und nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Das Haupteigentum seiner Verwandten wurde "beschlagnahmt". 1936 gelang es Fritz und seinen Eltern, nach Dänemark zu emigrieren. Im Exil wurde er aktives Mitglied der antifaschistischen Bewegung unter den Flüchtlingen. Nach der deutschen Besetzung des Landes im April 1940 entzogen ihm die dänischen Behörden die Aufenthaltsgenehmigung und deportierten ihn in ein Internierungslager. Im Juni 1943 wurde Fritz in die Obhut von Anna Maria Petersen, einer fiktiven dänischen Ehefrau, gegeben. Als die Nazis im Oktober 1943 damit begannen, dänische Juden in das Konzentrationslager Theresienstadt zu deportieren, war er gezwungen, unterzutauchen, und floh dann mit Hilfe von Freunden nach Schweden.
Dort bekam er eine Stelle im Stockholmer Archiv und gründete zusammen mit dem späteren Bundeskanzler Willy Brandt die Zeitung Sozialistische Tribüne, ein Organ der deutschen Exil-Sozialisten, das die Unmenschlichkeit des Faschismus aufdeckte. Er blieb sechs Jahre lang im skandinavischen Exil.
Rückkehr in die Justiz
Erst 1949, als die BRD gegründet wurde, kehrte Fritz Bauer auf Einladung des SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher in seine Heimat zurück. Bauer wurde Mitglied der "Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen" und des "Rechtspolitischen Ausschusses" und war Mitherausgeber der Zeitschrift der SPD "Neue Gesellschaft". In Frankfurt am Main gehörte er zu den Mitbegründern des "Humanistischen Verbandes". Als Remigrant gehörte er zu der Minderheit der politischen Flüchtlinge, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg für die Wiederherstellung der demokratischen Justiz in Westdeutschland engagierten.
Bauer kehrte in die Justiz zurück, die besonders stark von braunen Clans durchsetzt war. Hier hatte er oft mit zahllosen undichten Stellen zu tun, die die Nazis auf die Gefahren aufmerksam machten. Sein Hauptziel war es, beim Aufbau des neuen Justizsystems des Landes zu helfen und Nazi-Verbrecher vor Gericht zu bringen. "Ich kam zurück, als die Verfassung verabschiedet wurde, in der Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Gleichheit für alle Menschen festgeschrieben waren. Weil ich dachte, ich könnte etwas von dem Optimismus und dem Glauben der jungen Demokraten der Weimarer Republik mitnehmen, etwas von dem Widerstandsgeist der Emigration... Die deutsche Demokratie war schon einmal gestorben, weil es ihr an Demokraten fehlte. Ich wollte einer von ihnen sein."
Bald wurde er zum Direktor des Braunschweiger Landgerichts ernannt, 1950 zum Staatsanwalt am Landgericht. Und schon damals musste er sich mit der Dominanz ehemaliger Nazis in der Justiz und anderen Institutionen auseinandersetzen. Einer seiner ersten Fälle als Generalstaatsanwalt machte ihn über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt: 1952 war er Ankläger im vielbeachteten "Remer-Prozess". Generalmajor der Wehrmacht Otto Ernst wurde wegen übler Nachrede und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener angeklagt, da er die Hitler-Attentäter des 20. Juli 1944 verunglimpft hatte, indem er sie als Hoch- und Landesverräter bezeichnete. Hierfür wurde er zu drei Monaten Haft verurteilt. Bauer ließ Remer zum Verleumder erklären und seinen Fall vom Landgericht überprüfen, das den NS-Staat fortan als verfassungswidrig ansah und damit die Taten der Widerstandshelden als legitim rehabilitierte. "Ein Unrechtsstaat, der jeden Tag Zehntausende von Morden begeht, berechtigt jedermann zur Notwehr", sagte der Staatsanwalt Fritz Bauer. - Es ist die Pflicht der ehrlichen Bürger, sich dagegen zu wehren".
Bauers Ablehnung des blinden Gehorsams gegenüber der Staatsgewalt war vor allem in der CDU suspekt - der Partei Adenauers, die in großem Umfang ehemalige Nazis für den öffentlichen Dienst rekrutiert hatte. Eine der verhasstesten Figuren in seinem Stab war Hans Globke, der Staatssekretär im Büro des Ministerpräsidenten, der Gleichgesinnte in hohen Positionen beschäftigte und im Nationalsozialismus ein Kommentator der Rassengesetze gegen Juden war. Die Versuche von Fritz Bauer, Globke strafrechtlich zu verfolgen, waren erfolglos - er hatte einen zu guten Anwalt. Und der Staatsanwalt wurde der "Politisierung der Justiz" und der Verbindungen zur DDR beschuldigt, deren Propaganda ihm in die Karten spielen wollte. In der Welt der Justiz fühlte er sich oft wie ein einsamer Exilant: "Wenn ich mein Büro verlasse, betrete ich Feindesland."
