Kein sicherer Ort für Juden: Eine Reisewarnung für Hamburg –Teil II

Stolpersteine beim Eingang des Hamburger Rathauses

Während die Hansestadt Hamburg Besucher mit attraktiven Sehenswürdigkeiten anlockt, sind gewisse Stadtviertel bereits längst zu gefährlichen No-Go-Areas geworden. Besonders wächst mit der ständigen Zunahme der muslimischen Migration auch der mitgebrachte islamisch-motivierte Judenhass. Während sich die Politik gerne hinter dem Alibi des Gedenkens an ermordete Juden versteckt, bleibt gleichzeitig die Gefährdung und die Verunmöglichung existierenden jüdischen Lebens in der Stadt faktisch ohne wirksame Gegenmaßnahme. Auch wenn das Recht auf ein unbeeinträchtigtes und sicheres Leben für alle Menschen in unserer Gesellschaft ohne jede Bedingung besteht, darf gerade angesichts des faktischen Laissez-faire gegenüber dem wachsenden gewalttätigen Antisemitismus darauf hingewiesen werden, wie viel die Stadt Hamburg in ihrer Geschichte gerade auch jüdischen Kaufleuten und in anderen Bereichen engagierten jüdischen Bürgern zu verdanken hat. Insbesondere im Hinblick auf die Morde an jüdischen Mitgliedern der Hamburger Bürgerschaft in der dunkelsten Zeit deutscher Geschichte ist die gegenwärtige wachsende Verunmöglichung jüdischen Lebens ein echter Skandal. (JR)

Von Birgit Gärtner

Hamburg bezeichnet sich in der Außendarstellung gern als „schönste Stadt der Welt“. Darüber ließe sich sicherlich streiten. Darüber, dass die zweitgrößte Stadt Deutschlands sehenswert und allemal eine Reise wert ist, an sich nicht. Doch statt eines leidenschaftlichen Plädoyers für einen Hamburg-Besuch möchte ich an dieser Stelle eine Reisewarnung aussprechen.

Diese gilt für Frauen insbesondere in den Abendstunden in der milderen Jahreszeit oder an besonderen Tagen wie beispielsweise Silvester. Juden hingegen ist generell zur Vorsicht zu raten – vor allem, wenn sie als solche erkennbar sind oder für Israel demonstrieren, wie Michael T.* schmerzhaft erfahren musste: Er wurde im September 2021 bei einer „Mahnwache für Israel und gegen Antisemitismus“ vor dem Elektro-Kaufhaus „Saturn“ von dem syrisch-stämmigen Juden- und Israelfeind Aram A. so schwer verletzt, dass er nun auf einem Auge erblindet ist. Die Jüdische Rundschau berichtete in der letzten Ausgabe über den Vorfall.

Eine besondere Gefährdungslage für Frauen und Juden will die Polizei Hamburg indes nicht feststellen, wie sie auch schriftliche Nachfrage der Jüdischen Rundschau mitteilte. Allerdings seien

„einzelne Körperverletzungsdelikte im öffentlichen Raum zum Nachteil jüdischer Personen, deren religiöse Einstellung aufgrund ihrer Bekleidung und Erscheinung erkennbar ist, einzukalkulieren“, so die Polizei-Pressestelle. Konkret lokalisieren lässt sich diese „abstrakte Gefährdung“ nicht.

Doch bevor wir uns in einem weiteren Teil näher mit der Antwort der Polizei-Pressestelle auf unsere Nachfrage zur etwaigen Gefahrenlage beschäftigen, setzen wir unseren kleinen Innenstadt-Spaziergang unter dem Aspekt „jüdisches Leben“ fort. Der Weg führt uns in dieser Ausgabe zum Rathausmarkt und der Gedenktafel für die von den Nazis ermordeten Bürgerschaftsabgeordneten, die z. T. jüdischen Glaubens waren oder jüdische Vorfahren hatten. Im nächsten Teil begeben wir uns auf die Spuren jüdischen Lebens in der Mönckebergstraße, der Einkaufszone der Hansestadt.

