Israel zeigt Flagge für die Regierung und für die ewige Hauptstadt Jerusalem

Die israelische Hauptstadt versinkt in einem Fahnenmeer.© Jürgen Th. Müller


Nun geht auch die bisher schweigende und regierungstragende Mehrheit in Israel auf die Straße, für die Regierung Netanjahu, die Justizreform und für eine ungeteilte Hauptstadt Jerusalem. Etwa 500.000 Menschen protestierten in Jerusalem dabei auch gegen den Obersten Gerichtshof. Die Demonstranten monieren, dass dort eine elitäre linksorientierte Gruppe von Richtern, ohne demokratisch legitimiert zu sein, regelmäßig die Regierung überstimme und damit faktisch mitregiere. (JR)

Von Jürgen Th. Müller

Marom Milberger macht das Geschäft seines Lebens. Er stellt Israel-Flaggen her. Die werden seit Monaten im ganzen Land begeistert geschwenkt, auch von linken Regierungsgegnern. „In der Vergangenheit hat sich die Rechte die Flaggen angeeignet, und es war so, als ob sich rechtsgerichtete Leute und Nationalreligiöse mit gehäkelten Kippas mehr mit der Flagge identifizierten, aber jetzt ist sie wieder die Flagge des ganzen Landes, eine Flagge, die den Stolz und die Freiheit Israels symbolisiert,“ erklärt Milberger. Die Bestellungen von Fahnen haben sich im Vergleich zu den entsprechenden Monaten der Vorjahre verdoppelt, ein Ende des Booms ist nicht abzusehen.

Israel zeigt Flagge – auch für die Regierung Netanjahu, für die umstrittene Justizreform und für eine ungeteilte Hauptstadt Jerusalem.

 

„Lassen uns Wahlsieg nicht stehlen“

Hunderttausende haben vor dem israelischen Parlament und dem Obersten Gerichtshof in Jerusalem die rasche Umsetzung der Justizreform gefordert. Die Demonstranten wollten ein deutliches Zeichen setzen, dass sie hinter der konservativ-religiösen Regierung von Benjamin Netanjahu stehen. Einige trugen Schilder mit der Aufschrift „64“ – ein Hinweis darauf, dass die Regierungskoalition bei der jüngsten Wahl 64 Sitze errungen hatte, die Opposition aber nur 56. Es könne nicht sein, dass die Minderheit nun mit ihren wöchentlichen Massenprotesten versuche, Netanjahu den Wahlsieg zu stehlen. „Wir sind die Mehrheit und keine Bürger zweiter Klasse“, riefen die Demonstranten. Die Linken seien nicht die einzigen Demokraten im Land. Die Protestierer übten heftige Kritik am Obersten Gerichtshof. Dort überstimme eine elitäre, linksorientierte Gruppe von Richtern regelmäßig die Regierung, ohne dafür demokratisch legitimiert zu sein. Einige Demonstranten trugen orangefarbene Sträflingskleidung, Handschellen und Ketten: „Wir sind Gefangene des Obersten Gerichtshofes“, machten sie dadurch deutlich.

Der Knesset-Abgeordnete Avichay Buaron (Likud-Partei), ein Initiator der Kundgebung, erklärte: „Wenn es keine Reform gibt, bedeutet das, dass unsere Stimmen in der Wahlkabine nichts wert sind. Wir sind die Mehrheit an den Wahlurnen, aber wir können das Land nicht wirklich regieren. Diese Realität muss sich ändern. Auch das nationalistische Lager darf mitreden, wenn es um die Belange des Landes geht. Wir sind es leid, Bürger zweiter Klasse zu sein. Wir haben es satt, dass jede Entscheidung, die die Regierung trifft und die den Soldaten oder den Siedlern oder den Bewohnern von Süd-Tel Aviv zugute kommt, vom Obersten Gerichtshof für ungültig erklärt wird.“

Die Demonstranten kamen mit über 1000 Bussen aus dem ganzen Land. Bevor die Redner das Wort ergriffen, beteten die Demonstranten und segneten sich gegenseitig. Die Polizei sprach zunächst von 200.000, später von 300.000 Teilnehmern. Die Veranstalter der Großdemonstration gehen von 500.000 bis 600.000 aus – deutlich mehr als bei den jüngsten Protesten der Regierungsgegner. Die Tagesschau, angebliches „Flaggschiff“ der deutschen Medienlandschaft und bekannt für ihre Abneigung gegen die Netanjahu-Regierung, war bemüht, die Zahl der Pro-Regierungs-Demonstranten klein zu reden und meldete: „Zehntausende protestieren für Justizreform“. Ähnliche Formulierungen fanden sich in den überwiegend links orientierten israelischen Medien.

