„Anflug auf Palästina“: Ryanair auf israelfeindlichem Blindflug

Einem Passagier wurde gar mit Festnahme gedroht, als er versuchte, die Flugbegleiterin zu fotografieren, da diese kein Namensschild trug. 
© ARTUR WIDAK NurPhotoNurPhoto via AFP

Eine Stewardess der irischen Billigfluglinie Ryanair verkündete die bevorstehende Ankunft in Tel Aviv als Landeanflug auf „Palestine“ und wiederholte dies mehrmals auf Italienisch und Englisch. Zwar entschuldigte sich die Airline nach massiven Protesten für diesen Zwischenfall und mahnte die Flugbegleiterin ab, während „Free-Palestine“-Apologeten diese als „mutig“ lobten. Das Simon Wiesenthal Center in Los Angeles kommentierte den Vorfall auf Twitter: „Wenn Ryanair meint, Tel Aviv sei in Palästina, dann sollte die Fluglinie vielleicht nur Geschäfte mit der Palästinensischen Autonomiebehörde machen. Israelis können den jüdischen Staat auch selbst finden. (JR)

Von Birgit Gärtner

Die Passagiere an Bord der Ryanair-Maschine auf dem Flug FR 3974 von Bologna (Italien) nach Tel Aviv staunten nicht schlecht, als eine Flugbegleiterin etwa eine halbe Stunde vor der Landung diese als Anflug auf „Palästina“ ankündigte. Das führte nicht nur an Bord zu Irritationen, sondern zu Protesten internationaler jüdischer Organisationen – sowie zu Beifall für die „mutige” Flugbegleiterin seitens „Free-Palestine“-Apologeten.

Wer schon einmal geflogen ist, kann die Situation an Bord der Ryanair-Maschine nachempfinden: In banger oder freudiger Anspannung – je nach Mentalität und Grad der Flugangst – sahen die Passagiere der baldigen Landung auf dem Ben-Gurion-Flughafen in der Nähe von Tel Aviv entgegen. Die einen zurück auf dem Weg in die Heimat, die anderen auf Geschäfts- oder Urlaubsreise. Doch eines einte sie alle: Sie wähnten sich auf dem Weg nach Israel.

Das sah eine Flugbegleiterin der irischen Fluggesellschaft Ryanair offenbar anders und kündigte die baldige Landung in „Palästina“ an. Mehrfach und sowohl in italienischer als auch englischer Sprache. Einige der Fluggäste reagierten empört, laut World Israel News (WIN) forderten sie die Flugbegleiterin auf, sich entweder zu korrigieren oder zu entschuldigen. Dieses Ansinnen sei dem Blatt zufolge indes abgelehnt worden, stattdessen habe das Kabinenpersonal den Passagieren vorgeworfen, eine Störung zu verursachen, die die Sicherheit des Fluges gefährde. Ein italienischer Fluggast betonte WIN gegenüber, die Flugbegleiterin habe selbst im persönlichen Gespräch auf ihre Sicht bestanden, das Flugzeug befinde sich im Landeanflug auf „Palästina“.

 

Aussage gegen Aussage

Laut Darstellung der Fluggesellschaft entschuldigte sich ein Crew-Mitglied sehr wohl mit einer weiteren Durchsage und korrigierte die Zielangabe. So steht es jedenfalls in einem Schreiben von Eddie Wilson, Geschäftsführer von Ryanair, an Rabbi Abraham Cooper, dem stellvertretenden Direktor des Simon Wiesenthal Centers. Diese Aussage steht in direktem Widerspruch zu denen der Fluggäste. Laut Eddie Wilson hätten sich einige Passagiere trotz der Richtigstellung nicht beruhigen können, so dass noch während des Fluges die Polizei verständigt worden wäre.

Die betreffende Flugbegleiterin trug kein Namensschild. Das veranlasste laut WIN eine Passagierin dazu, ein Foto von der Dame zu machen – vermutlich zur Beweissicherung für eine Beschwerde bei der Fluggesellschaft. Der Passagierin wurde jedoch von der Crew die Festnahme nach der Landung angedroht, falls sie ihren Sitzplatz verlassen würde, um ein Bild von der Flugbegleiterin zu machen.

Auf Nachfrage von WIN reagierte Jackie Goodall, Geschäftsführerin der Ireland Israel Alliance, verärgert über den Vorfall:

„Es ist völlig inakzeptabel, dass eine Ryanair-Mitarbeiterin auf einem Flug von Italien nach Tel Aviv wiederholt ihre eigene politische Ideologie über die Fakten stellt, indem sie behauptet, der fragliche Flug lande in Palästina und nicht in Israel.“

Sie hoffe, dass eine solche Ansicht nicht der Politik von Ryanair entspräche. Die Ireland Israel Alliance werde das Unternehmen auffordern, sich vorbehaltlos dafür zu entschuldigen und sich an die betreffende Mitarbeiterin zu wenden, wird Jackie Goodall weiter zitiert.

Der TV-Sender Channel 14 rief die Israelis dazu auf, Ryanair künftig zu boykottieren, sollte sich die Fluggesellschaft nicht für den Vorfall entschuldigen.

