Aufstand im Warschauer Ghetto: Ein Akt verzweifelter Selbstbestimmung

Zwischen Juli und September 1942 wurden etwa 250.000 bis 280.000 Menschen aus dem Ghetto deportiert, über 10.000 Juden wurden im Ghetto von den Nazis ermordet.
© AFP, ARCHIV

Nach vier Wochen erbitterten Widerstands wurde das Warschauer Ghetto niedergebrannt und zerstört. Der jüdische Aufstand wurde am 16. Mai 1943 von der SS für beendet erklärt. Trotzdem war der verzweifelte Kampf der tapferen jüdischen Männer, Frauen und sogar Kinder nicht vergebens: Sie haben das deutsche Deportationsinferno mit jüdischer Hand verzögert. Nur notdürftig bewaffnet, durch Hunger, Leid und Krankheit geschwächt, dafür aber mit erbittertem Kampfgeist haben sie versucht, der Ausrottung ihres Volkes Einhalt zu gebieten. Ihr Tod war nicht fremdbestimmt, endete nicht mit ihrer Deportation und Ermordung in einem deutschen KZ. Ihr Tod im Gefecht war vielmehr ganz im Sinne des historischen Geistes des Widerstandes von Masada, der letzte Ausdruck von Freiheit, um ehrenvoll, selbstbestimmt und als wirkliche Sieger im Kampf zu fallen. (JR)

Von Simone Schermann

Vor genau 80 Jahren, am 19. April 1943, begann im Warschauer Ghetto ein anderer Wind zu wehen, als Deutsche von Ghettojuden zur Strecke gebracht wurden, die im Kampf auf Leben und Tod zu jüdischen Ghetto-Kämpfern wurden, um sich bei den Nazibestien zu revanchieren, für das im Ghetto und den Lagern angerichtete Grauen. Jüdische Opfer übten Vergeltung an den Mördern, statt weiter still zu leiden und wie sie selbst sagten: „wie Schafe zur Schlachtbank zu gehen.“

In die deutsche „Gedenk-Kultur“ schaffen es diese Ghetto-Fighters kaum, eben weil sie aus Wut und Hass, Rache übten und Genugtuung forderten. Für eine Politik des Phrasen dreschen, für inhaltslose Sonntagsreden und ein jugendfreies Gedenken eignen sich nur ewige Opfer als jüdische Gedenk-Zwangsarbeiter, nicht so bewaffnete Juden, die es Tätern auch mal brutal heimzahlen und so dem Arbeitslager des deutschen Nachkriegs-Gedenk-Ghetto definitiv entkommen sind.

„Tit for Tat“ - Juden die Nazis töten! Ein No go für deutsche Gedenkakrobaten. Nicht aber für Juden Osteuropas, nicht so für die Juden des Warschauer Ghettos. Gerade polnische Juden revoltierten im bewaffneten Kampf gegen die Auflösung des Ghettos, was wir als die grausige Begrifflichkeit der Liquidierung kennen – und was mit der industriellen Vernichtung der Juden in den deutschen Todesfabriken endete.

 

Letzter Kampf um die Würde

Als die Nazis das Warschauer Ghetto errichteten, wurden fast eine halbe Million Menschen unter erbärmlichsten Bedingungen eingepfercht. Im Juli 1942 begannen Massendeportationen nach Treblinka, die im Januar 1943 intensiviert wurden. Widerstand formierte sich, der am 19.April 1943 im Aufstand der Ghetto-Kämpfer gipfelte, weil die Deutschen das Ghetto liquidieren wollten. Die längst durchgesickerten Nachrichten über die Massenmorde in den Vernichtungslagern motivierten die jüngeren Juden, Mitglieder zionistischer und anderer Organisationen, den Widerstand als letzten Kampf um Ehre und menschliche Würde zu wagen. Auch in anderen osteuropäischen Ghettos gab es jüdische Kampfgruppen, in einigen Vernichtungslagern Rebellion jüdischer Häftlinge.