„Der Nationalsozialismus ist das ultimative Übel"
Der Humanist Bauer war überzeugt, dass das menschliche Leben, das Wohlergehen und die persönliche Würde die höchsten moralischen Werte sind, denen ein Jurist folgen muss. Deshalb waren die menschenverachtenden Verbrechen der Nazis zwangsläufig zu bestrafen, nicht aus Rachegefühlen, sondern aus Gründen der Gerechtigkeit. Bauer sah es als seine Pflicht und Ehrensache an, Gräueltaten wie die von Adolf Eichmann, der für die "Endlösung der Judenfrage" verantwortlich war, zu ahnden. Als er von Eichmanns Aufenthaltsort in Argentinien erfuhr, beeilte er sich, den Leiter der israelischen Vertretung in Köln und den israelischen Auslandsgeheimdienst zu informieren, da er befürchtete, dass die deutsche Justiz den Verbrecher warnen könnte. Bauers Misstrauen ihnen gegenüber war berechtigt, als das Justizministerium auf sein offizielles Ersuchen hin die Auslieferung Eichmanns nach Deutschland ablehnte. Dank Bauers Hinweis und seiner Hartnäckigkeit wurde er vom Mossad gefasst, nach Israel gebracht und zum Tode verurteilt.
1956 wurde Fritz Bauer auf Betreiben des hessischen Ministerpräsidenten Georg Sinn zum Staatsanwalt in Frankfurt am Main ernannt und blieb 12 Jahre lang in diesem Amt. Die Prozesse gegen ranghohe Nazis waren für ihn der Prüfstein einer radikalen Justizreform in Deutschland. 1959 übergab ihm ein Journalist halb verbrannte Dokumente, die eine Liste von SS-Angehörigen enthielten, die an der Hinrichtung von Auschwitz-Häftlingen beteiligt gewesen waren. Bauer erreichte, dass der Bundesgerichtshof die Untersuchung und Entscheidung des Strafverfahrens gegen die KZ-Verbrecher an das Landgericht Frankfurt am Main verwies. Als Generalstaatsanwalt setzte er alle seine Kräfte und Mittel ein, um die Auschwitz-Mörder vor Gericht zu bringen. Auf seine Anweisung hin ermittelte die Staatsanwaltschaft gründlich gegen die ehemaligen Angehörigen und Leiter der SS-Wachmannschaften des größten Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. Um dem Vorwurf zu entgehen, er wolle seine Glaubensbrüder rächen, leitete Bauer selbst die Ermittlungen nicht formell.
Auf Initiative Bauers angebrachter Artikel 1 Satz 1 Grundgesetz am Gebäude der Frankfurter Staatsanwaltschaft.© Dontworry, WIKIPEDIA
Der erste Prozess in Westdeutschland in der "Strafsache gegen Mulka und andere" wurde im Dezember 1963 vor dem Frankfurter Landgericht gegen 22 Angeklagte geführt, vom Adjutanten des Lagerkommandanten bis zum Gefängniskapo. Der Prozess dauerte 20 Monate, 359 Zeugen wurden befragt, darunter 248 ehemalige Auschwitz-Häftlinge. Die Staatsanwaltschaft versuchte, das Wesen der SS aufzudecken - deutsche Bürger, die bis dahin unbekannte Gräueltaten begangen hatten. Auf der Anklagebank saß Robert Mulka, ein grauhaariger Geschäftsmann in einem makellosen Anzug, ehemaliger Hauptsturmführer und rechte Hand des Kommandanten des Konzentrationslagers. Neben ihm saß Oswald Kaduk, ein angesehener Krankenpfleger, den die Patienten "Papa Kaduk" nannten und ein ehemaliger Unterscharführer, "einer der brutalsten und vulgärsten SS-Männer des Lagers". Auf dem Gewissen dieses Abschaums und seiner Komplizen lagen über eine Million Menschen, zumeist Juden, die auf verschiedene Weise ermordet wurden.
Die Welt wird aufatmen
Der Prozess machte zum ersten Mal vor der gesamten deutschen Öffentlichkeit und der internationalen Presse das ganze Ausmaß und den Schrecken des Fließbandmordes im Detail deutlich. Die Staatsanwaltschaft sammelte 75 Aktenbände und erließ eine 700-seitige Anklageschrift. Vorgeladene Sachverständige erläuterten die Struktur der Terrormaschinerie, die nicht nur völlige Straffreiheit für Mörder und Sadisten garantierte, sondern extreme Grausamkeiten in jeder erdenklichen Form förderte. "Ich denke, Deutschland wird aufatmen, die ganze Welt und die Familien der Opfer von Auschwitz werden aufatmen, und die Luft wird rein sein, wenn endlich das menschliche Wort gesprochen ist", sagte der Chefankläger vor Reportern.