 

Ryanair entschuldigte sich aufgrund der Proteste

Wie erwähnt schaltete sich am 13. Juni 2023 das Simon Wiesenthal Center in Person des stellvertretenden Direktors Abraham Cooper ein. Dieser forderte eine Entschuldigung, auf die Ryanair-Geschäftsführer Eddie Wilson mit besagtem Brief reagierte. Darin heißt es, persönlich sei Eddie Wilson „sehr familiär mit der Arbeit des Simon Wiesenthal Centers“ und habe in den vergangenen Jahren zwei Mal Auschwitz besucht. Er habe bereits den israelischen Botschafter in Irland kontaktiert. Bei der Durchsage habe es sich um einen „unschuldigen Fehler“ gehandelt, ohne politische Intentionen. Es sei nicht Firmenpolitik, zu intendieren, dass Tel Aviv in irgendeinem anderen Land liege als Israel. Die betreffende Flugbegleiterin sei verwarnt worden, „um sicherzustellen, dass sich ein solcher Fehler niemals wiederholen wird“. Schließlich sei das Land ein „wichtiger Partner“ und Ryanair die zweitgrößte Fluglinie Israels. Weitere Investitionen seien geplant, um die Verbindungen zwischen Europa und Israel auszubauen und den Tourismus zu fördern.

 

Die „Free-Palestine“-Apologeten sind begeistert

Der Vorfall rief allerdings nicht nur Empörung hervor, sondern der „mutigen Flugbegleiterin“ wurde auch Beifall gezollt, wie der in Mountlake Terrace/Washington (USA) ansässige Palestine Chronicle berichtete. Dessen Herausgeber Ramzy Baroud twitterte am 16. Juni:

„# Ryanair Flugbegleiterin hatte den Mut, die Wahrheit zu sagen. Vor 75 Jahren war ' #Israel ' #Palestine. Klar, der Kolonialismus hat sich durchgesetzt. Aber Menschen mit einem Sinn für Moral wissen, dass die Wahrheit nicht mit Gewalt verändert werden kann. Eines Tages wird es einen Staat geben, in dem wir alle gleichberechtigt zusammenleben können.“

Stimmt, vor 75 Jahren hieß die Region „Mandatsgebiet Palästina“ und unterstand Großbritannien. Wiederum 50 Jahre vorher ging dort eine 400-jährige Ära unter der Ägide des Osmanischen Reiches zu Ende. Doch der Sprachgebrauch „Palästina“ war dort völlig aus der Mode gekommen, die Region war eingeteilt in drei Teile, den beiden Verwaltungsbezirken Vilâyet Syrien und Vilâyet Beirut sowie einem namenlosen Gebiet, das keinem Bezirk zugeordnet war. 400 Jahre hätten islamische Herrscher also Zeit gehabt, „Palästina“ als Begriff und als Staat, mindestens aber als Verwaltungseinheit zu etablieren. Haben sie aber nicht.

Stattdessen sprachen Ende des 19. Jahrhunderts europäische Zionisten von „Palästina“ als künftige Heimstätte von verfolgten Juden. In Deutschland gab es Anfang des 20. Jahrhunderts „Vorbereitungslager zur Auswanderung nach Palästina“. Und im Gegensatz zu dem weit verbreiteten Irrtum, die jüdischen Siedler hätten Anfang des 20. Jahrhunderts Gebiete im „gelobten Land“ besetzt, kauften die Einwanderer den Einheimischen Land ab oder bekamen es von den Briten gestellt. Diese Einheimischen verstanden sich als Araber, der Begriff „Palästinenser“ oder „palästinensisch“ wurde später von der PLO geprägt – verbunden mit am Anspruch auf Judenfreiheit der Region.

Das alles interessiert die „Free-Palestine“-Apologeten freilich nicht. So ist auch die irische Flugbegleiterin nicht die erste, die sich im Anflug auf „Palästina“ wähnte: Der Palestine Chronicle veröffentlicht in dem Artikel den Twitter-Eintrag des „Palästina-Historikers“ Zachary Foster, in dem an einen AirFrance-Piloten erinnert wird, der sich 2002 im ideologischen Blindflug befand und seine Passagiere mit “Welcome to Palestine“ begrüßte. Ebenso 2003 ein Pilot der Alitalia und 2015 einer der spanischen Fluglinie Iberia.

Offenbar verwenden selbst Airlines Landkarten, auf denen Israel nicht existiert. So fiel dem Internet-Portal Mena Watch zufolge einem Passagier der AirFrance im August 2015 während eines Fluges auf, „dass auf dem Monitor, der während des Fluges die aktuelle Position anzeigt, zwar „West Bank“, „Gaza Strip“, „Jordan“ und „Lebanon“ standen, nicht aber Israel. Er machte ein Foto und setzte es auf seine Facebookseite. Daraufhin entstand massiver öffentlicher Druck, der Air France innerhalb weniger Tage zur Korrektur seiner Karten zwang.“

Mena Watch verweist auf eine Forschungsarbeit, die von den beiden Ökonomen Joel Waldfogel und Paul Vaaler der Universität Minnesota im März 2017 veröffentlicht wurde, „die sich mit dem Nichtanzeigen Israels auf Flugmonitoren befasst“. Die beiden kamen zu dem Schluss, dass bei keiner westlichen Fluggesellschaft diesbezüglich eine grundsätzliche Diskriminierung Israels festgestellt werden konnte. Wohl aber bei Ländern, mit denen Israel keine diplomatischen Beziehungen unterhalte, aber auch beispielsweise China oder Sri Lanka. Staaten, mit denen Israel ein „relativ gutes Verhältnis“ pflege.

Sehr geehrte Leser!

Die alte Website unserer Zeitung mit allen alten Abos finden Sie hier:

alte Website der Zeitung.


Und hier können Sie:

unsere Zeitung abonnieren,
die aktuelle oder alte Ausgaben bestellen
sowie eine Probeausgabe bekommen

in der Druck- oder Onlineform

Unterstützen Sie die einzige unabhängige jüdische Zeitung in Deutschland mit Ihrer Spende!

Werbung


Alle Artikel
Diese Webseite verwendet Cookies, um bestimmte Funktionen zu ermöglichen und das Angebot zu verbessern. Indem Sie hier fortfahren, stimmen Sie der Nutzung von Cookies zu. Mehr dazu..
Verstanden