Ausstellung: Lucia Moholy – Das Image des Bauhauses

Lucia-Moholy: Bauhausgebäude in Dessau - Werkstattfassade © Galerie Derda Berlin, © VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Sie ist nicht „nur“ die Frau des Bauhauslehrers Moholy-Nagy gewesen, Lucia Moholy war auch selbst eine begnadete Fotografin. In ihren Bildern sind die Gebrauchsobjekte des Bauhauses nicht nur einfach dokumentiert, sondern samt der Kreativität dieser Zeit konserviert. Als sie als Jüdin vor den Nazis fliehen musste, war sie gezwungen, sämtliche ihrer Glasnegative zurückzulassen und im Exil zum größten Teil in erheblicher Armut zu leben. Das Bröhan Museum in Berlin widmet ihr und ihren Verdiensten nun eine sehenswerte Ausstellung. (JR)

Von Sabine Schereck

Selbst im Licht stehen: Lucia Moholy, Fotografin. Sie hat mit ihren Aufnahmen das Bauhaus in der Welt sichtbar gemacht. Dabei sind es nicht nur die Häuser, die Stühle, die Lampen, das Geschirr, sondern auch der Geist des Bauhauses mit seiner neusachlichen Harmonie, der ihre Bilder durchdringt. Das Bröhan Museum holt sie nun mit der Ausstellung „Lucia Moholy – Das Bild der Moderne“ aus dem Schatten ihres berühmten Mannes László Moholy-Nagy, der am Bauhaus unterrichtete und als Maler, Typograf und Bühnenbildner seine Spuren hinterließ.

Mehr noch: Die Ausstellung deckt auf, wie es dazu kam, dass sie, trotz der weitverbreiteten Präsenz ihrer Bauhausfotos, derart aus dem Blickfeld geriet. Ein Kriminalfall, der mal wieder aufzeigt, wie durch Flucht und Vertreibung Künstlerinnen um ihre Bedeutung und fast um ihre Existenz gebracht wurden.

Als Lucia Schulz 1884 in Prag geboren, entstammt sie einer deutsch-jüdischen Familie. Ihre ersten beruflichen Schritte machte sie als Lektorin bei verschiedenen Verlagen. 1920 lernte sie in Berlin László Moholy-Nagy kennen, den sie heiratete und 1923 nach Weimar und Dessau begleitete, wo er zum Bauhauslehrer berufen wurde. Ihre eigene Stellung beim Verlag gab sie dafür auf. Stattdessen entwickelte sie ihre Fähigkeiten in der Fotografie weiter, die sie sich zuvor teils selbst angeeignet hatte.

Mit ihrem Vermächtnis beginnt die Ausstellung: Eine Reihe von Publikationen, die ihre Bilder veröffentlichten und so die Idee des Bauhauses verbreiteten. Darunter sind nationale wie internationale Schriften – mal mit, mal ohne Namensnennung. Das ist bereits ein Hinweis, warum ihre Autorschaft (un)willkürlich ausgeblendet wurde.

Die Schau mit etwa 100 Fotos von privaten und öffentlichen Leihgebern, Publikationen und Artefakten führt über Moholys Blick in die damalige Welt des Bauhauses. Da ist der darstellerische Bereich mit Oskar Schlemmers triadischem Ballett, Bühnenbildern und der eigenen Musikkapelle. In der Architektur sind da die Meisterhäuser, die heute noch in Dessau besichtigt werden können. Ferner sind Möbel zu sehen, die inzwischen weltweite Designklassiker sind wie die Tischlampe von Wilhelm Wagenfeld oder Marcel Breuers Stahlrohrstuhl. Breuers Stahlrohrhocker, ebenfalls von ihr in Szene gesetzt, findet sich sogar im Original in der Ausstellung. Zu Bauhauszeiten gehörte er zur Ausstattung der Werkstätten. Auch zwei Wagenfeldlampen können im Original betrachtet werden. Diese Exponate machen ihre Arbeit noch greifbarer.

 

Fotografische Dokumentation

Abseits der bekannten Bauhausentwürfe reihen sich Produktaufnahmen von Tee- und Kaffeeservices, Kannen und Vorratsbehältern aus Metall und Keramik ein, die die Arbeiten der unterschiedlichen Werkstätten festhielten. Ein besonderer Schatz findet sich im letzten Raum mit den eher unscheinbaren „Vorkursarbeiten“. Die daraus hervorgegangenen Konstrukte aus Holz, Metall und Glas waren alles andere als Gebrauchsgegenstände, sondern Studien zum Thema Gleichgewicht. Die Aufnahmen geben einen spannenden Einblick, wie das technisch-kreative Denken des Bauhauskonzepts geschult wurde – zumal die Originale kaum mehr zugänglich sein dürften, wenn sie überhaupt noch existieren. Die Bedeutung ihrer Aufnahmen wird vor allem Jahre später deutlich, als die Bauhäusler ins Exil gegangen waren und die Fotos stellvertretend für ihre Arbeiten wurden.

Wie sind Moholys Bilder darüber hinaus zu beurteilen? Sind sie reine Dokumentation? Moholy selbst sah sich als Dokumentaristin: „Ich bin nicht schöpferisch, nicht produktiv aus mir selbst, wohl aber von sehr feiner Aufnahmefähigkeit, rezeptiv.“ Betrachtet man die Bilder, so besteht aber ein klarer künstlerischer Aspekt. Sie gestaltet selbst, denn die Gegenstände sind wohl durchdacht arrangiert und ausgeleuchtet. Die Bildkompositionen sind von Harmonie und Rhythmus geprägt. Es herrscht ein konstruktivistischer Blick, der ganz im Einklang mit den abgebildeten Objekten steht.

