Nationale Strategie gegen Antisemitismus „NASAS“: Alibi-Aktion des Bundesinnenministeriums

Das BMI will mit der „NASAS“ die Judenfeindlichkeit bekämpfen
© , WIKIPEDIA

Die „NASAS“ hat gemäß dem Innenministerium angeblich zum Ziel, Jüdinnen und Juden in Deutschland zu stärken und ihre Lebensrealitäten sichtbarer zu machen. Wie ernst kann es das Bundesinnenministerium aber mit der Sicherheit der Juden meinen, wenn weiterhin Hunderttausende muslimische Migranten unkontrolliert ins Land gelassen werden, obwohl sie in überwiegender Zahl als „Gastgeschenk“ Demokratieablehnung, unverhohlenen Juden- und Israel-Hass im Gepäck haben? (JR)

Von Mirjam Lübke

NASAS – so heißt das neueste Programm der Bundesregierung gegen Antisemitismus. Mit großem Getöse wurde das Wunderwerk in den Medien angekündigt und erweckte große Erwartungen: Werden Juden in Zukunft auch in den No-Go-Areas der deutschen Städte unbesorgt mit Kippa und Davidstern Spazierengehen können? Wird das Ende aller antisemitischen Verschwörungstheorien rund um die Rothschilds und die »Protokolle der Weisen von Zion« endlich besiegelt? Und jene der juristischen Gerechtigkeit zugeführt, welche Synagogen beschmieren oder mit Brandsätzen bewerfen?

An dieser Stelle würde ich gern einen großen Spannungsbogen aufbauen, denn meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Was allerdings daran liegt, dass ich von vornherein keine großen Hoffnungen in die Bundesregierung gesetzt habe, eine schlagkräftige, sinnvolle Strategie vorzulegen. Antisemitismus verhält sich bekanntlich wie Schimmel, er siedelt sich in allen Ecken an. Und daran krankt auch – um es gleich vorwegzunehmen – das NASAS-Programm. Die bunt und divers gestaltete Broschüre kündigt zwar an, man wolle sich nun der Datenerhebung widmen, wo es in Deutschland antisemitisch schimmelt, aber allein das ist schon eine Farce. Zum einen, weil es praktische Konsequenzen auf unbestimmte Zeit verschiebt, wenn nun erst einmal Forschungsgruppen und Arbeitskreise einzurichten sind. Bis die Ergebnisse vorliegen, soll dann wohl alles erst einmal so weiterlaufen wie gewohnt. Es ist zudem nicht so, dass es nicht bereits einige Untersuchungen gäbe, die uns einen recht guten Überblick verschaffen, wo die Übeltäter zu finden sind, so etwa die »Bielefelder Studie«. Bereits 2018 führte die »European Union Agency for fundamental rights« (FRA) eine europaweite Umfrage durch, in der unter anderem betroffene Juden befragt wurden, durch wen sie antisemitische Übergriffe erlitten hätten. In Deutschland gaben 41 Prozent Muslime als Täter an, 13 Prozent Linksextremisten und 20 Prozent Rechtsextremisten. Erschreckend hoch ist aber auch die Zahl der verbalen Attacken im Bekanntenkreis und im Arbeitsumfeld.

 

Einseitige Darstellungen

Aus diesen Daten gehen wichtige Erkenntnisse hervor, mit welcher Motivlage man es bei antisemitischen Tätern zu tun bekommt, denn nur so kann man maßgeschneiderte Methoden entwickeln. Zudem wäre es dringend notwendig, auch bei der Art der Taten mehr in die Tiefe zu gehen, denn auch das ist entscheidend für den Umgang damit. Allen, die schon einmal selbst Zeugen oder Zielobjekt waren, sind verschiedenste Spielarten von Antisemitismus bekannt, nicht alle äußern sich in Handgreiflichkeiten, manchmal ist es auch gut gepflegtes Unwissen, das abstruse Behauptungen befeuert. Neid ist bekanntlich eine uralte Triebfeder des Antisemitismus und er wird reichlich genährt durch allerlei Gerüchte, die Juden und Israel als Nutznießer unendlicher Geldmittel aus Deutschland beschreiben. Allein die Höhe der Renten für Holocaust-Überlebende – sie liegen bei etwa 150 Euro monatlich – werden sowohl von Deutschen als auch Einwanderern maßlos überschätzt. Der geneigte Leser der NASAS-Broschüre wird diesbezüglich dann auch umgehend beruhigt: Nachdem man sich durch allerhand Nichtssagendes gequält hat, erfährt man auf den letzten Seiten, dass die Bundesregierung auch weiterhin das „palästinensische“ »Flüchtlingshilfwerk« UNWRA finanziell unterstützen werde.

