Wider das Vergessen: Das misslungene Attentat auf Adolf Hitler

Es war nicht die Shoa, die den deutschen Widerstand vom 20. Juli 1944 antrieb, unter ihnen waren überzeugte Antisemiten. Doch wäre das Hitler-Attentat geglückt, hätte der Vernichtungskrieg Nazi-Deutschlands ein früheres Ende gefunden und Millionen jüdische Leben hätten gerettet werden können.

Claus Schenk Graf von Stauffenberg
© GEDENKSTAETTE DEUTSCHER WIDERSTA / GEDENKSTAETTE / AFP

Von Rolf von Ameln

Bereits im Sommer des Jahres 1938 hatte es in der deutschen Generalität Bestrebungen gegeben, einen Krieg zu verhindern. Der Generalstabschef des Heeres, Generaloberst Ludwig Beck, war deshalb im August dieses Jahres aus Gewissensgründen zurückgetreten, er blieb die treibende Kraft des Widerstandes und sollte nach dem für den 20. Juli 1944 geplanten Umsturzes die Führung des Staates übernehmen. Carl Friedrich Goerdeler, Kopf des zivilen Widerstandes, war für das Amt des Reichskanzlers vorgesehen, Goerdeler und Beck standen in engem Kontakt. In Abstimmung mit den beiden erarbeitete der Chef des Allgemeinen Heeresamtes, General der Infanterie Friedrich Olbricht, die "Walküre-Pläne". Ursprünglich waren diese Pläne von der deutschen Wehrmacht entwickelt worden, um das Vorgehen im Falle eines Aufstandes - etwa des deutschen Widerstandes, von Kriegsgefangenen oder anderen Gegnern des Nazi-Regimes - reichsweit zu koordinieren. Die "Verschwörer" des 20. Juli wollten sich nun diese Pläne zunutze machen, um ihre Verbündeten an die Hebel zur Macht zu bringen.

Im Zentrum der Vorbereitungen des Attentats stand ab dem Herbst 1943 Oberstleutnant Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Dessen Mitstreiter Generalmajor Henning von Treskow drängte im Angesicht der aussichtslosen militärischen Situation Deutschlands im Sommer 1944 zur Ermordung Hitlers, um dem In- und Ausland zu zeigen, "dass die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte den entscheidenden Wurf gewagt hat". Nachdem bereits mehrere Attentatsversuche gescheitert waren, legte Stauffenberg am 20. Juli 1944 im "Führerhauptquartier Wolfsschanze" bei einer Lagebesprechung mit Hitler eine Bombe. Leider überlebte der "Führer" nur mit leichten Verletzungen! Schon gegen 23 Uhr verkündete der Befehlshaber des Ersatzheeres Generaloberst Friedrich Fromm die unverzüglich zu exekutierenden Todesurteile wegen Hochverrats. Friedrich Olbricht, Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Mertz von Quirnheim und Werner von Haeften wurden noch in der Nacht zum 21. Juli 1944 im Hof des Bendlerblocks in Berlin erschossen. Dem ebenfalls dort anwesenden Beck war kurz zuvor "ehrenhalber" ein Revolver überreicht worden. Nachdem zwei Schüsse nicht ausreichend waren, sich selbst zu töten, gab ein Angehöriger des Wachkommandos den Todesschuss ab.

 

Die "Walküre-Pläne"

Die Attentäter wussten: Ein kalkulierbarer Anschlag konnte nur dort erfolgen, wo Hitler selbst Ziel eines Anschlags werden konnte - im Führerhauptquartier oder auf dem Obersalzberg. Der Anschlag war als Beginn des Umsturzes vorgesehen; er sollte innere Unruhen herbeiführen, um die "Walküre-Pläne" auszulösen und so das Militär wieder ins innenpolitische Spiel bringen – sofern öffentlich wirklich glaubhaft gemacht werden könnte, dass der Umsturzversuch von "parteifremden" Elementen ausgegangen sei. Innere Unruhen waren geradezu der Albtraum der Nazi-Führung!

Claus Schenk Graf von Stauffenberg hatte als Chef des Stabes beim Befehlshaber des Ersatzheeres Zugang zur Lagebesprechung im Führerhauptquartier und damit zum Diktator des "Dritten Reiches". Er wurde so zur Schlüsselfigur, denn er kannte die Walküre-Planungen, die der Chef des Allgemeinen Heeresamtes Olbricht hatte ausarbeiten lassen, und hatte nur die Voraussetzungen für ihre Auslösung zu schaffen. Stauffenberg war Stabschef bei Olbricht gewesen und hatte die Walküre-Pläne selbst modifiziert. Nach dem Anschlag auf Adolf Hitler hing alles von der Möglichkeit ab, klare, nicht in Frage zu stellende Befehle aus der Zentrale des Befehlshabers des Ersatzheeres abzusetzen, zentrale Parteistellen auszuschalten und Zugang zur Öffentlichkeit zu schaffen. Hitlers Tod wurde dabei von den Attentätern vorausgesetzt. Dafür musste das Führerhauptquartier in Ostpreußen völlig abgeschnitten werden. In Berlin befanden sich die wichtigsten Rundfunkeinrichtungen, weiterhin das Reichspropagandaministerium, das isoliert werden sollte, schließlich auch das Haus des Rundfunks. Dann sollte möglichst rasch eine schlagkräftige neue Befehlsstruktur geschaffen und eine sowohl handlungsfähige und effektive Regierung und militärische Führung eingesetzt werden.