Der Warschauer Ghetto-Aufstand wurde zum stärksten Ausdruck des Willens zum Widerstand, die Judenverbrennungen und Vergasungen in Chelmno und Belzhicz waren längst kein Geheimnis mehr.

Am 16. Mai 1943 endetet die jüdische Revolte, die sich der Auflösung des Warschauer Ghettos, auch als „Aktion Reinhardt“ bekannt, entgegengestellt hatte. Dieses Inferno grausamster Routine, bestehend aus der täglichen Deportation von 6000 Menschen, haben die Ghetto-Kämpfer ausgesetzt und darauf eine temporäre jüdische Antwort gegeben. Einer schrieb: „Wir kämpfen und sterben für die Ehre des jüdischen Volkes, für ein paar Zeilen in den Geschichtsbüchern.“

Am 28. Juli 1942 gründete sich die Zydowska Organizacja Bojowa/ZOB (Jüdische Kampf-Organisation), zu ihr gehörte der Bund, Kommunisten und acht zionistische Organisationen. Das Kommando hatten: Schmuel Braslaw, Jitzchak Zuckermann, Zivia Lubetkin, Mordechaj Tennenbaum-Tamarow und Marek Edelman. Kommandant der ZOB war der zionistische Jugendführer Mordechai Anielewicz. Unter den Vertretern des ZOB waren auch Frauen wie Frumka Plotnicka, Lea Perlstein und Tosia Altman.

 

Die Vorbereitungen

Marek Edelmann und Bernard Goldstein gehören zu den wenigen Überlebenden Ghetto-Kämpfern, die Zeugnis ablegten, über das brodelnde Ghetto, in Vorbereitung für den letzten Kampf, als sich dem Bund und den anderen Widerstandsgruppen, die verbliebenen Fabrikarbeiter anschlossen. Zweitausend Liter Benzin, Waffen und Explosivstoffe wurden beschafft, die Kämpfer geschult. Über Michal Klepfisz und Zalman Friedrych erzählt Goldstein, wie beide Männer nach Rache dürsteten. Zalmans Vater, Mutter und Schwester waren vergast, seine Frau Zille in Majdanek, sein Kind versteckt in einem katholischen Kloster.

Das schwierigste und zugleich wichtigste Unterfangen, war die Beschaffung der Waffen. Die Kasse des Judenrates wurde beschlagnahmt, Waffen eingekauft, 22 Kampfgruppen gebildet, über 1000 unterirdische Bunker und Verstecke gebaut. Fieberhaft arbeitete das Ghetto an der „endgültigen Vernichtungsschlacht“: Tunnel wurden gegraben, Verbindungssysteme durch Wasserversorgungs- und Abwasserkanalisation errichtet. Wenige Tage vor dem Ghettoaufstand brachten Zalman Friedrich und Michal Klepfisz die letzten Waffen ins Ghetto.

Die Geschichte kennt keine vergleichbare Situation, bei der gegen einen bis an die Zähne bewaffneten, übermächtigen Feind, ausgerüstet mit modernsten Vernichtungswerkzeugen, seitens der Zivilbevölkerung ein militärischer Widerstand geleistet wurde. „Klopfenden Herzens erwartete das Ghetto den Kampf, das Ende der unheimlichen gespenstischen Tragödie.“

 