 

Wiederaufbau nach dem großen Brandt

Die in Teil I beschriebene Enteignung der Familie Tietz, den ursprünglichen Eigentümern des heutigen Alsterhauses, wurde zwar nicht auf Initiative des Hamburger Senats betrieben, aber dieser ließ es geschehen. Der SPD-Bürgermeister Carl-Wilhelm Petersen war zu dem Zeitpunkt schon durch NSDAP-Mitglied Carl-Vincent Krogmann ersetzt. Dieser war an der „Industrielleneingabe“ vom 19. November 1932 beteiligt, mit der sich rund 20 Industrielle an den damaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg wandten, mit der Aufforderung, Adolf Hitler unverzüglich zum Reichskanzler zu ernennen.

Dabei hätte der Hamburger Senat allen Grund gehabt, die Enteignung zu verhindern, denn schließlich verdankt die Hansestadt einem Juden, dem Bankier Salomon Heine, dass die Stadt nach dem großen Brand 1842 wieder aufgebaut werden konnte. Dieser hatte es zu großem, um nicht zu sagen für damalige Verhältnisse sagenhaften Reichtum gebracht. Diesen Reichtum nutzte er viel und oft, um Gutes zu tun. Während des Brandes ließ er es zu, dass sein Geschäftshaus am Jungfernstieg gesprengt wurde, in der Hoffnung, den Brand so aufzuhalten. Das gelang leider nicht, doch die Binnenalster konnte das Feuer schließlich stoppen. Weite Teile der Stadt waren zerstört und damit auch die Wirtschaftskraft. Salomon Heine gewährte den Kaufleuten großzügige zinslose Kredite, mit denen sie die Schäden beheben oder auch neu anfangen konnten.

Außerdem stiftete Salomon Heine 1939 auch die Mittel zur Errichtung eines neuen Hospitals der jüdischen Gemeinde. Das Israelitische Krankenhaus, ein 80-Betten-Haus, wurde zwischen 1841 und 1843 erbaut. Als er Ende1844 starb, bedachte er in seinem Testament alle Beschäftigten und spendete 8.000 Mark zum Wiederaufbau von zwei Kirchen, die durch den Brand zerstört wurden. Kurzum: Salomon Heine war eine Integrationsfigur und ihm erwiesen nicht nur Juden, sondern auch viele Nicht-Juden die Ehre. Tausende sollen ihn auf seinem allerletzen Weg begleitet haben. Die patriotische Gesellschaft hatte ihn bereits im Jahr zuvor zum Ehrenmitglied ernannt, obwohl sie bis zu dem Zeitpunkt Juden die Aufnahme verweigerte.

Seine Tochter Therese, die das Wohn- und Geschäftshaus erbte, ließ es am Jungfernstieg 34 wieder aufbauen und eröffnete im späteren „Heine Haus“ eine Unterkunft für alleinstehende Frauen, das „Heine'sche Asyl“ für Witwen und Jungfrauen ab 50 Jahren ohne Unterschied des Standes und der Konfession.

 

Die Alster als Touristenattraktion

Die Alsterpromenade wurde im Laufe der Jahrhunderte immer wieder aufgehübscht. Heute ist sie ein beliebtes Ausflugsziel und der treppenförmig angelegte Platz lädt zum Verweilen ein. Einheimische und Touristen können dort Möwen, Enten und Schwäne beobachten, sich an der von Auszubildenden der Hamburger Traditionswerft Blohm & Voss gebauten Fontäne erfreuen oder die Schiffe der Alsterflotte beobachten. Laut Wikipedia nahm „am 15. Juni 1859 das erste Alsterdampfschiff, die Alina, den Linienbetrieb auf der Binnen- und Außenalster sowie den angrenzenden Kanälen auf.“ Zur Jahrhundertwende waren demnach schon 30 Alsterdampfer im Einsatz, 1911 hatten bereits mehr als 11 Mio. Menschen eine Dampferfahrt genossen. Die Alsterdampfer seien seinerzeit „ein leistungsfähiges und preiswertes Nahverkehrsmittel“ gewesen, so Wikipedia. Doch Busse und Bahnen erwiesen sich schließlich als flexibler und günstiger, schon in den „Goldenen Zwanzigern“ des letzten Jahrhunderts nutzten nur noch ca. 6 Mio. Reisende diese Möglichkeit. Inzwischen ist es eine reine Tourismus-Linie, mit 18 Schiffen und knapp einer halben Million Fahrgästen pro Jahr – und entsprechend höheren Preisen als die der Verkehrsbetriebe. Dennoch für Reisende ein attraktiver Punkt auf der To-Do-Liste der Sehenswürdigkeiten in der Hansestadt.

