Ein weiterer fataler Schritt in Richtung Energienotstand: Deutschland nimmt seine letzten Atomkraftwerke vom Netz

Eine Ära geht zu Ende: Am 15. April gingen die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz.© Christof STACHE / AFP

Ausgerechnet in dem Land, in dem die Kernspaltung entdeckt und sogar eine nukleare Kreislaufwirtschaft entwickelt wurde, gingen am 15. April die letzten drei Atomkraftwerke vom Netz. Berechtigte, auch von Seiten der Jüdischen Rundschau von Beginn an vorgetragene, Bedenken aus Wirtschaft und Wissenschaft, das Risiko von Ausfällen oder Einschränkungen der Energieversorgung könnte ein faktischer Todesstoß für das Industrieland Deutschland sein, wurden und werden von den grün-linken Klima-Ideologen der Ampel-Regierung kenntnisfrei und in ideologisch verrannter System-Change-Absicht in den Wind geschlagen. Der grüne Bundeswirtschaftsminister und ehemaliger Kinderbuchautor Robert Habeck hält ignoranter Weise an der Ideologie der Unabkehrbarkeit des Atomausstiegs und damit am Selbstzerstörungskurs Deutschlands fest. Wie sinnentleert und mit doppelter Moral behaftet sein Vorgehen ist, belegt seine nahezu zeitgleiche, mehr als merkwürdige Aussage zu den tatsächlich Sicherheits-bedrohten Kernkraftwerken in der Ukraine: ‚weiterlaufen lassen‘, „die Dinger sind ja gebaut“. Mehr an ideologischer Ignoranz und Fehlbesetzung im Amt hat die Bundesrepublik bislang nicht erleben müssen. (JR)

Von Holger Douglas

Eine in über 120 Jahren von klugen Ingenieuren aufgebaute Versorgung mit preiswertem und verfügbarem Strom wird in wenigen Jahren durch Ideologen zerstört. Und zwar am liebsten „unumkehrbar“: Die Nachfahren sollen es möglichst schwer haben, wieder eine halbwegs funktionierende Energieversorgung aufzubauen.

Am 15. April endete nach rund 60 Jahren die Nutzung der Kernkraft für die Produktion von Strom. Vorerst – wenn die Energienöte zu groß werden, dürfte sich das Blatt schnell wieder wenden. Nur ist bereits jetzt nahezu sämtliche kerntechnische Kompetenz aus dem Land verschwunden, in dem Kernspaltung entdeckt und sogar eine nukleare Kreislaufwirtschaft entwickelt wurde. Das künftige energiehungrige Deutschland wird Kernkraftwerke aus dem Ausland kaufen und hierzulande betreiben lassen müssen.

Fast zwei Drittel der Deutschen sprach sich in Umfragen kernkraftfreundlich für einen weiteren Betrieb aus. Sehr spät dämmerte das heraufziehende Desaster auch der Wirtschaft. Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer, befürchtet einen Standortnachteil für Deutschland, steigende Kosten und Probleme bei der Energieversorgung. »Das in Deutschland bislang unbekannte Risiko von Ausfällen oder Einschränkungen der Energieversorgung ist ein Standortnachteil, der in einem Industrieland durch nichts ausgeglichen werden kann«, so Adrian gegenüber der Rheinischen Post. Deshalb würden weite Teile der deutschen Wirtschaft darauf setzen, funktionsfähige Atomkraftwerke bis zu einem Ende der Krise in Betrieb zu lassen.

Auch Bild fragt bang: Wo soll künftig der Strom herkommen? Der derzeitige Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hält den sogenannten Ausstieg für »unumkehrbar« – natürlich ist nichts unumkehrbar – und meint, die Versorgungssicherheit in Deutschland sei gewährleistet. Zu den Kernkraftwerken in der Ukraine hat er noch gemeint, ‚weiterlaufen lassen‘, »die Dinger sind ja gebaut«. Mehr Idiotie geht kaum.