Erst wird viel heiße Luft produziert, daher verschläft man fast eine Ungeheuerlichkeit: Antisemitismus soll bekämpft werden, indem man ihn finanziell entlohnt – denn bekanntlich fließt aus den Mitteln der UNWRA auch Geld in die Erstellung judenfeindlicher Schulbücher für „palästinensische“ Kinder. Darüber hinaus musste schon die Regierung Merkel einräumen, man könne auch die Finanzierung sogenannter Märtyrerrenten für Attentäter und ihre Familien nicht ausschließen. Im Anschluss folgt dann noch die Bekräftigung, man wolle sich weiterhin für eine Zweistaatenlösung einsetzen. Nicht nur mischt sich Deutschland hier massiv in die israelische Politik ein, sondern die Verfasser winken auch kräftig mit dem Zaunpfahl: Es steht zwar nicht direkt im Text, aber plötzlich bekommt Israel wieder einmal die Schuld am arabischen Antisemitismus in die Schuhe geschoben. Wer hat doch gleich jegliches Angebot abgelehnt, einen autonomen „palästinensischen“ Staat zu schaffen? Selbst wenn die israelische Politik nur ansatzweise so furchtbar wäre, wie es in vielen deutschen und eingewanderten Köpfen herumspukt, ließe sich daraus kein Anspruch ableiten, in Deutschland lebende Juden anzupöbeln oder gar anzugreifen – den Hinweis darauf haben die Autoren »vergessen«.

 

Empathie für die Lebenden

Stattdessen soll wieder einmal die Gedenkkultur ausgeweitet werden. Dabei ist diese in Deutschland reichlich vorhanden – man spottet vielerorts, Deutschland liebe seine toten Juden mehr als seine lebenden, denn diese sind im Besitz einer eigenen Meinung. Ginge es nach der Reichhaltigkeit der Trauerveranstaltungen, so müsste Deutschland ein Paradies für Juden sein, was es bekanntlich nicht ist. Denn ihr Ziel, Empathie für die Lebenden zu wecken, verfehlt jegliche Gedenkkultur bei knallharten Judenhassern. Wir müssen uns der Realität stellen: Während in den Medien beständig die »Relativierung des Holocaust« beklagt wird, laufen in Deutschland Menschen aller Couleur herum, für welche die Shoah lediglich die Vorlage für geschmacklose Witze ist oder die sie sogar begrüßen. In islamistischen Kreisen – die in Deutschland übrigens von zwei Brüdern der ehemaligen Integrationsbeauftragten Aydan Özoguz massiv unterstützt werden – fordert man offen die Vernichtung Israels. An den Rändern des politischen deutschen Spektrums – rechts wie links – sympathisiert man gern mit diesem Gedankengut. Während in linksextremen Kreisen bis hin zur »Fridays for Future«-Bewegung die Gedenkkultur benutzt wird, um gegen Juden und Israel zu hetzen, wird man unter Islamisten oder auch Anhängern der »Rechten« oder der NPD kaum jemanden damit erreichen können, denn dort wird ein eigener Opferkult gepflegt: Der eigene. Wer bereit ist, die israelische Bevölkerung auszulöschen, dem ist es erst recht egal, was während der Shoah geschehen ist – da muss man Realist sein. Im Umgang mit Antisemitismus empfiehlt sich daher eine Art Triage: Es gilt, sich auf diejenigen zu konzentrieren, die man mit Argumenten und Aufklärung erreichen kann. Jene also, die auch einmal bereit sind, ihr Weltbild zu überdenken – dort kann man oft kleine Wunder bewirken.

 

Antijüdisches Mobbing

Allerdings lohnt es sich meines Erachtens nicht, sich an den Unbelehrbaren abzuarbeiten. Vielleicht kann man in Einzelfällen junge Menschen umstimmen, dagegen ist nichts einzuwenden. Aber wenn es sich die Bundesregierung tatsächlich zum Ziel gesetzt hat, jüdisches Leben in Deutschland zu schützen, muss sie den Judenhassern ein deutliches Signal geben: Wer Menschen wegen eines Davidsterns oder einer Kippa angreift oder Synagogen attackiert, darf keinen »Palästinabonus« erhalten, sonst wird das auch für deutsche Antisemiten zum Freibrief. Er muss vielmehr wissen, dass ihn eine empfindliche Strafe durch deutsche Gerichte erwartet. Alles andere wäre verlogene Täter-Opfer-Umkehr. Um es offen zu sagen: Wenn ich als Jüdin bedroht oder beleidigt werde, brauche ich keine Vorträge über die deutsche Vergangenheit, welche dem Täter zum einen Ohr hinein- und zum anderen wieder hinausgehen. Es ist traurig, dass einem etwa in der Arbeitswelt oft noch nicht einmal die Möglichkeit gelassen wird, sich selbst energisch zur Wehr zu setzen, weil Vorgesetzte keinen Aufruhr im Betrieb wollen. Der Rat »Einfach ignorieren!« bedeutet in diesem Falle nichts anderes als »Lass mich in Ruhe mit deinen Empfindlichkeiten!«.

Antisemitismus darf aber auch nicht zum politischen Spielball werden, indem man ihn bei Linken und Islamisten herunterspielt, während man gegen missliebige politische Persönlichkeiten wie Hans-Georg Maaßen aus dem Nichts den Vorwurf des Judenhasses hervorzaubert. Auch wenn es sicherlich individuell verschieden ist, was von Zuhörern als antisemitisch empfunden wird, braucht es objektive Kriterien, welche sich politischer Willkür entziehen. Wenn die Bundesregierung unbedingt darauf besteht, Studien durchzuführen, sollte sie zunächst einmal betroffene Juden nach ihren Erlebnissen fragen, um sich einen Überblick zu verschaffen, welche Spielarten des Antisemitismus in Deutschland vorzufinden sind und in der Zusammenarbeit mit ihnen Prioritäten festlegen. Was muss getan werden, damit sich Juden in Deutschland sicher fühlen können? Wenn dies aus dem Blickfeld gerät, sind alle groß angekündigten Projekte und Programme nämlich für die Katz.

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