Wahlkampfkrimi in Frankreich

Für die rechtsgültige Anmeldung zur Präsidentschaftswahl in Frankreich im April müssen die Bewerber 500 Unterschriften gewählter Mandatsträger vorlegen. Weder Le Pen, noch Zemmour können derzeit dieses Kriterium erfüllen. Der Grund dafür: Viele Mandatsträger haben Angst davor, sich öffentlich gegen die Brüssel-hörige Politik Macrons zu positionieren. (JR)

Marine Le Pen und Eric Zemmour© AFP

Von Filip Gašpar

Im April finden in Frankreich die Präsidentschaftswahlen statt. Die erste Runde der Wahl ist am 10. April. Seit 1958, als die fünfte Französische Republik verkündet wurde, ist es die zwölfte Wahl eines französischen Staatsoberhaupts. Nicht nur das Mehrheitssystem macht den Ausgang der Wahlen in Frankreich spannend, sondern auch die Kandidaten selbst. Es gilt als sicher, dass das derzeitige Staatsoberhaupt Emmanuel Macron wieder antreten wird, auch wenn er dies bis zum Redaktionsschluss Ende Februar immer noch nicht angekündigt hatte. Doch auch für seine Herausforderer bleibt einiges noch offen.

In diesem Jahr fällt die Wahl mit der französischen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2022 zusammen. Der Vorsitz im Rat der EU rotiert alle sechs Monate und ist unter anderem dafür verantwortlich, die Arbeit des Rates zu betreuen und voranzubringen. Für Macron könnte die Aufgabe aber auch eine positive Bühne sein. Doch zeitlich wird es allmählich knapp.

Die diesjährige Wahl findet nicht nur von dem Hintergrund der französischen EU-Ratspräsidentschaft statt, sondern neben den üblichen Wahlkampfthemen wie die wirtschaftliche Situation, kommen dieses Mal noch der Umgang mit der Corona-Krise und der aktuelle Krieg zwischen der Ukraine und Russland hinzu.

In wenigen Tagen, also am 4. März, läuft die Frist zur Anmeldung der eigenen Kandidatur ab. Danach ist es den Kandidaten nicht mehr möglich, sich in eine Wahlliste einzutragen. Auch wenn die meisten Parteien schon bekannt gegeben haben, wen sie ins Rennen schicken, werden die Kandidaturen dem französischen Verfassungsrat (Conseil Constitutionnel (CC)) offiziell erst am 8. März bestätigt. Bis dahin müssen die potenziellen Kandidaten Unterstützung in Form von 500 Patenschaften von Bürgermeistern oder Parlamentariern vorweisen können. Der Nachweis dieser Unterschriften aus den ca. 48.000 Volksvertretern muss bis dahin erbracht werden. Dann werden die Unterlagen geprüft und anschließend müssen die Kandidaten ihre Vermögenssituation klären, um sich dann zur Wahl zu stellen.

Weder Macron, Zemmour noch Le Pen haben dies bisher getan. Anders als in Deutschland können in Frankreich Staatsoberhäupter höchstens an zwei aufeinanderfolgenden Amtszeiten regieren. François Hollande, der Vorgänger von Emmanuel Macron, war der erste Präsident in der Geschichte der Fünften Französischen Republik, der keine zweite Amtszeit anstrebte. Macron mimt bis zum Schluss noch den Unentschlossen, wohl auch aus taktischen Gründen.

 

Wahlkonditionen in Frankreich

Die aktuelle fünf Jahre andauernde Amtszeit endet mit dem ersten Wahlgang am 10. April. Drei Tage darauf am 13. April wird der Verfassungsrat die Ergebnisse bekannt geben. Sollte keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erringen können, wird es zu einem zweiten Wahlgang kommen und in diesem zu einer Stichwahl zwischen den Kandidaten mit den meisten Stimmen. Dies ist bisher bei allen Wahlen seit 1965 passiert und es sieht nicht danach aus, dass es dieses Mal anders sein sollte. Vor der Stichwahl haben die Kandidaten eine Woche lang Zeit ihre Wähler in einem zweiten Wahlkampf von sich zu überzeugen. Wer bei der Stichwahl am 24. April mehr Stimmen hat, ist auch der Sieger der Wahl.

Wahlberechtigt ist jede Person mit einer französischen Staatsbürgerschaft, am Wahltag 18 Jahre alt ist und sich in die Wahllisten eingetragen hat. In manchen der ehemaligen Kolonien wird aufgrund der Zeitverschiebung zuerst gewählt. In Frankreich selbst wird traditionellerweise erst am Sonntag gewählt. Um Wahlbetrug vorzubeugen ist eine Briefwahl in Frankreich nicht erlaubt, sondern der Wähler muss bei der Präsidentschaftswahl seine Stimme persönlich an der Wahlurne abgeben, oder er hat die Möglichkeit eine Vertrauensperson für sich zu bestimmen. Zum Beispiel, wenn man nicht die Möglichkeit hat ins Wahlbüro zu kommen.