 

Zunahme des Kohlendioxidausstoßes

Vor einer Zunahme des Kohlendioxidausstoßes nach dem sogenannten Atomausstieg warnt jetzt auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) unter der grünen Kerstin Andreae. Gegenüber der Rheinischen Post sagte sie, die Gefahr länger laufender Kohlekraftwerke nehme zu. Immerhin erspart ein Kernkraftwerk mit einer Leistung von 1 GW gegenüber einem Kohlekraftwerk mit 1 GW etwa 10 Millionen Tonnen CO2.

Auf die paar Gigawatt Leistung aus den letzten drei Kernkraftwerken komme es jetzt auch nicht mehr an, meinte noch der Vorstandsvorsitzende des Energiekonzerns RWE, Markus Krebber. In einem Interview sagte er vor kurzem: »In der gesamten europäischen Energieversorgung machen die gut vier Gigawatt Leistung der drei letzten deutschen Kernkraftwerke keinen Unterschied«. Die Politik habe entschieden, dass Ende April abgeschaltet werde. »Wir setzen das nun um.«

Klar ist: An Kernkraftwerken haben die deutschen Energieversorger die Lust verloren, zu wild ging es hin und her, das ist schlecht fürs Geschäft, vor allem, da es sich bei Kernkraftwerken um große Industrieanlagen handelt, die man nicht eben nach Belieben ein- oder ausschalten kann wie einen Teekocher. RWE beispielsweise hat erkannt: Für Windräder gibt es so unfassbar viel Geld vom Staat, dann werden eben Windräder »noch und nöcher« (Claudia Kemfert) gebaut und daran wird prächtig zulasten der deutschen Stromverbraucher verdient. Für Krebber steht übrigens fest: Deutschland wird Energieimportland bleiben.

Die FDP-Bundestagsfraktion forderte, die letzten drei Kernkraftwerke noch mindestens ein Jahr in einem betriebsbereiten Zustand zu halten, damit sie wieder hochgefahren werden könnten. Dem hielt Habeck entgegen: »Wir setzen mit dem Atomausstieg um, was Union und FDP 2011 beschlossen haben.«

Fest steht: Noch nie hat ein Land freiwillig seine Energieversorgung abgeschaltet und zerstört. Das, was fremde Armeen zuerst in Feindesland tun, nämlich die Energieversorgung anzugreifen und lahmzulegen, erledigen „Grüne“ im eigenen Land. Nach dem politischen Geplänkel ist die Frage, wie schnell grüne Truppen die Kühltürme in die Luft sprengen wie dies Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann getan hat, als der letzte Block des Kernkraftwerkes Philippsburg abgeschaltet wurde. Es sollen so schnell wie möglich Fakten geschaffen und verbrannte Erde hinterlassen werden. Die Nachfahren der grünen zerstörerischen Hardcore-Ideologen sollen es möglichst schwer haben, wieder eine halbwegs funktionierende Energieversorgung aufzubauen. Sie träumen von Beschlüssen für die Ewigkeit, der Begriff »unumkehrbar« taucht nicht zuletzt deswegen so häufig auf. Doch unvorstellbar, dass ein Land auf Dauer auf die Nutzung einer der vier Naturkräfte verzichten kann.

 

Der Ausstieg hat viele Mütter und Väter

Wobei – dies muss präzisiert werden – , es waren nicht nur die Grünen, sondern die CDU, die letztlich das Werk der Kernkraftwerksvernichter besorgt hat. Die Grundlagen für die Nutzung der Kernkraft wurden unter anderem 1955 gelegt, als das Bundesministerium für Atomfragen gegründet wurde, dem Vorläufer des Forschungsministeriums. Übrigens wollten seinerzeit auch die Sozialdemokraten Kernkraftwerke. Der Mensch solle sein Leben im atomaren Zeitalter erleichtern, von Sorgen befreien und Wohlstand für alle erschaffen, so schrieben sie 1959 in ihr Godesberger Programm, wenn er die Macht über die Naturkräfte nur für friedliche Zwecke einsetzen.

