Gaza muss entwaffnet werden
Israels freiwilliger Rückzug aus dem Gazastreifen im Jahr 2005 löste enthusiastische Zukunftsprognosen für das Gebiet aus, doch als die islamische Terrororganisation Hamas im Sommer 2007 die Kontrolle über Gaza übernahm, wurde aus dem Traum vom „Singapur des Nahen Ostens“ eine somalisch-iranische Mutation. Kaum vom Westen beachtet und sogar finanziert, erzielten im Laufe der letzten Jahre, die gegen Israel abgefeuerten Raketen aus Gaza, immer mehr Zerstörungskraft und Reichweite. Der Westen hält sich mit Sanktionen zurück, obwohl bereits das Osloer-Abkommen von 1993 die Entwaffnung der Hamas vorsieht. (JR)
Der Iron Dome ist ein Schutzschild gegen das Raketen- und Flugkörperarsenal der Hamas© JACK GUEZ / AFP
Nichts dergleichen geschah. Als die Hamas, eine islamistische Terrororganisation, im Sommer 2007 die Kontrolle über den Gazastreifen übernahm, wurde aus dem Traum von Singapur eine somalisch-iranische Mutation. Im Jahr 2009 begann die Hamas mit der Umsetzung der Strategie ihres libanesischen Pendants, der Hisbollah, und machte massive Raketenangriffe auf Israels Bevölkerungszentren zum Eckpfeiler ihres Versuchs, den jüdischen Staat zu vernichten.
Die israelische Führung hat ihrerseits die zahllosen Raketenangriffe abgefangen und ihre verheerenden Auswirkungen durch eine Reihe von Verteidigungsmaßnahmen eingedämmt, insbesondere durch die Entwicklung des Raketenabwehrsystems Iron Dome. Mit anderen Worten: Die Israelis versuchten nicht, die Bedrohung zu neutralisieren, geschweige denn zu beseitigen (ganz im Gegensatz zu den Warnungen vor dem Rückzug, dass alle künftigen Terroranschläge mit unnachgiebigen Vergeltungsmaßnahmen beantwortet werden würden). Die politisch-militärische Medienelite schien die Tausenden von Raketen, die auf Israel niederprasselten, als ein vorherbestimmtes Unglück zu betrachten, das nicht ausgemerzt, sondern nur abgemildert und abgewehrt werden konnte.
Infolgedessen endeten die vier Kriege Israels gegen die Hamas (2008-09, 2012, 2014, 2021) allesamt ergebnislos, wobei die Hamas ihre Verluste nach Beendigung der Feindseligkeiten schnell wieder aufstockte. Seit dem Krieg vom Mai 2021 („Operation Wächter der Mauern“) hat sich ein Status quo ergeben, bei dem Israel nicht nur die fortgesetzte Herrschaft der Hamas im Gazastreifen, ihren teilweisen Wiederaufbau und den Ausbau ihres Raketenarsenals duldet, sondern sogar ihre neue selbsternannte Rolle als „Verteidiger Jerusalems“.
Die Umwandlung der Heimatfront (insbesondere rund um den Gazastreifen) in eine neue militärische Frontlinie hat die Souveränität Israels und die persönliche Sicherheit seiner Bürger untergraben. Sie hat auch Israels Status als Regionalmacht geschädigt und seine Abschreckungsposition untergraben. Erschwerend kommt hinzu, dass die Hamas in dem Maße an Stärke gewann, wie Israel immer verzweifelter versuchte, eine langfristige Vereinbarung mit ihr zu treffen. Das erklärt, warum sich die Hamas auf virtuose, punktgenaue militärisch-taktische Angriffe einließ, anstatt eine umfassende Strategie zu verfolgen, die die Sicherheit ihrer Bürger gewährleisten würde.
In dem Maße, in dem die Reichweite von Raketen und Geschossen zunimmt und die Technologie zerstörerischer unbemannter Fluggeräte weithin zugänglich wird, wächst die Fähigkeit der Wenigen, die Vielen überall und jederzeit zu bedrohen. Die erstaunliche Zunahme von Umfang, Reichweite und Genauigkeit der Hamas-Raketen und -Flugkörper wird Israel schließlich keine andere Wahl lassen, als die Zerschlagung dieses tödlichen Arsenals zu seinem Ziel zu machen. Jerusalem hat dieses Ziel sogar am Ende des Krieges 2014 formuliert, um es dann 2021 völlig zu ignorieren. Israel muss nun zu diesem Ziel zurückkehren, zumal die Entwaffnung der Hamas bereits in den Osloer Abkommen von 1993 vorgesehen war. Die Terrororganisation muss vor die Wahl gestellt werden, entweder ihr Regime oder ihre Raketen zu behalten.
Einige bezweifeln die Möglichkeit, die Hamas zu entwaffnen, weil sie dies entweder für nicht machbar halten oder weil es für Israel einen nicht hinnehmbaren Preis bedeuten würde. Dies erinnert an die Debatte in der israelischen Führung am Vorabend der Operation “ Schutzschild “ im April 2002, als weit verbreitete Skepsis herrschte, ob Israel in der Lage sei, die Kontrolle über große Teile des Westjordanlandes wiederzuerlangen, um die terroristische Infrastruktur der „Palästinensischen“ Autonomiebehörde zu zerstören. Mit der Operation Schutzschild wurde dieses Ziel jedoch mit weitaus weniger menschlichen Verlusten erreicht als ursprünglich befürchtet. Und das, obwohl diese Operation zu spät und erst dann durchgeführt wurde, als eine rasch ansteigende Zahl von Todesopfern die Frage erzwang und die geistige Blockade durchbrach, die die politische, militärische und mediale Führung gelähmt hatte.
In ähnlicher Weise wird der Schlamassel in Gaza nicht durch weitere ergebnislose Kampfrunden gelöst werden. Um eine neue Realität zu schaffen, muss Israel eine neue Politik verfolgen, die den Wiederaufbau des Gazastreifens von der Beseitigung des Raketen- und Flugkörperarsenals der Hamas abhängig macht. Die gefährliche Bedrohung der israelischen Zivilbevölkerung durch Raketen und Geschosse verstößt gegen den Kern des Völkerrechts und muss beendet werden.
Israel erwies sich schon oft als Kanarienvogel in der Mine, und seine gegenwärtigen Probleme können so zu den Problemen anderer werden. Europa zum Beispiel könnte bald einer ähnlichen Bedrohung durch Raketen- und andere Angriffe aus unregierbaren Regionen in Nordafrika ausgesetzt sein.
Die Entmilitarisierung sollte das vorrangige Ziel der israelischen Militärstrategie gegenüber dem Gazastreifen sein. Die mächtigste Armee im Nahen Osten muss unverzüglich die Bedrohung durch eine weitaus schwächere Terrororganisation beseitigen und nach fünfzehn Jahren ergebnisloser Kämpfe einen entscheidenden Sieg erringen.
Zvi Hauser war stellvertretender Sprecher der Knesset und Co-Vorsitzender des Israel Victory Caucus in den Jahren 2021-22. Auf Englisch zuerst erschienen bei The Middle East Forum. Übersetzung Audiatur-Online. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
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