 

Wiedervereinigung Jerusalems gefeiert

Das nächste umstrittene Fahnen-Großereignis folgte kurz darauf: der Jerusalem-Tag. Hunderttausende Israelis feierten die Wiedervereinigung ihrer Hauptstadt. Jerusalem war von 1949 bis zum Jahr 1967 geteilt. Die Stadt wurde im Sechstagekrieg durch israelische Streitkräfte vollständig erobert und vereinigt. Der Ost-Teil Jerusalems war zuvor von Jordanien besetzt. Jüdische Synagogen wurden während dieser Zeit zerstört und der alte jüdische Friedhof auf dem Ölberg geschändet. Erst seit der Eroberung von Ost-Jerusalem haben Juden wieder Zugang zur Altstadt und somit auch zur heiligsten Stätte des jüdischen Glaubens, der Kotel.

In der ganzen Stadt gab es Musik und Partys. Höhepunkt war der traditionelle Flaggenmarsch quer durch die Stadt. Der Andrang war riesig, zeitweise gab es kein Durchkommen. Die Stimmung war bestens, überall wurde gesungen und getanzt. Mehr als 3000 Polizisten sorgten für Sicherheit, Polizeihubschrauber und Drohnen waren ständig in der Luft.

Bürgermeister Moshe Lion: Jerusalem kann nicht die Hauptstadt von zwei Staaten sein.

In vielen arabischen Medien und sozialen Netzwerken war zum Widerstand gegen den Marsch aufgerufen worden. Fälschlicherweise wurde behauptet, Juden wollten einen Flaggentanz vor der Al-Aksa-Moschee aufführen. Die islamistische Hamas rief zur Verteidigung der Moschee auf und forderte von der israelischen Regierung ein Verbot des Marsches. Die wies die Forderung zurück. Israelis bräuchten nicht die Genehmigung einer Terrororganisation, um mit Nationalflaggen durch ihre Hauptstadt zu marschieren. Auch viele arabische Länder kritisierten den Marsch. Beispielsweise bezeichnete Ägypten die „Provokationen“ gegen die „Palästinenser“ als „unverantwortliche Eskalation, die die Spannungen weiter anheizt“.

Die israelische Polizei veröffentlichte angesichts der anhaltenden Hetze ein Video in arabischer Sprache, in dem sie vor Falschmeldungen warnte. Sie riet jungen Arabern, sich bei ihren Vätern und Großvätern zu informieren. Die wüssten, dass der Marsch seit über 50 Jahren abgehalten werde, ohne die heiligen Stätten der Muslime zu verletzen.

Die „Tagesschau“ reduzierte ihre Berichterstattung darauf, dass „Ultra-Nationalisten“ in Israel mit Flaggen durch das muslimische Viertel der Altstadt gezogen seien und die Muslime provoziert hätten. Kein Wort wurde verloren über die arabischen Extremisten, die lautstark ein „Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer“ mit Jerusalem als Hauptstadt forderten.

 

Bürgermeister: Keine Hauptstadt für zwei Nationen

An der Spitze der Jerusalemer Stadtverwaltung steht mit Moshe Lion ein gelernter Wirtschaftsprüfer. Er ist der erste sephardische Bürgermeister der Hauptstadt. Der 61-Jährige gilt als volksnah und aktiv. Eine erneute Teilung Jerusalems hält er für undenkbar: „Meiner Meinung nach können wir nie über eine Hauptstadt für zwei Staaten sprechen. Ich denke auf jeden Fall, dass Jerusalem die Hauptstadt des jüdischen Volkes ist. Sie ist die Hauptstadt des Staates Israel. Auf der anderen Seite müssen wir den Bewohnern des Ostteils der Stadt Dienstleistungen und Lebensqualität bieten. Und das ist es, was ich tue. Jerusalem kann aber nicht die Hauptstadt zweier Nationen sein. Sie ist die Hauptstadt des israelischen Volkes, des Staates Israel. Man kann sie nicht teilen. Aber wir müssen alle miteinander leben, Seite an Seite.“

Ein Großteil der Israelis sieht das genauso. Sie feiern ihre Hauptstadt, auch wenn sie dafür in arabischen und europäischen Medien verunglimpft werden. Jerusalem ist das Fundament der jüdischen Identität in Israel und hat nach Ansicht der großen Mehrheit der Israelis einen Status als ewige, ungeteilte Hauptstadt des jüdischen Volkes. Dass die internationale Gemeinschaft das anders sieht, interessiert am Jerusalemtag in Israel kaum jemanden.

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