Der Ausstieg hat allerdings viele Mütter und Väter. Bereits 1998 beschlossen die Grünen, in deren DNA „Atomkraft – nein, danke“ angelegt ist, in einem Grundsatzpapier, die Kernkraftwerke sollen abgeschaltet werden. Im Jahr 2000 unterschrieb dann mit Gerhard Schröder als Chef der rot-grünen Bundesregierung ein anderer Sozialdemokrat die Ausstiegsvereinbarung mit den Stromerzeugern. 2008 dann wollte wieder eine Mehrheit, dass die Kernkraftwerke weiter betrieben werden. Der damalige CDU-Generalsekretär Pofalla bezeichnete die Atomkraft gar als »Ökoenergie«. Nicht nur die Kernkraftwerke, sondern auch die Kohlekraftwerke sollen gleich mit abgeschaltet werden – diesmal aus angeblichen Klimaschutzgründen. Am 3. Juli 2020 dann im Bundestag der Beschluss, die sogenannte Kohleverstromung zu verbieten, also die Verbrennung der Kohle in Kraftwerken, um Strom und teilweise Fernwärme zu erzeugen.

Dem stimmte übrigens SPD-Mann Michael Vassiliadis von der Gewerkschaft IG-Bergbau Chemie Energie zu; der saß mit in den entscheidenden Kommissionen und beschloss den Kohleausstieg mit. Vorteil: Er kann verhindern, dass rund 30.000 Gewerkschaftsmitglieder gegen die Vernichtung ihrer Arbeitsplätze und für die Weiterverwendung der Braunkohle auf die Straßen gehen, wenn sie gemerkt haben, wie sehr sie angeschwindelt wurden. Jetzt fordert Vassiliadis massive Subventionen für zu teure Energie, noch mehr Windräder und plädiert massiv für die Illusion »Wasserstofftechnologie«.

Gepflastert war der Weg mit »Ethikkommissionen«. Die »Ethikkommission für eine sichere Energieversorgung« sollte für Merkel den Atomausstieg rechtfertigen. Anlass: jener Tsunami, bei dem auch die japanische Kernkraftwerksanlage Fukushima beschädigt wurde.

 

Rohstoffmangel

Keine Frage: Künftig wird auch Deutschland nicht darum herumkommen, weitere Kohlekraftwerke in Betrieb zu nehmen. Kohlebefeuerte Kraftwerke und eher weniger Kernkraftwerke sind weltweit auf dem Vormarsch. China mit seinem enormen Energiehunger zum Beispiel hat Kernkraftwerke mit lediglich 50 GW Leistung in den vergangenen 25 Jahren aufgebaut, im Jahr 2020 aber allein 40 GW an Kohlekraftwerkskapazität. Aus Russland ist in absehbarer Zeit kein preisgünstiges Erdgas mehr zu erwarten, von den vier Röhren Nord Stream 1 und 2 ist lediglich eine noch vorhanden. Reparaturen sollen möglich sein, sind aber unter den gegenwärtigen politischen Vorzeichen illusorisch. Die Mengen an verflüssigtem Erdgas (LNG) sind weltweit gering und zu teuer, um wesentliche Anteile an der Energieversorgung Deutschlands zu übernehmen.

Das trifft auch die chemische Industrie ins Mark, bei der Erdgas immer mehr das Rohöl als Rohstoff ersetzte. Statt wie bisher die Kohlenwasserstoffketten des Erdöls zu cracken, werden immer mehr Produkte aus den Kohlenwasserstoffmolekülen des Erdgases zusammengebaut. Synthetisieren anstelle von Cracken ist eine elegante Lösung in dem molekularen Legospiel bei BASF, Bayer und Co. Doch wenn Erdgas fehlt, fehlt nicht nur die Energiequelle, sondern auch der Rohstoff. Dass mit Windrädern und Photovoltaikanlagen fehlendes Öl, Gas oder Kohlekraft oder Kernkraft ersetzt werden kann, können nur Hardcore-Grüne glauben.

Nein, es passt nichts mehr zusammen. Da sind einstürzende Kraftwerke und Abschaltung der letzten drei Kernkraftwerke nur der letzte Tropfen auf dem heißen Stein.

 

Dieser Artikel erschien zuerst bei Tichys Einblick.

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