 

Identitätsstiftender Widerstand

Beck, Witzleben, Hoepner und Goerdeler traute man diese Verantwortung auch aufgrund ihres Bekanntheitsgrades zu. Ihr gemeinsames Handeln setzte aber Übereinstimmung in den politischen Zielen und die Verbindung zu den traditionellen politischen Kräften voraus, die seit dem Jahre 1933 aus dem politischen Geschehen ausgeschlossen waren. Sie erst hätten aus dem Widerstand ohne Volk eine Massenbewegung, eine breite Auflehnung gegen die Nazi-Führung aus dem Volk gemacht. Von entscheidender Bedeutung für den tatsächlichen Erfolg, den Krieg rasch zu beenden und auf diese Weise den "Bestand des Reiches" zu sichern, war die Reaktion der Alliierten. Obgleich es etwa von Stockholm, der Schweiz oder von anderen Orten, nicht zuletzt vom Vatikan aus, eine Fülle von Kontakten der deutschen Opposition zur amerikanischen, englischen und selbst zur sowjetischen Seite gab, erfolgten nach der mutigen Tat Stauffenbergs keinerlei unterstützende Reaktion der Alliierten. Das Attentat auf Hitler scheiterte. Dennoch war es nicht unwichtig, denn es wirkte identitätsstiftend, indem es nach Ende des Zweiten Weltkrieges die Möglichkeit schuf, an die Tradition eines Widerstandes anzuknüpfen!

Die Hauptmeldung: Schon am Abend des 20. Juli brachte der Deutschlandsender gegen 18:45 Uhr die Sondermeldung: "Attentat auf den Führer missglückt!" Hitler hatte die Verbreitung der Nachricht seines "der Vorsehung" geschuldeten Überlebens im Laufe des Nachmittages zweimal telefonisch einfordern müssen: Goebbels, der die Lage in Berlin noch nicht endgültig vermag, zögerte mit der Veröffentlichung kurzfristig aus taktischen Gründen. Als dann die Nachricht vom fehlgeschlagenen Bombenanschlag in der ostpreußischen Wolfsschanze über den Äther läuft, startete die letzte große Kampagne der NS-Agitation in allen zur Verfügung stehenden Medien. Noch in der Nacht spricht der Diktator gegen ein Uhr über alle deutschen Sender und schildert die Vorgänge in aller Offenheit: "Deutsche Volksgenossen und Genossinnen! Ich weiß nicht, zum wievielten Male nunmehr ein Attentat auf mich geplant und zur Ausführung gekommen ist. Wenn ich heute zu Ihnen spreche, dann geschieht dies aus zwei Gründen: erstens damit Sie meine Stimme hören und wissen, dass ich selbst unverletzt und gesund bin. Zweitens damit Sie aber auch das Nähere erfahren über ein Verbrechen, das in der deutschen Geschichte seinesgleichen sucht. Eine ganz kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich verbrecherischer Offiziere hat ein Komplott geschmiedet, um mich zu beseitigen und zugleich mit mir den Stab praktisch der deutschen Wehrmachtsführung auszurotten. Die Bombe, die von dem Oberst Graf von Stauffenberg gelegt wurde, krepierte zwei Meter an meiner rechten Seite. Der Kreis, den diese Usurpatoren darstellen, ist ein denkbar kleiner. Er hat mit der deutschen Wehrmacht und vor allem auch mit dem deutschen Heer nichts zu tun. Diesmal wird nun so abgerechnet, wie wir das als Nationalsozialisten gewöhnt sind!"

Und so starben nicht nur viele Angehörige des deutschen Widerstandes gegen das Nazi-Reich, sondern auch die Vernichtung des jüdischen Volkes konnte ungehindert fortgeführt werden.

 

Rolf von Ameln wurde 1943 geboren. Nach seiner Lehre bei der Stadtverwaltung Rheydt wechselte er in den Polizeidienst der amerikanischen Luftwaffe und wurde auf verschiedenen Stützpunkten - zuletzt in Ramstein - eingesetzt. Seit dem Jahre 1986 arbeitete er als Auslandskorrespondent der Israel Nachrichten mit Sitz in Tel Aviv.

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