Mit Ausnahme des jüngsten Wachmanns bekannte sich jedoch keiner der Täter schuldig, jeder verwies auf die Erfüllung seiner Pflicht auf Befehl von oben. Am Ende wurden sechs der Angeklagten von den Geschworenen zu lebenslanger Haft verurteilt, die übrigen erhielten Strafen zwischen 3 und 14 Jahren und fünf wurden freigelassen. Bauer war über das Urteil enttäuscht, obwohl es nicht unerwartet kam. Der Staatsanwalt verstand, dass der Prozess ein historischer Meilenstein in der Geschichte des Landes war. Er war sich sicher, dass Millionen Deutsche, vor allem junge Deutsche, der schrecklichen Wahrheit, die er ihnen beigebracht hatte, nicht gleichgültig gegenüberstehen und eine wichtige Lektion lernen würden: "Wenn wir gezwungen werden, etwas Unmenschliches und die Menschenwürde Erniedrigendes zu tun, müssen wir, wie es alle Religionen und alle Ethiken seit Anbeginn der Zeit von uns verlangen, Nein sagen."
Das Schweigen brechen
Fritz Bauers Beitrag war es, eine breite öffentliche Diskussion über den Holocaust in Deutschland anzustoßen und damit das langjährige bösartige Schweigen der deutschen Gesellschaft über ihre braune Vergangenheit zu brechen. Bauer ging es vor allem darum, den Deutschen die Augen für die Wurzeln des Bösen zu öffnen, ihr staatsbürgerliches Gewissen und das Gefühl der Reue zu wecken. Bereits 1957 hatte er eine kleine Auflage seines Buches "Das Verbrechen und die Gesellschaft" veröffentlicht, das lange Zeit im Handel war. Darin wies er die deutsche Justiz und den Staat darauf hin, dass das Verdrängen und Vergessen der Erinnerung an die Konzentrationslager und den Holocaust nicht hinnehmbar sei. 1960 hielt Bauer vor Vertretern rheinland-pfälzischer Jugendgruppen einen Vortrag über die Wurzeln des Nationalsozialismus und des Antisemitismus, in dem er auf die gesellschaftlichen Ursachen des Nationalsozialismus einging, und verfasste eine Broschüre für Schulen und Berufsschulen zu diesem Thema. Nach dem Anschlag auf die Kölner Synagoge am ersten Weihnachtstag 1959 explodierte das Thema, doch der Kultusminister des Landes weigerte sich, das Handbuch anzunehmen, und der spätere Bundeskanzler Helmut Kohl erklärte, es sei "zu früh, um ein endgültiges Urteil über das Dritte Reich zu fällen".
Würdigung und Ehre
Fritz Bauer hörte bis zum Ende seiner Tage nicht auf, sich beruflich und gesellschaftlich zu engagieren. Er schrieb weiterhin Bücher und Artikel, hielt Vorträge zu aktuellen juristischen Themen, bildete Deutsche aus und sprach mit bitterem Sarkasmus über die niedrige politische und juristische Kultur der Menschheit: "Es ist eine traurige Wahrheit, dass wir dem Zustand des Affen noch sehr nahe sind und dass die Zivilisation nur ein sehr dünner Schleier ist, der sehr schnell herunterfällt“. Die Anspannung durch die jahrelange Arbeit und die unzähligen Belastungen haben der Gesundheit des Generalstaatsanwalts ihren Tribut gezollt. Er hatte wenige echte Freunde und viele Feinde. Er hatte nie eine Familie oder Kinder, seine Verwandten lebten in Schweden. In der Nacht des 1. Juli 1968 wurde Fritz Bauer tot im Badezimmer seiner Wohnung in Frankfurt aufgefunden. Der Gerichtsmediziner stellte schwere Herzschäden, eine schwere akute Bronchitis und die Einnahme von Schlaftabletten fest. Es wurden keine Anhaltspunkte für Mord oder Selbstmord gefunden. Entgegen der jüdischen Tradition wurde Bauer auf seinen Wunsch hin eingeäschert und die Urne mit seiner Asche auf dem Friedhof in Göteborg beigesetzt.
Das deutsche Volk hat seinen großen Sohn gebührend gewürdigt. Vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt wurde Fritz Bauer ein Denkmal gesetzt mit den Worten: "Sie sollten wissen, dass es einen Eisberg gibt, von dem wir nur einen kleinen Teil sehen können". Im Foyer des Bundesjustizministeriums in Berlin erinnert eine Bronzebüste Fritz Bauers die Mitarbeiter des Ministeriums daran, dass sie "Juristen sein sollen, die mehr tun als nur die Worte von Recht und Gerechtigkeit, von Menschlichkeit und Frieden zu sprechen". Die Büste wurde von Pavel Feinstein, einem Bildhauer mit russisch-jüdischen Wurzeln, geschaffen. 1995 wurde das Fritz-Bauer-Institut zur Erforschung der Geschichte und der Folgen des Holocausts gegründet und ein Sonderfonds nach ihm benannt. Seine Doktorarbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte bei einem Festakt in der Frankfurter Paulskirche, Bauer habe wie kein anderer zur Rechtspflege und politischen Kultur in Deutschland beigetragen.
Es war einmal Fritz Bauer, der die Inschrift an der Fassade der Gerichtsgebäude in Braunschweig und Frankfurt anbringen ließ: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist die Pflicht aller staatlichen Gewalt". Der Ritter ohne Furcht und Tadel hat dieses Credo mit seinem eigenen Leben bewiesen.
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