Antijudaismus und Antisemitismus: Pius XI. und Pius XII. zwischen Opportunismus und Kollaboration mit Hitler und Mussolini - Teil 1

Pius XI© Copyright: Dr. L. J. Heid
Der Judenhass ist seit über 1000 Jahren in der christlichen Lehre tief verankert. Noch immer glauben viele Christen, dass die Juden „den Sohn G`ttes“ ermordet haben. In Hitler-Deutschland ging ein Teil der katholischen Kirche, wie auch der überwiegende Teil der EKD, eine Zusammenarbeit mit den Nazis und deren Antisemitismus ein. Die Kirchen erleichterten u.a. durch den Rückzug christlicher Parteien den Durchmarsch der NSDAP zur politischen Macht. In Italien scheute sich der Vatikan auch nicht vor einer Allianz mit Mussolini. Auch das umstrittene Handeln von Papst Pius XI. sowie Pius XII. (dem in den 1930er Jahre in Deutschland tätigen Kardinal Pacelli) zeigt, wie fatal und bedrohlich religiöser Antijudaismus und ideologischer Antisemitismus zusammengewirkt haben. (JR)
Vor dem Zweiten Weltkrieg betrug der jüdische Bevölkerungsanteil in Italien ungefähr ein Promille, in Deutschland ein Prozent und im katholischen Polen circa zehn Prozent. In polnischen Städten stellten sie vielfach die Mehrheit und allein Warschau hatte ungefähr 350.000 jüdische Einwohner. Pater Jósef Kruszyński, ein prominenter katholischer Priester, meinte 1923: „Wenn die Welt von der jüdischen Plage befreit werden soll, ist es notwendig, sie bis ins letzte Glied auszurotten“. Das war die Auffassung vieler seiner Priesterkollegen, die von der Existenz einer jüdischen Weltverschwörung überzeugt waren. Zwei Jahre später wurde er Präsident der Katholischen Universität von Lublin.
Gegen Ende des Ersten Weltkrieges bat der Erzbischof von Warschau Papst Benedikt XV., einen Emissär nach Polen zu schicken, um die religiöse, soziale und politische Lage im Lande zu erkunden. Seine Wahl fiel auf Achille Ratti, der dann 1922 das Nachfolge-Pontifikat als Pius XI. antreten sollte. Ratti äußerte sich gegenüber seinem Auftraggeber in Rom äußert abfällig über die Juden und als es zu zahlreichen Pogromen kam, meinte er in seinem Bericht: „Eine der übelsten und stärksten Kräfte, die man hier antrifft, vielleicht die stärkste und übelste überhaupt, sind die Juden“ und am 15. Januar 1919 schrieb er über die Situation in Warschau: „Die Juden sind dort ungeheuer zahlreich und könnten nicht stärker verachtet werden, aber sie werden nicht belästigt und noch viel weniger verfolgt“. Der Abschlussbericht der Mission, geschrieben von seinem geschätzten Sekretär Monsignore Pellegrinetti, triefte förmlich vor antisemitischen Klischees, angefangen von den angeblich rassischen Merkmalen (große Nase, abstehende Ohren etc.) über andere Vorurteile und erklärte die Juden sowohl zu Kapitalisten, die unglücklicherweise einen großen Teil des polnischen Wohlstands besäßen, als auch zu den Hauptkräften des Bolschewismus. Als Ratti im Februar 1922 vom Konklave zum Papst ernannt wurde, Papst Pius XI., belohnte er seinen damaligen Sekretär mit einer Nuntiatur in Serbien und einer Erzdiözese.
Parallel zu Rattis schnellem Aufstieg erfolgte jener von Mussolini, der 1919 die faschistische Partei gründete, nachdem er sich – für Italiens Kriegseintritt votierend - mit seinen sozialistischen Genossen überworfen hatte. Als antiklerikaler Sprücheklopfer erkannte er bald, dass er nur mit Hilfe der katholischen Kirche erfolgreich Karriere machen würde und verkündete im Sommer 1921, „dass die einzige universelle Idee, die heute in Rom existiert, diejenige ist, die vom Vatikan ausstrahlt“. Zwischen der faschistischen Ideologie und der katholischen Lehrmeinung gab es viele Gemeinsamkeiten. Man bekämpfte Kommunisten, Sozialisten und Liberale, man hatte ein autoritäres Gesellschaftskonzept und selbst der Große Rat der Faschisten war eine Nachahmung des Heiligen Kollegiums. Die Nachfolge des Duce wurde ebenso geregelt, wie die des Papstes.
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