Jom-Kippur-Krieg: Unversöhnlich am Versöhnungstag

Israelischer Vormarsch auf den Golan Höhen am 8. Oktober 1973© SHLOMO ARAD / GPO / AFP

Am 6. Oktober 1973 griffen Ägypten und Syrien den jüdischen Staat am höchsten jüdischen Feiertag, Jom Kippur an. Am Versöhnungstag drangen 700 syrische Panzer auf den Golanhöhen vor, gleichzeitig griffen ägyptische Streitkräfte und Kampfflugzeuge den Sinai an. Das vom Angriff fahrlässig überraschte Israel schaffte es noch in Höchstgeschwindigkeit seine Truppen zu mobilisieren. Die israelischen Männer kamen teils mit Gebetsmantel direkt aus der Synagoge zu ihren Einheiten. Nur mit dieser Kraftanstrengung gelang es Israel trotz verweigerter deutscher Hilfe, den beinah geglückten Vernichtungsangriff der vereinten arabischen Aggressoren abzuwehren. (JR)

Von L. Joseph Heid

Die Geschichte Israels seit seiner Gründung im Jahre 1948 ist eine Geschichte der Auseinandersetzung mit seinen arabischen Nachbarn mit einer fünfzigjährigen Vorgeschichte. Die Staatsgründung Israels selbst war begleitet von dem jüdischen Unabhängigkeitskrieg, bei dem es um Leben und Tod der Juden ging, die gerade den Holocaust erlitten hatten; es ging um das staatliche Existenzrecht.

Dem Sinai-Krieg gegen Ägypten 1956 waren terroristische Anschläge auf israelisches Staatsgebiet vorausgegangen, organisiert von „Fidaiyun“, einer Vorläuferin der „Fatah“, des militärischen Armes der „Palästinensischen Befreiungs-Organisation“ (PLO). Kampfgruppen, die im ägyptisch kontrollierten Gaza-Streifen ausgebildet und bewaffnet wurden, operierten im Süden Israels und auch im von Jordanien verwalteten Teil Palästinas (Judäa und Samaria). Die Angriffe richteten sich gegen zivile Objekte und Personen innerhalb und außerhalb Israels und fanden in der Folgezeit kein Ende. 1967 nahmen die Spannungen und eine aktive Politik der Feindseligkeiten gegen Israel bedrohlich zu, Spannungen, die zum sog. Sechs-Tage-Krieg im Juni 1967 führten. Israel gewann den Krieg militärisch und besetzte arabische Territorien, die im Westen bis an den Suezkanal reichten, im Osten das Jordantal, die sog. Westbank, umfasste und im Nordwesten u.a. die Golanhöhen betraf.

Nach der Niederlage der arabischen Staaten im Junikrieg 1967 schwand das Vertrauen der Palästina-Flüchtlinge in die etablierten Regime in Ägypten, Syrien und Jordanien, die sie mit hohlen Versprechungen auf eine Rückkehr in ihre alten Wohngebiete so lange vertröstet hatten. Bis zum Beginn des Oktober-Krieges 1973 war es an den Grenzen Israels immer wieder zu Schusswechseln gekommen, Zwischenfälle, die man als „Zermürbungskrieg“ bezeichnen kann.

 

„Drei Neins von Khartum“

Nach schwierigen Verhandlungen erklärte sich Israel 1971 bereit, sich vom Ufer des Suezkanals zurückzuziehen, um die normale Schiffspassage zu ermöglichen. Für Ägypten war dies ein großer Fortschritt, konnte doch dieser große internationale Wasserweg wieder in Betrieb gesetzt werden. Doch Ägyptens Präsident Anwar as-Sadat wollte mehr, er lauerte auf die Rückeroberung der im Krieg 1967 verlorenen Gebiete, sobald sich die israelischen Truppen vom Kanal zurückgezogen hatten. Sadat übernahm die Parole: „Was mit Gewalt genommen wurde, kann nur mit Gewalt zurückerlangt werden“, was sich in den „Drei Neins von Khartum“ niederschlug. Die Khartum-Resolution vom 1. September 1967 war nach einem Treffen der Führer acht arabischer Staaten nach dem Sechstagekrieg in Khartum verabschiedet worden. Sie legte die Basis der Außenpolitik dieser Staaten bis zum Jom-Kippur-Krieg im Jahre 1973 fest. Sie bestimmte u.a. den fortgesetzten Kampf gegen Israel sowie das Ende des arabischen Öl-Boykotts, der während des Sechstagekriegs bestand. Die Resolution enthält in ihrem dritten Absatz Bestimmungen, die als die „drei Neins“ bekannt wurden: Kein Frieden mit Israel; keine Anerkennung Israels; keine Verhandlungen mit Israel.