Der Einmarsch

Um zwei Uhr früh, am 19. April 1943, dem ersten Tag des Pessach-Festes, marschierten Militär, Polizei, SS, Ukrainer, Letten und Polen entlang der Ghettomauer auf, ihnen folgten schwarze Bataillone mit Panzern und Maschinengewehren. An der Mila-Straße angekommen, prasselten von drei Seiten Granaten und Feuerbomben herunter, der Feind erlitt herbe Verluste, zwei Panzer verbrannten samt Besatzung und die Deutschen zogen sich zurück. Am nächsten Tag begann der Häuserkampf, als Hundertschaften ins Ghetto einrückten und mit einem Hagel aus Dynamitbomben und Sprengflaschen empfangen wurden, die aus Häusern, von Dächern und Speichern flogen. Eine elektrisch gezündete Mine ließ deutsche Uniformen in Fetzen fliegen und das Kommando unter Michal Klepfisz fügte dem Feind im Kampf um jedes Haus und jede Wohnung schwere Verluste zu. Es war ein wilder, verzehrender Kampf in der Dunkelheit, Michal fiel beim Rückzug im Kugelhagel, als er sich strategisch über ein Maschinengewehr der Deutschen warf.

Nun änderten die Deutschen ihre Taktik und legten Feuer an den Häusern. Ein Flammenmeer umbrandetet das Ghetto, außer Reichweite der Gewehre und selbstgefertigten Granaten der Ghetto-Kämpfer wurden Artilleriegeschütze aufgestellt. Die Deutschen schossen ins brennende Ghetto und warteten, dass die Flammen die Juden aus ihren brennenden Verstecken trieben, aus Kellern, Dachböden, waren sie leichte Zielscheiben.

Eine Kampfgruppe um Berek Sznaidmils wehrte den Feind eine Woche lang ab und eskortierte hunderte Menschen von einem ausgebrannten Versteck zum nächsten. Unvergessen bleibt der junge David Hochberg, dessen Mutter ihm verboten hatte, sich dem Kampf anzuschließen. Als Anführer einer Gruppe, schützte sein Bunker viele Familien. Als die Deutschen sie zur Aufgabe zwangen, klemmte er sich in den engen Bunkereingang, setzte seinen Körper dem Kugelhagel aus, sodass alle fliehen konnten.

In diese Hölle warf der Gegner seine gepanzerte Macht, jeder Kampfpunkt wurde zu einer isolierten, belagerten Festung, umgeben von Feuer, eingehüllt vor atemnehmenden Rauch. Mit Revolvern, Granaten und Dynamitflaschen, feuchten Taschentüchern über dem Mund, kämpften Juden gegen die deutsche Übermacht. Schlussendlich zogen alle übriggebliebenen Gettobewohner in den Kampf: Junge wie Alte, Männer und Frauen, Kinder. Jeder, der kämpfen konnte, ob er Waffen hatte oder nicht, andere fungierten als Kuriere, versorgten die Kämpfer mit Nahrung, Wasser und Munition.

Durch Feuersbrunst und Rauch schlugen sie sich von einem brennenden Häuserblock zum nächsten, von einem Versteck zum anderen, jede Kampfgruppe für sich allein, ohne zu wissen, wie es den anderen erging, unter ununterbrochenen Artilleriegeschossen der Deutschen. Ein ungeheueres Feuerwerk durchtobte das Ghetto, von außen gut sichtbar, erleuchtete das brennende Ghetto die Umgebung der Stadt, während die verbliebene „Ghetto-Gemeinde“ kämpfte. Die neue Taktik der Deutschen war Giftgas. Die jüdischen Kämpfer, deren Reihen dezimiert waren, verbrannt vom Feuer, erstickt von Rauch und Gas, zerrissen von Geschossen, suchten einen Ausweg aus der Hölle. Der einzige Rückzugsweg führte durch die Abwasserkanalisation, viele begingen Selbstmord.

 

Weil sie Juden waren

Goldsteins Buch „Die Sterne sind Zeugen“ berichtet auch über das Leiden, das man den Menschen auferlegt hatte, einzig weil sie etwas sind: Juden.

Er erzählt über die Welt der Ghettos, in der sie leben mussten, bevor man sie in die Schlächtereien von Treblinka, Majdanek oder Auschwitz-Birkenau deportierte. In den „Ghetto-Gemeinden“ begann ein qualvolles Leben, unter erbärmlichen Zuständen, dezimiert durch Unterernährung und Krankheiten, um die Überlebenden dann zum Umschlagplatz zu treiben und sie mit Güterwagen zu den Endstationen der Massengräber, Gaskammern und Hinrichtungsstätten zu bringen. Das Wort Umschlagplatz sollte sich tief in die Seelen der Ghettobewohner einbrennen.