 

Gedenken an die von den Nazis ermordeten Bürgerschaftsabgeordneten

Wenige Schritte vom Jungfernstieg entfernt befinden sich der Rathausmarkt und das ehrwürdige Rathaus. Dieses wurde 1897 errichtet und ist Sitz der Landesregierung, der Hamburgischen Bürgerschaft. Am Aufgang zum Plenarsaal ist eine Gedenktafel angebracht mit der Aufschrift: „Zum Ehren und Gedenken an die Mitglieder der Bürgerschaft, die nach 1933 Opfer totalitärer Verfolgung wurden.“. Gedacht wird 23 Abgeordneten, die von den Nazis ermordet wurden, sowie einem Abgeordneten, der Opfer des Stalinismus wurde. Die Namen der Nazi-Opfer sind:

Kurt Adams, Etkar André, Bernhard Bästlein, Adolf Biedermann, Gustav Brandt, Valentin Ernst Burchard, Max Eichholz, Hugo Eickhoff, Theodor Haubach, Wilhelm Heidsiek, Ernst Henning, Hermann Hoefer, Heinrich Louis Erich Hoffmann, Franz Jacob, Fritz Lux, Adolf Panzner, Fritz Reich, August Schmidt, Otto Schumann, Theodor Skorzisko, Ernst Thälmann und Hans Westermann. Alfred Levy floh nach mehrmaligen Verhaftungen durch die Nazis in die Sowjetunion, dort wurde er Opfer der stalinistischen Säuberungen.

Alfred Levy, Etkar André, Valentin Ernst Burchard, Max Eichholz, Theodor Haubach und Fritz Reich waren jüdischen Glaubens oder hatten jüdische Vorfahren.

 

Alfred Levy

Der 1985 in Hamburg geborene spätere KPD-Politiker wuchs in einer streng religiösen Kaufmanns Familie auf und besuchte die Talmud-Tora-Schule am Grindel. Diese verließ er ohne Abschluss, absolvierte eine Lehre als Schriftsetzer und Buchdrucker und ging auf Wanderschaft. Früh kehrte er dem Judentum den Rücken und engagierte sich bei den Jungsozialisten, später schloss er sich der KPD an. 1921 bis 1927 gehörte der der Hamburgischen Bürgerschaft an. Ende 1933 wurde er das erste Mal verhaftet und war zeitweise im KZ Wittmoor am Rande Hamburgs interniert. Dieses war eines der ersten KZs, die überhaupt errichtet wurden. Vor allem Antifaschisten, aber auch Zeugen Jehovas und Homosexuelle wurden dort interniert. Die Gefangenen wurden – wie die berühmten Moorsoldaten aus dem Emsland – zur Torfgewinnung und Moorkultivierung eingesetzt. Aufgrund einer schweren Magenkrankheit erhielt er Haftverschonung und wurde in das Eppendorfer Krankenhaus gebracht. Dort gelang ihm die Flucht und er floh über Berlin nach Prag und schließlich weiter bis Moskau. 1938 wurde er verhaftet, aus der KPD ausgeschlossen, zum Tode verurteilt und erschossen. 1957 wurde er in der Sowjetunion posthum rehabilitiert.

 