Die Sowjetunion hatte Ägypten über Jahre hin militärisch aufgerüstet und Militärberater nach Kairo entsandt, wollte allerdings sein militärisches Engagement einstellen. Präsident Sadat verwies 1972 die damals fast 40.000 sowjetischen Berater des Landes. Ihm erschien Ende 1972 die Möglichkeit eines Krieges als ein reales und vielversprechendes Mittel. Auch an den jordanischen, syrischen und libanesischen Grenzen begannen in Absprache mit Ägypten relevante militärische Aktivitäten. Der israelische Geheimdienst hatte zwar Truppenbewegungen an der ägyptischen und syrischen Grenze gemeldet, jedoch ging niemand davon aus, dass dies auf einen Angriff hinauslaufen würde. Man vermutete die üblichen Herbstmanöver der Truppen. Auch Sadats Erklärung, dass er bereit sei, eine Million ägyptischer Soldaten zu opfern, um den Sinai zurückzuerobern, wurden in Jerusalem nicht ernst genommen. Der Sieg im Sechs-Tage-Krieg über drei arabische Staaten hatte in Israel die Überzeugung der Unbesiegbarkeit seiner Armee und die Unterschätzung des militärischen Potentials der arabischen Staaten genährt.

 

Krieg am Versöhnungsfest

Am 6. Oktober 1973 geschah es doch: Der gleichzeitig erfolgte Angriff von Ägypten und Syrien auf Israel kam völlig überraschend zu einer Zeit, in der Israel nicht genügend auf der Hut, vorbereitet und mobilisiert war. Der Zeitpunkt war von den Angreifern mit Bedacht gewählt – Jom Kippur, das Versöhnungsfest, der höchste jüdische Feiertag, ein Gedenktag, an dem das öffentliche Leben im Judenstaat ruhte, die Menschen fasteten. Zudem war Schabbat. Kein Radio, kein Fernsehen. Der Krieg hatte sehr schnell seinen Namen gefunden – Jom-Kippur-Krieg, der vierte arabisch-israelische Krieg. Zwischen dem 6. und 25. Oktober 1973 tobte ein erbitterter Wüstenkrieg zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten, ein bedeutendes Ereignis internationaler Politik, in dem auch das Ausmaß der weltweiten Ölkrise erstmals sichtbar wurde.

An diesem 6. Oktober 1973 war der kanadische Singer-Songwriter Leonard Cohen wieder einmal in seinem Haus auf der griechischen Insel Hydra. In seinem Haus auf Hydra wollte er die Hohen Feiertage verbringen. Er wird hier kaum den Gottesdienst besucht haben, denn auf Hydra gibt es keine Synagoge. Ob er am Jom Kippur an diesem 6. Oktober 1973, der im Übrigen auf einen Schabbat fiel, das Fastengebot befolgt hat, ist nicht überliefert, doch ist zu vermuten: Er hat.

Jedenfalls erreichte ihn an diesem Tag irgendwie die Nachricht, dass ägyptische Truppen den Suezkanal überquert, die israelischen Stellungen am Ostufer des Kanals überrannt hatten und weit in den Sinai vorgestoßen waren. Der sog. Jom Kippur-Krieg hatte begonnen, Israel befand sich in Gefahr und Leonard Cohen war sofort alarmiert.

Er zögerte nicht lange, packte rasch ein paar Sachen zusammen, bestieg das nächste Ferry-Boat nach Piräus, nahm in Athen die nächste EL AL-Maschine nach Tel Aviv, streifte sich ein khakifarbenes Hemd über und meldete sich bei der israelischen Armee dienstbereit. Er hatte sich ohne Plan spontan ins Flugzeug gesetzt in der Absicht, die ägyptischen Kugeln aufzuhalten.

Er habe, so sagte er, „als Jude den Juden“ helfen wollen. Ihm lag das Überleben des jüdischen Volkes am Herzen, er wolle, betonte er, bei jeder Krise, die Israel betrifft, zur Stelle sein.

Sieben Jahre nachdem er gegen den Vietnamkrieg auf der Bühne gestanden hatte, zog es den Dichter und Musiker also unversehens selbst an die Front: Als ambulanter Truppenbetreuer während des kompletten Jom-Kippur-Kriegs 1973 gab er bis zu acht Konzerte täglich vor den Zahal-Truppen, teilweise sogar während der Gefechte. Ein Foto zeigt ihn im offenen Hemd unter israelischen Soldaten, gleich neben General Ariel Sharon, der gerade im Begriff war, in einer Zangenbewegung den Suezkanal zu überschreiten und tief auf ägyptisches Gebiet vorzustoßen.