In den ersten Wochen des Krieges war das zerstörte und besetzte Warschau Ziel Zehntausender jüdischer Flüchtlinge geworden und die Zahl der jüdischen Bevölkerung wuchs auf eine halbe Million, was Wohnraum, Arbeit und Nahrungsmittel immer knapper werden ließ.

Mit der Verordnung vom 16. Oktober 1940 wurde aus einem bereits überfüllten Elendsviertel Warschaus ein Juden-Ghetto, umzäunt von einer Backsteinmauer und Stacheldraht. Überall herrschte wilde Panik, grausame Szenen spielten sich ab. Die Juden rannten durch die Straßen, tödliche Angst in ihren verweinten Gesichtern, verzweifelt auf der Suche nach irgendeiner Art von Transportmittel, um ihre Habe zu befördern. Menschenmengen waren in Bewegung, endlos lange Reihen mit Karren aller Art, auf denen Hausgeräte, Kinder, Alte, Kranke lagen. Alle bewegten sich auf das Ghetto zu, gezogen und geführt von den Stärkeren und Gesünderen. Im Ghetto angekommen begann der Kampf um Lebensraum, um ein Zimmer, eine Ecke, einen Keller. Menschen lagen auf den Straßen, zogen durch die Gassen, zitternd vor Kälte, müde, hilflos, sterbend. „Eine Nation auf dem Marsch,“ so schreibt es Goldstein. Die erzwungene Umsiedlung war am 31. Oktober 1940 beendet, als die Tore sich schlossen.

Zwischen sechs bis sieben tausend Menschen starben monatlich im Ghetto durch Hunger und Seuchen. Jeden Morgen bedeckten Leichname die Gassen, kranke, verwahrloste und verwaiste Kinder bettelten um ein Stück Brot, Einzeln und in Gruppen.

Die Nazis erlaubten ab April 1941 legalen Schulunterricht für die rund 30.000 Kindern. Das Ghettodasein machte erfinderisch, es erzwang geradezu einen geistig-moralischen Abwehrmechanismus, als Kompensation für abgrundtiefe Hilflosigkeit. Unter größten Opfern wurden kleine Wunder vollbracht: Lehrmaterial in mühsamer Handarbeit erstellt, illegale höhere Schulen veranstalteten Abschlussprüfungen, deren Zertifikate sorgfältig verborgen aufbewahrt, für bessere Zeiten. Es gab Kurse für Handwerker, Sanitäter, Schneider, sogar Gymnastikgruppen, einen illegalen Literaturvertrieb und kulturelle Programme. Sie vermittelten die Illusion eines früheren Lebens, wie viele Hinterhöfe, die den Namen „Kindergarten“ trugen, obwohl nur der Name an eine glücklichere Vergangenheit erinnerte. Dort spielten Kinder mit bleichen Gesichtern Kinderspiele, den Hunger dabei kurzzeitig vergessend und dass sie vor kaum einem Jahr noch sauber und wohlgenährt waren.

Goldstein erzählt die Geschichte einer 17jährigen, die ihn fragt, ob es unmoralisch sei ihn zu bitten, in dem übervölkerten Ghetto für sie und ihren Freund einen Ort zu finden, wo sie sich lieben könnten. Beide waren in der illegalen Jugendbewegung tätig und natürlich erfüllte Goldstein ihnen diesen Wunsch. Sie kamen bei der Deportation ums Leben.