Etkar André

Für den 1894 in Aachen geborenen Sohn eines jüdischen Kaufmanns, dessen Mutter nach der Heirat zum Judentum konvertierte, spielte dieses keine Rolle. Nachdem sein Vater früh verstarb und die Mutter die Familie mehr schlecht als recht durchbringen konnte, holten belgische Verwandte diese zu sich. Dort begann er zunächst eine kaufmännische Lehre, diese brach er ab, um Schlosser zu werden. 1911 wurde er Mitglied der Sozialistischen Partei Belgiens, später ging er nach Koblenz, dort schloss er sich der Sozialistischen Arbeiterjugend an. 1920 siedelte er nach Hamburg über und trat 1923 in die KPD ein. 1928 bis 1933 gehörte er der Hamburgischen Bürgerschaft an. Am 5. März 1933 wurde er verhaftet und während der Untersuchungshaft so schwer gefoltert, dass er nur noch an Krücken gehen konnte. Am 10. Juli 1936 wurde er zum Tode verurteilt, obwohl ihm der zur Last gelegte geplante Mord an dem SA-Truppführer Heinrich Dreckmann nicht nachgewiesen werden konnte. Eine internationale Protestbewegung setzte sich für die Freilassung des in Fuhlsbüttel Inhaftierten ein, dennoch wurde er dort am 4. November 1936 hingerichtet. 75 politische Gefangene mussten der Hinrichtung zusehen. Trotz dieser offensichtlichen Drohgebärde traten 5.000 Santa-Fu-Insassen anschließend in den Streik.

 

Valentin Ernst Burchard

Der 1891 in Hamburg geborene spätere Politiker der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) absolvierte eine kaufmännische Ausbildung und arbeitete u.a. in den Niederlanden. 1920 machte er sich in Hamburg selbständig und war als ehrenamtlicher Arbeitsrichter tätig. Von 1932 bis 33 gehörte er der Hamburgischen Bürgerschaft an. Nach der Machtübernahme der Nazis entschied er sich zunächst gegen die Auswanderung, bemühte sich im Januar 1939 schließlich doch darum. Daraufhin wurde sein Betrieb „arisiert“, sprich enteignet. Er war verheiratet und hatte zwei Töchter und zwei Söhne. Es gelang der Familie, den jüngsten Sohn nach England zu verschicken, der ältere starb mit 18 Jahren. Gemeinsam mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern wurde er im November 1941 in das Ghetto Minsk deportiert. Dort verliert sich die Spur der Familie Burchard.

 

Max Eichholz

Der 1881 in Hamburg geborene spätere Politiker der DDP war der Sohn des Juweliers Franz Eichholz und der Frauenrechtlerin Julie Josefina Catharina Eichholz, geb. Levy. Sie war Mitbegründerin des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (ADF), der 1896 in Hamburg ins Leben gerufen wurde und etablierte eine Rechtsberatung für Frauen, insbesondere in Sachen Ehe- und Strafrecht. Sohn Max betätigte sich nach Studium der Rechtswissenschaften in Marburg und Berlin und der Promotion in Heidelberg in Hamburg als Anwalt. Zunächst leistete er in einer Kanzlei sein Referendariat, arbeitete danach als Anwalt und engagierte sich innerhalb der jüdischen Gemeinde im liberalen Tempelverein. Diese unterhielt mit dem „Israelischen Tempel“ eine der ersten reformierten Synagoge der Welt. Die 1818 entstandene Synagoge zog zweimal um, bevor sie an ihrem Standtort in der Oberstraße in der Pogromnacht am 9. November 1938 verwüstet und geschändet wurde. Das Gebäude blieb allerdings unversehrt und wurde 1953 vom NDR gekauft. Dort erinnert heute ein Mahnmal an die ehemalige Synagoge. Der Hamburger Tempelverein nahm 2004 seine Aktivitäten wieder auf.

Gedenktafel am Aufgang zum Plenarsaal im Hamburger Rathaus

Max Eichholz war von 1921 bis 33 Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft. Nach dem Erlass des „Reichsbürgergesetzes“ am 30. September 1938 wurde ihm die Zulassung entzogen. Seine Kanzlei, die er seit 1935 geführt hatte, musste er schließen. Nach der Pogromnacht wurde er verhaftet und in das KZ Sachsenhausen gebracht. Im Januar 1939 wurde er zwar entlassen, im März desselben Jahres aber erneut verhaftet und am 12. Juli wegen angeblicher „Rassenschande“ zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Am 10. Dezember 1942 wurde er aus der Strafhaft nach Auschwitz deportiert; dort wurde er 1943 ermordet.