 

Aus der Synagoge an die Front

Die ersten drei Tage des Krieges erzeugten einen Schock, den Israel seit den schwersten Tagen seines Unabhängigkeitskrieges nicht mehr gekannt hatte. Noch heute ist der Tag bei allen älteren Israelis unvergessen: „Die Sirenen heulten. Ich stürzte aus der Synagoge und sah plötzlich Autoverkehr mitten in Tel Aviv. Das am Jom Kippur. So was hat es noch nie gegeben“, erinnert sich etwa ein Zeitzeuge. In Turnschuhen, mit umgehängtem Gebetsmantel, eilten die Männer zu ihren Einheiten. Panzer fuhren zur Front. Das Land war wie paralysiert, reagierte gleichwohl auf seine spezifische Art. Damals hatte Israel weniger als drei Millionen Einwohner.

Der Nachrichtensprecher Arieh Golan wurde schon am Morgen des 6. Oktober 1973 in die Heleni-Hamalka Straße in Jerusalem gerufen, wo in einem alten äthiopischen Palast bis heute der Sender „Kol Israel“ („Stimme Israels“) untergebracht ist. Am Jom Kippur, an dem auch nichtreligiöse Juden fasten, zum Gottesdienst in die Synagogen gehen, kein einziges Auto fährt und das Radio schweigt, erhielt Golan die Anweisung, um 14 Uhr nach den typischen Piepsern die Nachrichten zu sprechen. „Die Armeen Ägyptens und Syriens haben das Feuer auf unsere Streitkräfte eröffnet.“ Er hatte den Satz kaum ausgesprochen, da unterbrach ihn ein markerschütterndes Geschnatter. Eine andere Stimme rief: „Fleischtopf, Fleischtopf“. Das war das Codewort für eine Generalmobilisierung aller Reservisten. Es folgte klassische Musik und die Ankündigung weiterer Nachrichtensendungen im Abstand von 15 Minuten.

In den Wohnvierteln der israelischen Städte fuhren Kuriere von Haus zu Haus, oft wurden sie zur Synagoge gewiesen. Überall im Land wurden Gottesdienste unterbrochen, als Soldaten in Uniform mit Listen in der Hand die Synagogen betraten. Im Jerusalemer Stadtteil Beit Hakerem verlas der Kantor die Namenliste, die man ihm gereicht hatte und auf der auch der Name seines Sohnes verzeichnet stand. In der Synagoge der Sephardim in Jerusalem stand ein junger Mann auf, als er seinen Namen verlesen hörte. Sein Vater, der neben ihm saß, wollte ihn festhalten, doch der Rabbiner trennte die beiden und tröstete den weinenden alten Mann: „Der Platz Ihres Sohnes ist heute nicht hier“.

 

700 syrische Panzer auf den Golanhöhen

Die israelische Ministerpräsidentin Golda Meir und Verteidigungsminister Mosche Dayan verkalkulierten das militärische Risiko. So flogen am 06. Oktober 1973 240 ägyptische Flugzeuge über den Suezkanal und griffen israelische Stellungen an, während zeitgleich 2000 Geschütze an der gesamten Länge des Kanals das Feuer eröffneten und im Norden Israels 700 syrische Panzer auf die Golanhöhen zusteuerten.

Die Verteidigungsposten der israelischen Armee waren an beiden Fronten durch den Feiertag unterbesetzt. Dadurc0h konnte die ägyptische Armee bis zum Abend, sowohl den Suezkanal als auch die als unüberwindbar geltende Bar-Lev-Linie durchqueren. Ebenso gelang es den Truppen, 30 Kilometer ins Innere der Sinai Halbinsel – eines der von Israel seit dem Sechstagekrieg besetzten Gebiete – vorzudringen. Währenddessen eroberte auch Syrien die Golanhöhen zurück, die ebenfalls von Israel besetzt waren.

Nach drei Tagen schwerster Kämpfe, Niederlagen und dem Verlust aller vorderen Verteidigungslinien redete Verteidigungsminister Mosche Dayan vom „Untergang des dritten Tempels“. Zweimal hatte das Judentum die Zerstörung des Tempels in Jerusalem als traumatischen Wendepunkt erfahren. Jetzt stand der nur 25 Jahre zuvor gegründete Staat Israel für den „Tempel“, und seine Vernichtung galt als unabwendbar.

Der Erfolg der arabischen Armeen hielt jedoch nicht lange an, Israel konnte den Vormarsch der arabischen Truppen stoppen und die militärische Oberhand gewinnen, sodass die Golanhöhen schon zwei Tage später, am 08. Oktober 1973, wieder unter israelischer Kontrolle standen.