 

Der „Umschlagplatz“

Mit Beginn der Massendeportationen 1942 und der „Auslese“ zwischen „Produktiven“ und „Unproduktiven“ begann endgültig die Mobilisierung des Widerstands. Goldstein erzählt vom einstimmigen Beschluss, die Deportationen nicht mehr mitzumachen, Widerstand bis zum Tode zu leisten, lieber heroisch und ehrenvoll zu sterben, als sich in Lagern versklaven zu lassen. Auf den Mauern des Ghettos klebte: „Leistet Widerstand! Kämpft mit Händen und Füßen! Begebt euch nicht auf den Umschlagplatz!“

Die Nächte im Ghetto waren dunkel, nach jedem Tag voller Schrecken und endlosen Kummers. Verzweiflung und das miserable Ghetto-Dasein trieben Tausende dazu, den Versprechungen des Judenrats zu glauben. Bloß weg von Hunger und Seuchen des übervölkerten Ghettos, um unter besseren Bedingungen „arbeiten zu dürfen“, die Berichte von den Schlächtereien in Lagern ignorierend, begaben die Juden sich freiwillig zum Umschlagplatz, nahmen mit, was sie tragen konnten. Die Frommen ihre Gebetbücher, Handwerker ihre Geräte, respektable deutsche Juden ihre Lederkoffer, feines Bettzeug und Haushaltsutensilien. Man braucht uns zur Arbeit, war ihre Devise des Selbstbetrugs. Heute braucht man Juden zum Gedenken.

In der Nacht des 17. April 1942 begannen die Häuser-Razzien der Gestapo und der Terror im Ghetto trat in eine noch blutigere Phase, als fast jede Nacht Massaker auf den Straßen stattfanden. Mit vorgefertigten Listen holte auch die Jüdische Ghetto-Polizei die Juden mit Gewalt, um sie in Güterwagen zu verladen oder belieferte SS und Gestapo mit Namenslisten. Kinder hängten sich an ihre Väter, Frauen an ihre Männer, mit Bestechung konnte man es um einen Tag verzögern.

Das Ghetto wurde zum Tollhaus, schreibt Bernard Goldstein, als Jüdische Polizisten täglich ihre „Schlachtopfer zum Vernichtungsaltar“ brachten: Freunde, Verwandte, sogar die eigenen Eltern. „Wir alle kamen uns wie lebende Leichname vor, wie Geister, die dieser Welt nicht mehr angehörten.“ „Jeder Gedanke betraf den Tod“ und der Tod erschien als „einziger Ausweg aus dieser unbeschreiblichen Hölle, in der wir wandelten.“

 

Das Flammenmeer

Am 19. April 1943 begann etwas Verneigens wertes und mit großer Demut, zugleich in schmerzvoller Traurigkeit blicken wir heute auf die Beherztheit dieser Zionisten, Bundisten, Betaristen, Kämpfer des Dror, die das deutsche Deportationsinferno nur temporär, dafür aber mit jüdischer Hand aufhielten. Ein Szenario, in dem Juden mit den Peinigern ihres Volkes kaltblütig abrechneten, zwar nur notdürftig bewaffnet, durch Hunger und Leid geschwächt, dafür aber mit erbittertem Kampfgeist.

Mordechaj Anielewicz, Kommandant des ZOB im Warschauer Ghetto, wuchs in ärmlichen Verhältnissen in Warschau auf, absolvierte das jüdische Privatgymnasium, war Mitglied des rechtszionistischen Betar und später in der linkszionistischen Jugendorganisation Haschomer Hazair. Er organisierte die zionistische Jugendbewegung in der Illegalität und kehrte nach Warschau zurück, als lediglich 60.000 Juden nach den Massendeportationen verblieben waren. Der erst 23jährige Anielewicz war die Seele des Aufstands, verbündete Kommunisten, Bundisten, Links- und Rechtszionisten zu einer auf Leben und Tod verbundenen Kampfgemeinschaft unter dem Dach der ZOB, befehligte und überwachte die Vorbereitungen, verhandelte mit dem polnischen Untergrund für die Beschaffung von Waffen.