Walter Gropius, Leiter der Schule, sah in ihren Aufnahmen auch bloße Dokumentation. Daher hielt er es auch nicht für nötig, obwohl sie quasi als ‚Haus-und-Hoffotografin’ integraler Bestandsteil der Schule war, sie anzustellen oder gar zu bezahlen. Er dachte sich, ohne die Arbeiten seiner Schule hätte sie auch keine Motive gehabt. Zudem war sie aus damaliger Sicht ‚nur’ die Frau des Bauhauslehrers Moholy-Nagy.

Ihr kostbarer Beitrag wurde völlig verkannt, obwohl gerade auf ihm der Ruhm des Bauhauses gründet. Walter Gropius war Meister im Marketing und ohne ihre Bilder hätte er die Idee des Bauhauses gar nicht so verbreiten können. Wie wichtig ihr die Fotografie war, zeigt sich an den Fotoausstellungen, an denen sie teilnahm. Darunter die Werkbundausstellung „Film und Foto” in Stuttgart, die 1929 eröffnete. Ihr einziges Gut waren die Rechte an den Aufnahmen. Sie hatte die Negative und auf den Abzügen wurde professionell und sorgfältig markiert: „Ohne Erlaubnis. Reproduktion verboten.” (Das Arrangement war damals allerdings, dass Mitglieder der Bauhausschule, diese kostenlos verwenden konnten, für andere Nutzer erhob sie eine Gebühr.)

 

Nach der Flucht kam das Vergessen

Nachdem Gropius das Bauhaus 1928 verließ, zog das Paar Moholy-Nagy wieder nach Berlin. 1929 trennten sie sich. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 zwang sie als Jüdin, die mit einem gerade verhafteten Kommunisten liiert war, über Nacht zur Emigration, so dass sie ihre etwa 560 Glasnegative hinterlassen musste – und da nimmt die tragische Geschichte ihren Lauf. Sie bat Moholy-Nagy diese zur Verwahrung zu nehmen. Lange konnte er sie nicht betreuen, da er sich selbst ins Ausland retten musste. Er gab sie in die Hände Walter Gropius, der genügend Kapazitäten hatte, diese mitzunehmen, als er selbst ins Exil ging. Zunächst nach London und ab 1937 in die USA, wo er eine Professur an der Havard University erhalten hatte. Dorthin wurden die noch im Keller seines Berliner Hauses eingelagerten Sachen, samt der Negative, direkt verschifft.

Von den Negativen machte er dann fleißig Gebrauch, wie für die 1938 von ihm kuratierte Ausstellung „Bauhaus: 1919-1928“ am Museum for Modern Art in New York – ohne Moholys Namen zu nennen.

Im Gegensatz zu ehemaligen Bauhauskollegen war Moholy mittellos nach London gekommen und ohne auf ihre bisherigen Arbeiten zurückgreifen zu können, war es schwer, sich als Fotografin zu etablieren. Unterstützung fand sie im Kreis anderer im Fotogeschäft Tätigen. Dazu gehörten Mitarbeiter von Fotodokumentationsprojekten wie die des Warburg-Instituts, die überwiegend jüdisch waren. Es ist eine interessante Fußnote in ihrer Biografie, da sie trotz ihrer jüdischen Herkunft, atheistisch erzogen wurde, aber, wie es im Katalog der Ausstellung heißt: „ihr Judentum ein Leben lang verleugnete.“

Als Moholy sich an Gropius bezüglich ihrer Negative wandte, verschwieg er deren Besitz. Erst später, als ihre Aufnahmen vermehrt in Publikationen zirkulierten, drängte sie ihn nachzuforschen. Als er zugab, diese zu haben, bedurfte es noch eines dreijährigen Rechtsstreits, bis er 230 der 560 Negative 1957 herausrückte. Heute befinden sich diese 230 Negative im Bauhaus-Archiv Berlin.

Während andere Baushäusler mit Hilfe von Moholys Fotos ihre Karriere im Exil fortführen konnten, blieb dies ausgerechnet der Urheberin der Fotos versagt. Als alleinstehende Frau in London rang sie oft mit Armut, da sie manch Angebote, Vorträge zum Bauhaus zu halten, aus gesundheitlichen Gründen oder mangelnder Bilder absagen musste. Nach dem Krieg arbeite sie bei der UNESCO, später in der Türkei. 1959 ließ sie sich in der Schweiz nieder, wo sie bis zu ihrem Tod 1989 freiberuflich arbeitete.

Die Kuratoren Thomas Derda, Tobias Hoffmann und Fabian Reiffenscheidt haben mit „Lucia Moholy – Das Bild der Moderne“ eine bedeutende Ausstellung geschaffen. Vielleicht der Ansatz einer späten Wiedergutmachung? Sie ist zudem ein hervorragendes Gegengewicht zur aktuellen Ausstellung „Magyar Modern – Ungarische Kunst in Berlin 1910–1933“ in der Berlinischen Galerie, in der die Arbeiten ihres Mannes vorgestellt werden – teils mit ihren Bildern.

„Lucia Moholy – Das Bild der Moderne“ im Bröhan-Museum, Berlin, bis 22. Januar 2023.

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