 

Schützenhilfe aus den USA

Vom 10. Oktober an versorgte eine Sowjet-Luft- und Seebrücke Syrien und Ägypten mit bedeutenden Lieferungen von Waffen und Munition. Vier Tage später begann die USA über eine Luftbrücke Israel mit lebenswichtigem Kriegsmaterial zu versorgen. Die Waffenlieferung aus Washington war jedoch zunächst auf Zögern im Weißen Haus gestoßen. Außen-Staatssekretär Henry Kissinger vertrat die Meinung, dass die geschaffene Situation Israel bewegen könnte, eroberte Gebiete wieder aufzugeben. In diesem Sinne, so der frühere Botschafter Israels in der Bundesrepublik, Asher Ben Nathan, erpresste Kissinger von Jerusalem die Zustimmung zu einem Waffenstillstand, der zu einem Zeitpunkt in Kraft treten sollte, als ägyptische Truppen noch tief im Sinai und syrische Truppen noch inmitten der Golanhöhen standen.

Sadat, an einen Sieg glaubend, lehnte den Waffenstillstand ab. Nun erst begann die amerikanische Waffenlieferung. Das war der Beginn des strategischen Bündnisses zwischen Israel und den USA. Ausgerechnet Deutschland verweigerte den amerikanischen Transportern die Zwischenlandung zum Auftanken. Das große Wort von der uneingeschränkten Unterstützung der Bundesrepublik für Israel als „Staatsräson“ war noch nicht gesprochen. In diesem Zusammenhang sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Portugal das einzige europäische Land war, das Zwischenlandungen der amerikanischen Transportflugzeuge erlaubte.

Israel hatte durch den Angriff einiges an Waffen und Militärausrüstung verloren, welche jedoch durch Lieferungen der USA ersetzt werden konnten. Aber auch Ägypten und Syrien hatten die Unterstützung einer Großmacht, sie wurden von der Sowjetunion mit Kriegsmaterial ausgestattet. Derweil machten die USA und die Sowjetunion ihre Atomwaffen scharf, zum dritten Mal seit dem Mauerbau in Berlin und der Kuba-Krise.

Israel blieb mit seiner Eroberung von Land nicht an den alten Besatzungslinien stehen, sondern rückte weiter in syrisches und ägyptisches Gebiet vor. Die israelische Luftwaffe bombardierte die syrische Hauptstadt Damaskus. In Ägypten überquerten die israelischen Truppen unter General Ariel Scharon den Suezkanal und näherten sich Kairo. Das militärische Debakel Ägyptens wäre nicht aufzuhalten gewesen, wenn die beiden Weltmächte sich nicht auf eine gemeinsame Friedensinitiative geeinigt hätten.

 

Waffenstillstand und Friedensverhandlungen

Auch wenn die Großmächte die Kriegsparteien mit Material unterstützten, waren sie eigentlich an einem Ende des Krieges interessiert. So unterstützten sie auch die am 22. Oktober 1973 vom UN-Sicherheitsrat verabschiedete Resolution 338, in welcher der Waffenstillstand und Friedensverhandlungen für einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten gefordert wurden. Außerdem wurde in der Resolution verlangt, auch die Aufforderungen der Resolution 242, die als Reaktion auf den Sechstagekrieg verabschiedet worden war, zu erfüllen. Für Israel bedeutete das, aus den besetzten Gebieten abzuziehen, von den arabischen Staaten wurde gefordert, Israel als Staat anzuerkennen.

Am 26. Oktober 1973 endete der Krieg mit der Unterzeichnung einer Resolution durch beide Kriegsparteien. Der Krieg kostete 2.700 Israelis und etwa 20.000 Syrern und Ägyptern das Leben.

Nach Beendigung der Kriegshandlungen trat die israelische Ministerpräsidentin gemeinsam mit dem Verteidigungsminister zurück. Es gab zu viele kritische Fragen, auf die Golda Meir und Moshe Dayan keine Antwort geben konnten, etwa, wie Ägypten und Syrien so ungestört diesen Krieg hätten vorbereiten können.

Am 28. Oktober 1973 nahmen Israel und Ägypten auf Druck der Amerikaner Verhandlungen auf, welche am 11. November 1973 mit einem Waffenstillstandsabkommen als Ergebnis beendet wurden. In Israel war das Gefühl verbreitet, von der Schutzmacht USA im Augenblick, als der Sieg greifbar schien, im Stich gelassen zu sein.

