Denker der Stunde: Ein Nachruf zu Richard J. Bernsteins 1. Todestag

Der Philosoph Richard J. Bernstein war ein Vermittler kontinentaler und amerikanischer Theorien.© GUILLERMO GRANADOS NOTIMEX Notimex via AFP

Der amerikanisch-jüdische Philosoph Richard Jakob Bernstein gehört zu den prägendsten Denkern des 20. Jahrhunderts. Besonders seine Analysen über Hannah Arendts „jüdischer Frage" und zur Bedeutung von Sigmund Freuds Streitschrift „Der Mann Moses" sind für die Philosophie der Gegenwart unverzichtbar. Bernstein folgt Arendts Spur der „Gleichschaltung" auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene. Es handelt sich dabei um die Zersetzung des moralischen Bewusstseins, die mit der Zerstörung politischer Kultur einhergeht. (JR)

Von Richard Blättel

2018 erschien unter dem englischen Titel Why Read Arendt Now eine kompakte und packende Darstellung zu Hannah Arendts Leben und Denken. Suhrkamp publizierte 2020 eine deutsche Übertragung unter dem programmatischen Titel Denkerin der Stunde. Über Hannah Arendt. Richard J. Bernstein war Professor für Philosophie an der New Yorker New School for Social Research, an der auch Hannah Arendt bis zu ihrem Tod im Jahr 1975 lehrte. 1972 begegnen sie sich zum ersten Mal. Es sind die inneren Zusammenhänge zwischen Handlung, Politik und öffentlicher Freiheit, die Bernstein interessieren. Mit Arendt beleuchtet er die Verfinsterung und den drohenden Zerfall demokratischer Strukturen.

 

Universeller Denker mit jüdischen Wurzeln

Richard J. Bernstein kam 1932 in Brooklyn als Sohn russisch-jüdischer Immigranten zur Welt. Er war sich seiner jüdischen Herkunft bewusst, gleichzeitig galt er nicht als genuin jüdischer Denker. Doch ausgerechnet die bereits früher einsetzende Beschäftigung mit Arendt machte für Bernstein die Dringlichkeit der sogenannten «Judenfrage» deutlich – dies auch auf einer persönlichen Ebene: «Because writing has always also been a personal quest, I thought of this project as a way of exploring my own relation to my Jewish heritage and how it has influenced (or not influenced) my intellectual concerns.»

Diese Zeilen von 1996 finden sich im Vorwort zu «Hannah Arendt And The Jewish Question». Bernstein folgt Arendts Spur der «Gleichschaltung» auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene. Es handelt sich dabei um die Zersetzung des moralischen Bewusstseins, die mit der Zerstörung politischer Kultur einhergeht: Der Mensch wird auf fundamentale Art und Weise urteilsunfähig, und ist nicht mehr in der Lage, wahr von falsch und gut von böse zu unterscheiden. Diesen Befund verdichtete Arendt mit der sprengstoffmässigen Formel von der «Banalität des Bösen», welche die Gemüter so erhitzte. Bernsteins – pragmatische – Leistung besteht darin, mit einem ideologiefreien Blick die Qualität von Arendts provokativen Analyse freizulegen. Und gleichzeitig ist er zutiefst fasziniert von ihrer denkerischen Unabhängigkeit und Widerständigkeit, was sich einer Schubladisierung entzieht.

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