Spätestens am 27. April gibt der Verfassungsrat das Ergebnis der Wahl bekannt, also nach Ablauf des Wahlgangs. Ob Macron seine Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger übergeben muss, seine fünfjährige Amtszeit damit endet, oder vielleicht auch nicht, wird sich zeigen. Doch wer sind seine Gegenkandidaten? Die wichtigsten sind bereits bekannt und sie sind bekannte Persönlichkeiten aus der Politik.

Da den Kandidaten noch bis zum 4. März Zeit bleibt, kommt es auch zu einiger Fluktuation.

Es folgt eine kleine Auswahl über einige Kandidaten aus dem linken Lager, bevor wir uns den Kandidaten aus dem rechten Lager widmen.

 

Die Kandidaten

Die Sprecherin der trotzkistischen Partei Lutte Ouvrière (zu Deutsch: „Kampf der Arbeiter"), Nathalie Arthaud versucht es ebenfalls wie Marine Le Pen zum dritten Mal als Kandidatin bei den Präsidentschaftswahlen. Auch wenn sie eine der ersten Kandidaten war, die die erforderlichen 500 Unterstützungsunterschriften vorweisen konnten, rechnet man weder ihr noch ihrer Partei große Chancen zu.

Oder Jean-Luc Mélenchon (La France insoumise), der bereits für mehrere Parteien bei der Präsidentschaftswahl angetreten ist. Er ist Gründer der linken Partei Parti de gauche und der EU-kritischen Bewegung La France insoumise (zu Deutsch: „Unbeugsames Frankreich“). Darüber hinaus ist er Abgeordneter der französischen Nationalversammlung. Mélenchon gilt als der Top-Kandidat des linken Spektrums. Kritiker werfen ihm vor, dass sein Auftreten für die große Bühne zu populistisch sei. Mit Eric Zemmour lieferte er sich im September letzten Jahres ein Aufsehen erregendes Fernsehduell.

Auf der konservativen Seite ist Valérie Pécresse (Les Républicains) zu nennen, die als ehemalige Ministerin unter Sarkozy mit ihrer Partei nicht nur ein großes politisches Lager hinter sich versammelt, sondern auch Regierungserfahrung mitbringt. Aktuell arbeitet sie als Regionalpräsidentin der Île de France und ist Leiterin der politischen Region um Paris. In den letzten Umfragen kam sie auf 14 Prozent.

 

Herausforderer aus dem rechten Lager

Auch Marine Le Pen vom Rassemblement National (ehemals Front National) versucht zum mittlerweile dritten Male das Amt des französischen Staatsoberhauptes zu gewinnen. Lange Zeit galt sie als die größte Konkurrentin von Macron, doch dies änderte sich alles, als Eric Zemmour seinen Hut in den Ring warf. Doch nicht nur Zemmour bereitet ihr Probleme, sondern Le Pen hat vor wenigen Tagen bekannt gegeben, dass sie ihre Kandidatur aussetzt, weil sie die benötigten 500 Unterschriften noch nicht beisammenhat. In den aktuellen Umfragen liegt sie entweder mit Eric Zemmour bei 14 Prozent gleichauf oder sogar vor ihm mit 17 Prozent. Das wird ihr aber nichts nutzen, wenn sie bis zum 4. März um 18 Uhr die 500 Unterschriften nicht vorweisen kann.

Doch das enfant terrible Éric Zemmour und seine Partei Reconquête könnte dasselbe Schicksal ereilen. Bis zum Redaktionsschluss der Jüdischen Rundschau fehlten ihm auch noch fast 150 der benötigten 500 Stimmen, um seine Kandidatur anzumelden. Laut Zemmour sagen ihm viele der 48.000 Volksvertreter, dass sie ihn und seine Forderungen insgeheim unterstützen, sich aber nicht trauen, dies öffentlich zu bekunden. Man kann nur hoffen, dass Zemmour die benötigten Unterschriften zusammen bekommt, denn er spricht viele wichtige und kontroverse Themen offen an. Dazu gehört die These vom „großen Austausch“, die besagt, dass die Europäer von muslimischen Einwanderern verdrängt werden sollen. Er verweigert eine Unterscheidung zwischen „Islam“ und „Islamismus“ und fordert eine Rückbesinnung auf die französischen Werte und wird Le Pen nicht nur damit gefährlich, sondern sogar ihr eigener Vater, den sie aus der Partei geworfen hat, hat offen seine Unterstützung für Zemmour bekundet. Somit ist neben der Frage im schon auf Hochtouren laufenden Wahlkampf, ob Zemmour die benötigten 500 Unterschriften zusammen bekommen wird, die noch spannendere Frage, nicht, ob Macron antritt oder nicht, sondern, wie viele Stimmen Éric Zemmour bekommt und ob er es in die zweite Runde gegen Macron schafft. Wahrscheinlich würde nicht nur die gesamte Grande Nation gebannt ein Fernsehduell der beiden am Bildschirm verfolgen, sondern ganz Europa.

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