1982 gab Israel die Sinai Halbinsel an Ägypten zurück, nachdem der ägyptische Präsident Sadat im November 1977 für die Rückgewinnung der Sinai Halbinsel Frieden angeboten hatte und ankündigte, vor dem israelischen Parlament zu sprechen. Nach seiner Rede vor der Knesset lud der US-Präsident Jimmy Carter Ägypten und Israel zu Friedensverhandlungen auf seinen Landsitz im US-amerikanischen Camp David ein.

 

Nachhaltige Folgeeffekte

Nachum Goldmann, von 1956 bis 1968 Präsident der zionistischen Weltorganisation, schrieb in seinem Essay „Israel muss umdenken“ aus dem Jahre 1976 rückblickend: „Der [Jom Kippur-]Krieg bedeutete das Ende des Booms, den Israel seit dem Sechstagekrieg erlebt hatte, und führte statt dessen eine tiefe ökonomische Krise herbei, schärfer und gefährlicher in ihren Folgen als irgendeine der vorausgegangenen Krisen. Aber die wichtigsten Konsequenzen des Krieges waren psychologischer Natur. Für die Araber bedeutete der Krieg das Ende ihres Minderwertigkeitskomplexes und des Gefühls der Demütigung; für die Israelis das Ende der Gewissheit ihrer andauernden Überlegenheit und eine bedeutsame Schwächung ihrer inneren moralischen Front, die für alle Völker, vor allem aber für Israel, die entscheidende aller Fronten ist. …“

Seit 1973 hat es keinen konventionellen Krieg mehr zwischen Israel und den arabischen Nachbarstaaten gegeben. Dennoch ist die israelische Vernichtungsangst bis heute präsent. Außenpolitisch war das Resultat des Jom-Kippur-Krieges eine wachsende Isolierung Israels, deren Ursprung bereits Jahre zurücklag und die ihren dramatischen und bedauerlichen Gipfel in dem triumphalen Empfang Arafats in der Generalversammlung der Vereinten Nationen und in einer noch „unmoralischeren und verurteilungswerten Form“ (Nachum Goldmann) in den Beschlüssen, die seitdem die UNESCO und später wiederum die Generalversammlung der UNO in Bezug auf die zionistische Bewegung fasste.

Die angedeuteten Folgen des Jom-Kippur-Krieges hatten, wenn man es denn so ausdrücken möchte, auch einen positiven Aspekt: Sie machten ein Ende sowohl mit dem Überlegenheitsgefühl Israels wie dem Unterlegenheitsgefühl der Araber. Der unterschiedliche Kriegsausgang schuf ein neues Gleichgewicht in der Psychologie der Israelis und Araber. Und dies führte zu einer gewissen Normalisierung der ehemaligen Kriegsgegner und zumindest zu einem Teilfrieden zwischen Israel und seinen direkten Nachbarn Ägypten und Jordanien, was sich 1975 im Sinai-Abkommen niederschlug. In diesem Abkommen zwischen Ägypten und Israel wurde vereinbart, dass der Konflikt zwischen ihnen und im Nahen Osten nicht mit militärischer Gewalt, sondern allein mit friedlichen Mitteln beigelegt werden solle.

Israels Ministerpräsident Menachem Begin würdigte am 2. September 1975 in der Knesset das Sinai-Abkommen, in dem er an Präsident Sadat gewandt ausführte: „Blicken wir mit freudiger Erwartung einer neuen Zeit entgegen, denn ich glaube, dass das Abkommen, das wir heute unterzeichnet haben, einen Wendepunkt im arabisch-israelischen Konflikt darstellt“.

Sadat zog die Konsequenzen aus der ägyptischen Niederlage. Seine Erkenntnis, dass Israel mit militärischen Mitteln nicht in die Knie zu zwingen war, ermöglichte erste Kontakte zwischen Politikern auf beiden Seiten und motivierten ihn zum überraschenden Besuch in Jerusalem im November 1977. Sadat hatte auch Syriens Präsident Assad eingeladen, sich seiner Initiative anzuschließen, war jedoch auf Ablehnung gestoßen. Der Besuch Sadats in Jerusalem war der Auftakt zu Friedensverhandlungen in Camp David unter Teilnahme von Sadat, Begin und Präsident Jimmy Carter, die zur Unterzeichnung des Friedensabkommens in Washington am 26. März 1979 führten. Israel räumte die Sinai-Halbinsel in einigen Etappen bis 1982.

Auch wenn ein Frieden bzw. eine friedliche Koexistenz zwischen Israelis und „Palästinenser“ weiterhin in weite Ferne gerückt scheint, gibt es positive Signale von arabischer Seite, die auf eine hoffnungsfrohe Zukunft in Nahost deuten.

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