Er schrieb: „Unsere letzten Tage nahen. Aber solange wir noch Kugeln haben, so lange werden wir weiterkämpfen und uns verteidigen.“ Zusammen mit anderen Kämpfern starb er im Befehlsbunker der berühmten „Milastraße 18“ , als der Bunker am 8. Mai 1943, dem 15. Tag des Aufstandes, fiel.

Das Ghetto war ein Flammenmeer, Artilleriefeuer überdröhnte das Knistern brennender Häuser und das Gepolter einstürzender Mauern, Geschosse aus naher Entfernung hagelten in das lodernde Inferno. Die Flammen trieben die Menschen aus Verstecken in Kellern, Bunkern und Böden, ohne Luft zum Atmen, nur schwarzer erstickender Qualm. Die Fliehenden strömten auf die Straßen, leichte Zielscheiben für die deutschen Einheiten, starben im Feuer, stürzten sich zu Tode, kämpften, während der Himmel über dem Ghetto flackerte.

Jitzchak Zuckerman, in Wilna geboren, war Koordinator des Widerstands, organisierte den Rückzug seiner Kämpfer durch die Abwasserkanäle, darunter auch seine Frau Zivia Lubetkin, Marek Edelman oder Abrasha Blum. Draußen empfingen die Polen mit ungläubigen Augen diese menschlichen Skelette, die mit Maschinenpistolen bewaffnet, nacheinander aus den Abflussrohren krochen. Mit entsicherten Maschinengewehren, hungrig und todmüde, aber mit bleischweren Blicken aus Augen, die der Menge verdeutlichte, dass sie nicht zögern würden zu schießen.

Zivia Lubetkin, die in Ostpolen geboren war, gehörte dort der Führung des Dror an, kämpfte mit ihrem Mann später im Warschauer Aufstand gegen die SS. Sie organisierten gemeinsam nach dem Krieg die illegale Einwanderung der Shoa-Überlebenden nach Palästina und gründeten den Kibbuz der Ghetto-Kämpfer in Galiläa.

 

Ihren Henkern entrissen

Den Juden des Warschauer Ghetto, die sich im bewaffneten Kampf der Selektionsmaschinerie und dem Deportationsapparat der Deutschen entgegenstellten war bewusst, dass ihr Widerstand nicht erfolgreich sein würde. Es war ein ungleicher Kampf halbverhungerter jüdischer Frauen, Männer und Kinder, Seite an Seite, im erbitterten Gefecht gegen übermächtige Deutsche.

Der jüdische Aufstand, dauerte dennoch über einen Monat, bevor er sein vorhersehbares Ende fand. Eine jüdische Revolte, von der die Ghetto-Kämpfer wussten, dass sie am Ende zwar dasselbe Schicksal wie ihre Glaubensgenossen teilen würden, aber eben nicht das Gleiche, da sie die Entscheidung wie sie Leben und Sterben wollten in die eigene Hand nahmen und sie ihren Henkern entrissen.

Ihr Tod war nicht fremdbestimmt, endete nicht mit ihrer Deportation und Ermordung in einem deutschen KZ, ihr Tod im Gefecht war der letzte Ausdruck von Freiheit, um selbstbestimmt und als Sieger zu verlöschen.

Für das Einsperren in das heutige opferzentierte Gedenk-Ghetto und als Gedenkarbeiter deutscher Erinnerungsindustrie eignen diese Juden sich nicht. Die Ghetto-Fighters fordern geradezu den Ausbruch der jüdischen Zeitzeugen und Erinnerungszwangsarbeiter, der lebendigen Stolperstein-Juden und der sich hinter kugelsicheren Gemeinde-Ghettomauern versteckenden, staatstragenden Diaspora-Juden aus den Fängen ihrer politischen „Wohl“-Täter. Der Aufstand im Warschauer Ghetto sollte heute den Aufstand der Juden aus dem Opfer- und Gedenk-Ghetto beflügeln, um nie wieder Ghetto-Gemeinde zu sein.

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