 

Theodor Haubach

Der 1896 in Frankfurt/Main geborene spätere SPD-Politiker wurde als Sohn des Kaffeegroßhändlers Emil August Justus Haubach und der aus einer jüdischen Familie stammenden Emilie Hirschfelder geboren. Er engagierte sich bei den Wandervögeln und den Jungsozialisten, studierte in Heidelberg, München und Frankfurt Philologie, Philosophie, Sozialwissenschaften und Nationalökonomie. Von 1924 bis 1929 arbeitete er als Redakteur der sozialdemokratischen Tageszeitung Hamburger Echo; von November 1929 bis März 1930 war er als Pressereferent im Reichsministerium des Innern tätig und von Mai 1930 bis Juli 1932 als Pressechef beim Berliner Polizeipräsidenten. Von 1927 bis 29 gehörte er der Hamburgischen Bürgerschaft an, trat jedoch zurück, um sich ganz seinen Aufgaben in Berlin konzentrieren zu können. 1934 wurde er das erste Mal verhaftet und im KZ Esterwegen interniert. Dieses wurde im Sommer 1933 für die Unterbringung von 2.000 politischen Häftlingen errichtet und im Sommer 1936 wieder aufgelöst. Dort saß u.a. auch der bekannte Publizist Carl von Ossietzky ein.

Haubach wurde 1936 entlassen, 1939 jedoch erneut inhaftiert, allerdings vorübergehend. Nach seiner zweiten Entlassung nahm er Kontakt zum Kreisauer Kreis auf, eine Widerstandsgruppe, die u.a. von Helmuth James Graf von Moltke gegründet wurde. Dieser wurde Anfang 1944 verhaftet, die Gruppe löste sich auf, einige der früheren Mitglieder schlossen sich der Gruppe um Claus Schenk Graf von Stauffenberg an. Dieser verübte das Attentat am 20. Juli 1944 auf Hitler, das jedoch misslang. Nach dem Attentat wurde auch Haubach wieder verhaftet und zum Tode verurteilt. Am 23. Januar 1945 wurde er in Berlin-Plötzensee gemeinsam mit Helmuth James Graf von Moltke erhängt.

 

Fritz Reich

Der 1868 geborene spätere Politiker der Wirtschaftspartei des Deutschen Mittelstandes stammte aus einer jüdischen Familie. Er absolvierte eine kaufmännische Lehre in einer Kolonialwarenhandlung und arbeitete später u.a. in London. 1897 ließ er sich in Hamburg nieder und gründete eine eigene Firma. Im Oktober 1927 wurde Reich für die Wirtschaftspartei in die Bürgerschaft gewählt, bei der Wiederholungswahl im Februar 1928 verlor er sein Mandat jedoch wieder. In den 1930er Jahren besaß er eine Firma für Öle, nach der Pogromnacht wurde er zum Umzug ins Grindelviertel gezwungen. Dieses galt als Zentrum jüdischen Lebens in der Hansestadt, deshalb wurde die jüdische Bevölkerung Hamburgs von den Nazis dort konzentriert. Im Januar 1944 wurde er in das KZ Theresienstadt deportiert, dort verliert sich seine Spur. Es wird angenommen, dass er dort oder in einem anderen Lager ums Leben kam.

 

Nur die toten Juden zählen

Den von den Nazis ermordeten Juden wird nicht nur im Rathaus gedacht, sondern auch davor: Im Juni 2012 wurden Stolpersteine zu ihrem Gedenken verlegt. Diese werden von Abgeordneten der CDU, den Grünen, der LINKEN und der SPD gereinigt. Für den an einer im November 2022 – äußerst medienwirksam inszenierten – Putzaktion beteiligten LINKEN-Politiker bedeutete diese laut NDR „gelebte Demokratie und Respekt vor der deutschen Geschichte, die zur Vorsicht mahnt.“

Andere Politiker äußerten sich ähnlich. Das ließe hoffen, dass die Politik sich auch gegen den ständig wachsenden Antisemitismus – auch und gerade vor der eigenen „Haustür“ – beschäftigt. Und zwar nicht vorsichtig, sondern ganz energisch. Das ist jedoch nicht der Fall. Zwar gedenken sie oft und gern der ermordeten Juden, die lebenden lassen sie mit der wachsenden Gefährdung, die diese selbst konstatieren und die Michael T.* am eigenen Leib erfahren hat, nahezu komplett allein. Lediglich einzelne Politiker beschäftigen sich damit.

 

*Name von der Redaktion geändert

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